Luisella Scrosati befaßt sich in einem Beitrag für La Nuova Bussola Quotidiana ausführlich mit der Geschichte von ungültigen Päpsten und Gegenpäpsten.
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"BALDASSERE COSSA ODER DAS RÄTSEL VON JOHANNES XXIII"
Das Westliche Schisma hat jahrhundertelang Zweifel an der Legitimität mancher Päpste oder angeblicher Päpste verursacht, in die Krise verwickelt waren. Emblematisch ist der Fall von Kardinal Cossa, der den Namen Johannes XXIII annahm. Den selben, den Papst Roncalli im 20. Jahrhundert wählte. Schauen wir warum.
Die lange Krise des Großen Westlichen Schismas (s. hier) hatte die Einheit der Kirche auf die Probe gestellt. Nicht nur während des 40-jährigen Schismas, sondern auch danach war es nicht einfach, das Gewirr der Legitimität der drei Päpste zu entwirren. Insbesondere die von Kardinal Baldassarre Cossa, der den Namen Johannes XXIII. (ca. 1370-1419) annahm, als er 1410 beim Konzil von Pisa gewählt wurde. Es genügt zu sagen, daß Papst Martin V. (1369-1431), der am 11. November 1417 während des Konstanzer Konzils gewählt wurde, sich als Papst der (vorübergehenden) Rückkehr zur Einheit als Nachfolger nicht dessen sah, den wir heute als legitimen Papst betrachten, nämlich Gregors XII. (ca. 1335-1417), sondern von Johannes XXIII. Daher glaubte ein legitimer Papst, daß er die Nachfolge eines Papstes antrat, der in Wirklichkeit illegitim gewesen war .
Was jedoch noch überraschendes ist, ist die Tatsache, daß Cossa / Johannes XXIII immer noch im Annuario Pontificio von 1946! auf der Liste legitimer Päpste steht. Ein indirekter Beweis für die Überzeugung seiner Legitimität kann auch in Robert H. Bensons berühmtem, 1907 veröffentlichten Roman "Der Herr der Welt" gefunden werden. Benson stellte sich vor, daß unter den letzten beiden Päpsten in der Kirchengeschichte ein Johannes XXIV sein würde, genau weil zu Beginn des 20. Jahrhunderts, 5 Jahrhunderte nach dem Großen Schisma, Cossa immer noch als legitimer Papst betrachtet wurde. Während der letzte Papst, den sich Benson vorstellt, den Namen Sylvester III annimmt, weil Giovanni de´ Crescenzi Ottaviani (ca. 1000- 1062), der sich Sylvester III nannte und dessen Pontifikat weniger als 2 Monate dauerte, bis vor kurzem als Gegenpapst angesehen wurde.
Kurz gesagt, ein Gegenpapst, der jahrhundertelang als Papst und ein legitimer Papst, der ebenso als Gegenpapst betrachtet wurde. Auch andere ähnliche Fälle kamen in der Kirchengeschichte vor, wie z.B. der von Pietro Filargis /Alexander V (ca. 1339 -1410), einem anderen Papst, der beim Konzil von Pisa gewählt wurde, so daß in den Rundbildern der Basilika San Paolo fuori le Mura Gegenpäpste abgebildet sind, als seien sie Päpste gewesen, während die Bilder legitimer Päpste nicht vorhanden sind.
Gehen wir zu Cossa/ Johannes XXIII zurück. Am 27. Oktober 2018 schrieb der Urgroßneffe Angelo Roncallis, Marco Roncalli, Essayist und Biograph des "guten Papstes" einen interessanten
Artikel für La Stampa, in dem er einige unveröffentlichte Fakten enthüllt, die den Patriarchen von Venedig dazu brachten, den Namen Johannes XXIII und nicht Johannes XXIV anzunehmen.
Roncalli wollte den Namen Johannes annehmen, weil er der seines Vaters war und der der Kirche, in der er getauft worden war. und natürlich auch, wegen des Geliebten Apostels, wegen des Täufers und des ersten Namens des Evangelisten Markus. Aber da war die Frage von Cossa / Johannes XXIII: wenn der als Papst angesehen wird, hätte Roncalli die nächste folgende Zahl nehmen müssen, sonst hätte er den selben Namen wie Cossa gehabt.
