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Dienstag, 18. Juni 2024

Dignitas infinita und Dignitatis Humanae

Der emeritierte Professor für Systematische Theologie Msgr. Thomas G.Guarino kommentiert bei Firstthings Dignitas Infinita in seiner Beziehung zum II.Vaticanischen Konzil. 
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    "DAS II. VATICANUM UND DIGNITAS INFINITA"

"Sogar der beiläufige Leser von Dignitas Infinita (DI), der jüngsten Erklärung des Glaubens-Dicasteriums  wird von den 116 Fussnoten beeindruckt sein, die den Text begleiten. Die grosse  Zahl von Zitaten zeigen den  Wunsch des Vaticans an, seine Lehre mit Einsichten von Denkern sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Kirche zu unterstützen. Es ist ermutigend die Kette von alten und modernen Philosophen und Theologen die zitiert werden, zu sehen einschliesslich Cicero, Boethiusm Aquinas, Levinas.Rosmini,Newman und Maritain Der Punkt ist natürlich dass die menschliche Würde durch eine grosse Schar tiefgründiger Denker  verteidigt wurde. Eine andere grosse Quelle von DI  die Vatican II-Diskussion über Religions-Freiheit die zu Dignitas Humanae führte Obwohl die Dokumente des II. Vaticanums in der Erklärung nur selten zitiert werden, glaube ich, dass sie einen  grösseren Einfluss auf dieses Dokument hatten als oberflächlich sichtbar ist. 

DI  argumentiert dass die grundlegende  Ebene, die Würde des Menschen auf dem unzerstörbaren  Bild beruht, das Gott jedem menschlichen Wesen  eingeprägt hat. Jede andere Schlussfolgerung im Text  fliesst aus diesen biblischen Voraussetzungen  Diese Logik- dass die Menschenwürde in der Ebenbildlichkeit zu Gott begründet ist- stand auch im Mittelpunkt der erhitzten Debatten über Religionsfreiheit die beim II Vaticanum stattfanden und in Dignitatis Humanae mündete. Worauf der Titel hinweist war "Würde" ein hervorstechendes Motiv für das Konzilsdokument  Und obwohl niemand gegen die Menschenwürde bei II Vaticanum argumentierte, wurden die Schlussfolgerungen,, die daraus gezogen wurden, Subjekt intensiver Kontroversen - eine Diskussion die bis heute  fast 60 Jahre später noch nicht beendet ist. 

Von Anfang an erkennt DI eine schrittweise Entwicklung des Gedanken der Menschenwürde im Christlichen Denken an und konstatiert, dass das Lehramt "fortschreitend ein immer grösseres Verständnis der  Bedeutung der Menschenwürde entwickelt hat, zusammen mit ihren Anforderungen und Konsequenzen, bis zur Erkenntnis, dass die Würde jedes Menschen unter allen Umständen Vorrang hat. Diese Betonung einer fortschreitenden Entwicklung war auch bei den leidenschaftlichen Diskussionen beim II. Vaticanum verdächtig. 

Der Relator (Berichterstatter), der die Entwürfe zur Religionsfreiheit beim Konzil vorstellte (der Bischof von Brügge Emiel De Smedt) appellierte an die selbe Logik die DI untermauert. Der erste Entwurf von De Libertate Religiosa - aus der Dignitatis Humanae werden sollte,  wurde den versammelten Bischöfen im November 1963 präsentiert. Eine Begleit-Note spricht vom Entwurf als dem Ausdruck einer "langen Entwicklung sowohl der Katholischen Lehre zur menschlichen Person  und der Sorge der Pastoral der Kirche um die Freiheit des Menschen. "

