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Montag, 22. Juli 2024

Der paradoxe Beginn eines Pontifikates

In seiner heutigen  Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci den Beginn und den  Verlauf des aktuellen Pontifikates. Hier geht s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS, EIN PARADOX AM BEGINN EINES PONTIFIKATES" 

Am Anfang von Franziskus Pontifikat gibt es ein Paradox. Seine Regierung entstammt genau von denen, die ihm heute Widerstand leisten und bekämpfen und sich jetzt selbst verdrängt und sogar ausgestoßen fühlen.

Kurz gesagt- das Pontifikat von Papst Franziskus entstand aus einer Art "self-fulfilling prophecy"- aus der Idee eines Unglücks, das man vermeiden will und das in dem Augenblick ausgelöst wird, in dem man versucht, es zu vermeiden. Dieses Paradoxon hat eine logische Folge, die ziemlich verwirrend ist: nach der self-fulfilling Prophecy kann nichts mehr so sein wie vorher, weil alles von Grund auf neu aufgebaut werden muss. 

Man nehme z.B.den traurigen Fall von Erzbischof Carlo Maria Viganò.

Jetzt zum Schismatiker erklärt. sagte er, er fühle sich durch das gegen ihn vom früheren Sant´ Uffizio eingeleitete Vorgehen geehrt, und weigerte sich sowieso vor einem Gericht zu erscheinen, das, wie er sagte, das Urteil bereits gefällt und dessen Autorität oder die von Papst Franziskus er nicht anerkenne. Dennoch ist es möglich, dass Erzbischof Viganò selbst einen der Auslöser geschaffen hatte, der zum Pontifikat von Papst Franziskus  führte. 

Dazu gezwungen das Governatorato des Vatican-Staates zu verlassen und zum Nuntius in den USA ernannt, erwartete Viganò, dass er eines Tages an die Spitze berufen würde. 

Viganò stand nämlich am Ursprung dessen, was später als "Vatileaks“-Skandal bekannt wurde. Dokumente von Viganò sickerten aus dem Vatikan und in die freie Wildbahn, was sozusagen die Kontroverse entfachte. Diese Dokumente prangerten einen Mangel an Transparenz bei bestimmten Ausgaben der Verwaltung der Vatikanstadt sowie irrationale finanzielle Verluste an.

Viganò pries sich selbst – und das glaubte er selbst auch aus gutem Grund – als Verfechter der Transparenz und Kämpfer gegen Korruption. Er wies darauf hin, daß sein Ausscheiden aus dem Governatorato als Missbilligung seiner bisherigen Arbeit angesehen werden würde.

Benedikt XVI. beschloss, ihn in die Vereinigten Staaten zu schicken, aber nicht als Strafe. Benedikt schickte Viganò in die Vereinigten Staaten, um ihm einen prestigeträchtigen Auftrag zu erteilen, der ihn aus einem kurialen Umfeld herausholen würde, das ihn als "toxisch" betrachtete und aus dem er wahrscheinlich herausgefegt werden würde.

Viganò interpretierte das jedoch nicht so.

Viganò machte das Staatssekretariat und seinen korrupten Mechanismus für das Problem verantwortlich. Als er in den Vereinigten Staaten ankam, genoss er die Wertschätzung, vor allem in den konservativeren Kreisen, in denen er sich am wohlsten fühlte, und unter den Kardinälen. Allen gegenüber sprach Viganò über die Probleme der römischen Kurie und insbesondere über das Risiko eines allzu schwerfälligen Staatssekretariats, das wahre Hindernis für jede Reform.

Diese Beschreibung der Ereignisse war entscheidend, als die US-Kardinäle, die zum Konklave nach Rom kamen, über den Nachfolger Benedikts XVI. abstimmen mussten. Die Kandidatur von Jorge Mario Bergoglio hatte an Boden gewonnen. Das sogenannte "Team Bergoglio“ (Copyright Austen Ivereigh) unterstützte die Nominierung des Erzbischofs von Buenos Aires, wie es dies bereits beim Konklave 2005 getan hatte.

Der lateinamerikanische Papst wurde als Kandidat der alten Kurie präsentiert – tatsächlich sprach Papst Franziskus in seinen ersten Reden oft vom "alten Stil der Kurie“ –, aber auch als notwendiger Bruch mit früheren Pontifikaten. Die Idee war, dass Benedikt XVI. gerade wegen der Unfähigkeit seiner Mitarbeiter zum Rücktritt gezwungen worden war.


Insbesondere das Staatssekretariat wurde von einer Medienkampagne ins Visier genommen, die heute kaum noch überraschen kann. Schon während des Pontifikats von Benedikt XVI. gab es Berichte, dass Gruppen von Kardinälen persönlich zum Papst gingen, um den Kopf von Kardinal Tarcisio Bertone zu fordern. Die Bitte war erfolglos.

