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Montag, 10. Juni 2024

Das Pontifikat: alles neu oder vorwiegend ein Narrativ?

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die bevorstehende Veröffentlichung von mehreren Jahresberichten diverser vaticanische Institutionen, die auch ein Bild des aktuellen Pontifikates zeichnen.
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     "PAPST FRANZISKUS -WAS HAT SICH GEÄNDERT?"

Zwischen dem Ende dieses Monats und Anfang August, wird es vom Hl. Stuhl mindestens drei Dokumente zu den Finanzen geben: 

*  Jahresbericht der Finanz-Informations und -Überwachungs Autorität

*  Jahresbericht  des Institutes für die Religiösen Werke und Religion

*  Jahresbudget  der APSA

Die drei Dokumente wären für sich selbst keine Nachricht, wenn sie in der Form der vergangenen Jahre das darstellen würde, was das Pontifikat von Papst Franziskus gewesen ist: die große Hast, einen "Unterschied“ zu schaffen – einen Richtungswechsel, eine Neuheit und einen Bruch mit der Vergangenheit – selbst in Situationen, in denen die Vergangenheit nicht so dunkel war, wie wir zu denken neigen oder die Leute glauben machen wollen.

Schließlich hat Papst Franziskus mehrfach anerkannt, daß Benedikt XVI. den Kampf gegen Missbrauch in der Kirche begonnen hat, und hat sein Engagement gelobt. Wenn es jedoch um finanzielle Fragen geht, tritt die Arbeit von Benedikt XVI. und die von Johannes Paul II. vor ihm in den Hintergrund. Der Papst wird nur zum Accessoir, während die Erzählung zwischen den korrupten und inkompetenten Bösewichten der vorherigen Führung und den Guten der neuen Führung aufgeteilt wird.

Dies geschieht beispielsweise, wenn der Präsident des IOR, Jean-Baptiste de Franssu, in einer Sitzung des OMNES-Forums betont, daß es in der Vergangenheit keine Komplizenschaft der Kirche mit verschiedenen Kriminellen gegeben habe, sondern inkompetente Leute, die die Kirche Geld verlieren ließen. Wir wissen, was de Franssu gesagt hat, weil dies in einem Artikel in derselben spanischen Zeitschrift berichtet wurde. Für das Meeting galten die Chatham-House-Regeln. Das bedeutet, daß man allenfalls einige Themen erwähnen durfte, ohne sie einer Quelle zuzuordnen. Bei Meetings mit nur einem Sprecher bedeutet dies, daß man überhaupt nichts erwähnt, um die Vertraulichkeit nicht zu verletzen.


Aber war es Inkompetenz, die dazu führte, daß die Leute zuvor Geld verloren? Und wenn es Inkompetenz war, warum bescheinigte der Jahresbericht 2013 dem IOR einen Gewinn von 86,6 Millionen, eine Zahl, die in den letzten zehn Jahren nie wieder erreicht wurde?

Die Antwort lautet im Allgemeinen, daß das neue Management des IOR unerwartete Ausgaben zu tragen hatte, um riskante oder – noch schlimmer – unmoralische Investitionen zu veräußern. Die Verurteilung zweier ehemaliger Manager wegen schlechter Geschäftsführung wäre der Beweis dafür, daß eine Interpretation dieser Art …

Es handelt sich um eine Interpretation der Fakten, die auf einem Gerichtsurteil beruht, das selbst fragwürdig ist. Die Hypothese, daß die Investitionen korrekt und mit dem Management vereinbart waren (beim IOR kann man so etwas nur durch Rücksprache mit den Vorgesetzten tun), muss in Betracht gezogen werden. Vor allem berücksichtigt diese Interpretation nicht die Anschuldigung eines ehemaligen IOR-Beraters, der vor einiger Zeit darauf hingewiesen hatte, daß er hinzugezogen worden sei, um aggressivere Investitionen zu tätigen. Kurz gesagt: Wenn es nicht-konservative Investitionen gab, dann fanden diese ab 2013 unter der neuen Leitung statt und nicht unter der alten.

Die Lesart rund um die Berichte der Aufsichts- und Finanzinformationsbehörde (ASIF) ist ähnlich. Die ASIF baut auf einem Rechtssystem auf, das vollständig von der alten Verwaltung eingeführt wurde, und selbst die positiven Bewertungen des MONEYVAL-Komitees des Europarats ergeben sich aus technischen Verbesserungen, die Teil des seit langem vom Heiligen Stuhl verabschiedeten Rechtsrahmens sind.