Als er den Entwurf vorstellte, verteidigte De Smedt vehement die Menschenwürde  und ihre unausweichlichen Folgen - die Religionsfreiheit. Er erkannte, dass es Widerstand geben würde. De Smedt ging in die Offensive und argumentierte, dass die offensichtlichen Verurteilungen der Religionsfreiheit durch frühere Päpste gerechtfertigt waren. Warum? Weil die Kirche heute wie in der Vergangenheit die von den Rationalisten gepredigte Gewissensfreiheit verurteilt, eine Freiheit, die an keine von Gott gegebenen Normen gebunden ist. Und die Kirche verurteilt heute wie in der Vergangenheit die Freiheit der Religionsausübung, wenn diese Freiheit auf religiöser Gleichgültigkeit und doktrinellem Relativismus beruht. Und die Kirche verurteilt heute wie in der Vergangenheit die Trennung von Kirche und Staat, wenn es sich um einen allmächtigen Staat handelt, dem die Kirche unterworfen sein muss. Diese Grundsätze, argumentierte De Smedt, behalten ihre Gültigkeit. Er kam zu dem Schluss, dass „diese doktrinäre Entwicklung“ in Bezug auf die Würde des Menschen „ihre tiefsten Wurzeln in der Heiligen Schrift hat, die lehren, dass der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen ist.“


Während des gesamten Konzils blieb De Smedts Logik unverändert: Die Menschheit ist nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen, und diese Realität ist die Grundlage der Menschenwürde. Diese Würde wiederum unterstützt die uneingeschränkte Gewissensfreiheit in religiösen Angelegenheiten. Dies ähnelt sehr dem Argument in DI, das das Bild Gottes als biblische und theologische Wurzel der Menschenwürde ansieht und dann entsprechende Schlussfolgerungen zieht. In beiden Fällen bildet die christliche Anthropologie die Grundlage für die Menschenwürde, oder, wie De Smedt betonte, "die ultimative Grundlage der Menschenwürde liegt in der Tatsache, dass der Mensch ein Geschöpf Gottes ist.“

Ein Jahr später, im November 1964, verteidigte De Smedt De Libertate erneut und hielt eine Rede, obwohl die Konzilspräsidenten den Text zurückgezogen hatten, weil viele Bischöfe behaupteten, der überarbeitete Entwurf müsse noch weiter untersucht werden. Wieder einmal wiederholte er seinen Refrain: "Religionsfreiheit wird von der Menschenwürde selbst gefordert.“ Und die Menschenwürde gründet sich letztendlich auf die Erschaffung von Mann und Frau im Bild Gottes. Die Konzilsbischöfe reagierten auf De Smedts Rede mit frenetischem Applaus.

Ein weiteres Jahr später, im September 1965, als die endgültige Abstimmung näher rückte, berief sich De Smedt erneut auf die Menschenwürde als Grundlage der Religionsfreiheit. Doch ihm folgten die Kardinäle Ruffini und Siri, die sich auf die gegenteiligen Lehren von Leo XIII. und Pius IX. stützten. Obwohl sie oft als verschrobene Altertümler abgetan werden, warfen die italienischen Kardinäle eine berechtigte Frage auf: Hat De Libertate die Kontinuität der päpstlichen Lehren über die Zeit hinweg geschützt? Und hatte De Smedt nicht selbst eingeräumt, dass "viele päpstliche Dokumente“ die Religionsfreiheit zu verurteilen schienen? Kardinal Urbani aus Venedig antwortete sofort und argumentierte, dass die Päpste den Primat des Menschen und seiner Rechte nach und nach verteidigt hätten. Die Doktrin der Religionsfreiheit ist in dieser Entwicklung inhärent und eine Folge davon. Nach Urbanis Rede schrieb der Konzilstheologe Yves Congar ein Wort in sein Tagebuch: "Ausgezeichnet.“