Bei seiner Ernennung am 28.Oktober 1958 , dem Tag seiner Wahl auf den Stuhl Petri, erschien Kardinal Roncalli gut vorbereitet. Im September 1958, ein Monat vor seiner Wahl, war Roncalli von Msgr. Tarcisio Benedetti nach Lodi gerufen worden. Roncalli befand sich- zusammen mir anderen Gästen- in einem Raum des Bischofs-Palastes, dem "Gelben Raum", wo ein großes Gemälde von Baldassare Cossa/Johannes XXIII hing. Das Gemälde erinnerte an das Treffen zwischen dem Neapolitanischen Kardinal und Kaiser Sigismund, vereint in der Absicht, der Teilung ein Ende zu bereiten, was zur Einberufung des Konzils von Konstanz führte. Zwischen zwei Historikern entstand in Anwesenheit des Patriarchen ein schwelender Streit über die auf dem Gemälde abgebildete Person: ein Historiker glaubte, daß Cossa ein legitimer Papst war, ein anderer, daß er ein Gegenpapst war. Es scheint, daß Roncalli versuchte, die Geister zu versöhnen, und feststellte, daß ein zukünftiger Papst Johannes die Frage beantworten würde: wäre sein Name Johannes XXIII, würde das bedeuten, daß Cossa ein Gegenpapst war; wenn XXIV, müsse Cossa als legitimer Papst betrachtet werden.
Ein anderes Zeugnis, von dem in dem Artikel berichtet wird, viel früher als im eben erwähnten, kommt aus dem Magazin Sursum corda (1974) des Römischen Seminars. Aus einer Erinnerung von Raffaele Boyer, einem Gefährten Roncallis. geht hervor, daß der zukünftige Papst nach dem Tod Leos XIII (20. Juli 1903) durch die Tatsache, daß Baldassare Cossa in verschiedenen Kirchengeschichts-Büchern - wie auch im Annuario Pontificio als gültiger Papst betrachtet wurde, ziemlich beunruhigt war. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Roncalli glaubte, daß die "schwarze Legende" über Cossa wahr war, aber abgesehen davon hatte das Konzil von Konstanz die für nicht legitim gehalten und er neigte also ihrer Illegitimität zu.
Der Privatsekretär von Johannes XXIII, Msgr. Loris Capovilla, bezeugte, daß Roncalli ihn während des Konklaves bat, ihn mit dem Annuario Pontificio zu versorgen. Es ist möglich, daß er den Eindruck hatte, daß -so wie die Abstimmungen und Treffen zwischen den Kardinälen abliefen, der Hl. Geist in Richtung Venedig wehte, wie es dann auch geschah; und deshalb wollte der Patriarch sicher sein, bei der Wahl seines Namens keinen Fehler zu machen, und sich versichern, daß das Jahrbuch den Namen von 22 Päpsten Johannes enthielt und nicht von 23.
Abgesehen von Johannes-Anekdoten, zeigt die Geschichte, daß die Frage der Legitimität eines Papstes nicht immer friedlich ist. Etwas muß jedoch klargestellt werden: Zweifel an einem Pontifex sind zulässig bis zu dem Punkt, daß seine Anerkennung von Seiten der Kirche nicht friedlich und universal war. Und de facto fand das Konklave, das zur Wahl Urbans VI führte unter der Bedrohung durch das Römische Volk statt, ein Element, das sofort Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Wahl auslöste, Zweifel, die von einem Teil der selben Kardinäle unterstützt wurden, die an diesem Konklave teilgenommen hatten. Nur in diesen Situationen trifft das Prinzip das
papa dubius papa nullus zu, gemäß der kurzen Erklärung die wir im
letzten Artikel gegeben haben. Wenn andererseits ein Papst von der Kirche friedlich und universal anerkannt wird, ändert sich der Diskurs radikal. Darüber sprechen wir in den nächsten Beiträgen."
Quelle: L. Scrosati, LNBQ
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