Die Behörde änderte ihren Namen von AIF in ASIF. Die ASIF erhielt einen neuen Verwaltungsrat, sprach jedoch weiterhin von hervorragenden Ergebnissen und distanzierte sich vom vorherigen Management, das unter anderem immer noch eine hervorragende internationale Glaubwürdigkeit genießt.

Die Verwaltung des Vermögens des Apostolischen Stuhls (APSA) hat eine andere Position. Im Haushaltsplan des letzten Jahres wollte sie auch ihre persönliche Investitionsgeschichte aufstellen, und im Haushaltsplan des Vorjahres hatte sie einige Investitionen definiert, die viel Gewinn gebracht hatten.

Eine dieser Investitionen betraf unter anderem eine Luxusimmobilie in Paris, die in jeder Hinsicht der Investition ähnelte, die das Staatssekretariat für die Luxusimmobilie in London getätigt hatte. Es handelt sich um eine bedeutsame Ähnlichkeit, weil die Angelegenheit des Londoner Anwesens in einem vatikanischen Gerichtsverfahren gelandet ist, dessen Urteil mit Urteilsbegründung noch aussteht. Daher ist es verständlich, daß die Richter bestreiten, daß nicht alle Verfahren und angemessenen Kontrollen durchgeführt worden seien, die die zum Zeitpunkt des Verfahrens geltende Gesetzgebung vorsah.

Man muss sich fragen, ob dieses Narrativ vom Bruch wirklich die Art und Weise widerspiegelt, wie die Kirche die Dinge tut. Die Kirche hat nie mit ihrer Vergangenheit gebrochen, sondern immer darauf aufgebaut. Das gilt für alles, von finanziellen Angelegenheiten bis hin zu theologischen Angelegenheiten. Selbst wenn es in der Kirche einen Ruf nach Neuheit und Revolution gibt, muss die Revolution, die kommt, einen Weg einschlagen, der manchmal holprig ist.

Natürlich können viele Beispiele angeführt werden, die einen Bruch belegen. Oft sprach beispielsweise Kardinal Victor Manuel Fernandez, Präfekt des Dikasteriums der Glaubenslehre, über die Frage der Sklaverei und wie die Kirche zunächst für die Sklaverei war und dann dagegen. Dieses Beispiel berücksichtigt jedoch auch nicht die theologische und praktische Arbeit, die die Kirche für und mit versklavten Menschen geleistet hat. Im Gegensatz dazu betrachtet es einige Entscheidungen der Päpste, die ausdrücklich politisch waren, als Akte des Lehramts.

Die Kirche war letzten Endes immer für den Menschen da, wie hätte sie also für die Sklaverei sein können?

Wie sich die Kirche an die Zeit anpasst, ist eine andere Frage.

Der personalistische Stil von Papst Franziskus hat wahrscheinlich einen Bruch verursacht, den man im Vatikan deutlich spürte. Wie kann beispielsweise das Staatssekretariat eine Mediationslinie verfolgen, wenn der Papst mit improvisierten Erklärungen diese Mediation zunichte macht und die Kirche in andere Bahnen lenkt?

Das betrifft jedoch die Führung, den Charakter und die Persönlichkeit des Papstes. Das Leben der Kurie geht trotz der Namensänderungen und Reformen regelmäßig weiter und baut täglich auf einer konsolidierten Praxis auf, die regelmäßig fortgesetzt wird. Man kann einen Mangel an Prophezeiung in den Texten feststellen, was eine faire Beobachtung sein kann, aber das bedeutet nicht, daß die Arbeit und die Verfahren nicht regelmäßig weitergehen.

So könnten diese drei Finanzdokumente das Pontifikat des Papstes widerspiegeln, das die Vergangenheit vergessen zu haben scheint und von einem Hier und Jetzt ausgeht, das sich nicht darum kümmert, was vorher da war, und darauf bedacht ist, eine wesentliche Neuheit zu demonstrieren, selbst wenn es viel Gutes im Alten gab.

Diese Dokumente, die in den nächsten Monaten veröffentlicht werden, müssen genau geprüft werden, weil sie viel mehr Dinge über den Papst und das Pontifikat aussagen könnten, als wir bisher verstanden haben."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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