Gleichzeitig ließ sich De Smedts lautstarkes Bekenntnis zur uneingeschränkten Religionsfreiheit nicht ohne weiteres mit der früheren päpstlichen Lehre vereinbaren. Wie Kardinal Avery Dulles richtig bemerkte, stellt Dignitatis Humanae "eine unbestreitbare, ja dramatische Wende dar“. Und bald nach der Veröffentlichung des Dokuments schrieb Joseph Ratzinger: "Im Petersdom herrschte das Gefühl, dass hier das Ende des Mittelalters, ja sogar das Ende des konstantinischen Zeitalters gekommen sei.“ Sicherlich weist die Behauptung, das Konzil habe ein seit dem vierten Jahrhundert vorherrschendes Verständnis der Beziehungen zwischen Kirche und Staat umgestürzt, auf eine gewisse Diskontinuität mit der früheren Tradition hin.

In mehreren seiner Beiträge ging De Smedt dieses Thema direkt an: Wie sollte die Kirche die "vielen päpstlichen Dokumente aus dem 19. Jahrhundert“ verstehen, die die Religionsfreiheit zu verurteilen schienen? Er antwortete erneut, dass sich die päpstlichen Verurteilungen gegen rationalistische Auffassungen von Freiheit richteten, wonach das "individuelle Gewissen keinem Gesetz unterworfen ist“. Diese fehlerhafte Anthropologie konnte die menschliche Freiheit nicht untermauern; nur Menschen nach Gottes Ebenbild hatten die Macht dazu.

In seiner berühmten Weihnachtsansprache 2005 erklärte Benedikt XVI., das Zweite Vatikanum stelle "Kontinuität und Diskontinuität auf verschiedenen Ebenen“ dar. Die katholische Theologie war und ist durchaus in der Lage, mit solchen Diskontinuitäten umzugehen, wie ich an anderer Stelle argumentiert habe. In De Libertate gab es eine Diskontinuität mit der früheren Tradition: Die Behauptung, dass die Menschenwürde das objektive Recht auf Religionsfreiheit beinhaltet, war im 19. Jahrhundert von den Päpsten nicht vertreten worden. Aber es gab auch eine klare Kontinuität. So verteidigte das Zweite Vatikanum beispielsweise nachdrücklich den christlichen und katholischen Exzeptionalismus. Und wie De Smedt zu Recht betonte, war die Würde der menschlichen Person für das päpstliche Lehramt zunehmend entscheidender geworden. In diesem Sinne war Dignitatis Humanae das Ergebnis einer organischen Entwicklung im Laufe der Zeit.

Das Neue an Dignitatis Humanae rechtfertigt den Kommentar von Henri De Lubac in seinem Konzilsjournal: Einige Theologen hatten gehofft, das Zweite Vatikanum würde einfach die Lehren des Lehramts der letzten hundert Jahre absegnen und "nicht einmal ein Wort davon korrigieren“. Im Gegenteil, betonte er, sei es die Aufgabe des Konzils, die Heiligen Schriften und die Kirchenväter zu untersuchen und dabei die gesamte Tradition der Kirche, Ost und West, auf die Herausforderungen einzubringen, vor denen der christliche Glaube im 20. Jahrhundert steht.

Dignitatis Humanae war eine Frucht dieses Umdenkens – und seine Aussagen über menschliche Freiheit und christliche Anthropologie finden in Dignitas Infinita weiterhin Anklang."

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What is new in Dignitatis Humanae justifies the comment made by Henri De Lubac in his conciliar journal: Some theologians had hoped that Vatican II would simply consecrate magisterial teaching of the past hundred years and “correct not even a word of this.” On the contrary, he insisted, the council’s task was to search the Scriptures and the Fathers, bringing to bear the Church’s entire tradition, East and West, on the challenges facing the Christian faith in the twentieth century. 

Dignitatis Humanae was one fruit of this rethinking—and its assertions about human freedom and Christian anthropology continue to resonate in Dignitas Infinita.

Rev. Msgr. Thomas G. Guarino is professor emeritus of systematic theology at Seton Hall University and the author of The Disputed  Teachings of Vatican II: Continuity and Reversal in Catholic Doctrine

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