Als Reaktion darauf hat Papst Franziskus die Befugnisse sowohl des Privat- Sekretariates– die beiden Sekretäre haben bereits mehrmals gewechselt, wobei keiner von beiden entscheidend an der Festlegung der Agenda des Papstes beteiligt war – als auch des Staatssekretariates beschränkt, das viel an Zentralität in der römischen Kurie verloren hat -vor allem die persönliche Verwaltung seiner Vermögenswerte. Keine Einheit im Vatikan ist mehr unabhängig. Das Ergebnis ist die Bürokratisierung aller Entscheidungen.

Um das Problem der totalen Zentralisierung zu lösen, haben die Kritiker der vorherigen Regierungen in der Praxis das entgegengesetzte "Monster“ geschaffen, nämlich die "totale Bürokratisierung“. Es war logisch, dass Papst Franziskus das tat. Aber es ist auch logisch, dass diese in vollkommen gutem Glauben initiierte Bewegung eine Herausforderung darstellt, das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Und nicht nur das.

Die selbsterfüllende Prophezeiung hat auch ein Pontifikat geschaffen, das furchtlos Governance-Fragen auf besonders pragmatische Weise angegangen hat.

Insbesondere hat Papst Franziskus das Profil des Kardinalskollegiums grundlegend verändert. Heute würde vielleicht kein Kardinal mit der Vorstellung in ein Konklave gehen, dass er in Bezug auf die Kirchenführung einen klaren Bruch mit der Vergangenheit vollziehen muss. Aber das liegt daran, dass nur sehr wenige Kardinäle an der Kirchenführung interessiert sind.

Bisher hat Papst Franziskus 142 Kardinäle ernannt und damit das Gesicht des Kollegiums grundlegend verändert.

Somit besteht die Gefahr, daß es in einem kommenden Konsistorium zu wenige Dikasteriumsleiter geben wird.

Derzeit sind die einzigen Dikasteriumsleiter, die noch keine Kardinäle sind, der Propräfekt des Dikasteriums für Evangelisierung, Erzbischof Fisichella, und der Präfekt des Dikasteriums für Gesetzestexte, Erzbischof Iannone. Auch Paolo Ruffini, Präfekt des Dikasteriums für Kommunikation, ist kein Kardinal, aber weil er Laie ist, ist er von den möglichen Entscheidungen des Papstes ausgeschlossen.

Es wird häufig über ein neues päpstliches Konsistorium bis Ende des Jahres gesprochen. Die Entscheidungen könnten erneut überraschen. Die Anwesenheit von Europäern und insbesondere Italienern hat abgenommen. Papst Franziskus könnte jedoch immer noch die Kriterien der Repräsentation prüfen und Australien, das seit dem Tod von Kardinal Pell keinen Kardinal mehr hat, oder Peru und Ecuador in Südamerika einen Kardinaltitel geben, ganz zu schweigen von Afrika, das in den nächsten 12 Monaten bis zu drei wahlberechtigte Kardinäle (Pengo, Oudereaogo und Sarah) verlieren wird.

Nicht nur würden nur sehr wenige der wahlberechtigten Kardinäle die Frage der Regierungsführung ansprechen, sondern die wenigen, die dies tun, werden bestimmt nicht gehört. Wenn die Regierungsführung beim Konklave 2013 entscheidend war, wird sie es beim nächsten Konklave nicht sein.

Es ist jedoch schwer zu sagen, was das entscheidende Thema sein wird.

Papst Franziskus hinterlässt schließlich einen geschwächten Heiligen Stuhl und einen allgemeinen Aufruf zu einer Änderung der Denkweise der Kirche, damit sie sich auch an die Peripherien richtet. Auf der Regierungsseite hat er Laien als Leiter der Dikasterien und einige Frauen (fast immer Ordensfrauen) an die Spitze gestellt und viel über die Rolle der Frauen gesprochen.

Beides wird bei einem bevorstehenden Konklave nicht diskutiert.

Vielleicht wird darüber gesprochen, wie man einerseits mit der synodalen Strömung umgeht, die eine neue Kirche und eine Erneuerung ihrer Lehre will (siehe der deutsche Synodale Weg), und andererseits mit der traditionalistischen Bewegung, die Papst Franziskus zunehmend an den Rand gedrängt hat.

Schließlich hat eine sich selbst erfüllende Prophezeiung die konservative Welt mehr betroffen als alle anderen.

Aus Sorge um die Regierungsführung dachten sie nicht daran, daß die neue Regierung auch alles zentralisieren möchte, von Entscheidungen bis hin zum Leben der Kirche. Jeder andere Standpunkt wird daher "schismatisch“, und das führt zu Überreaktionen und tatsächlichem Schisma."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

 

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