In einem Buch des engsten Mitarbeiters von Papst Franziskus hat Sandro Magister die Erklärung gefunden, warum Papst Franziskus die direkte Konfrontation mit der zeitgenössischen Kultur meidet und warum er in seinem letzten Interview sagt " er habe den Ausdruck "unverhandelbare Werte" nie verstanden."
Hier geht´s zum Originaltext im L´Espresso : klicken
Titel seines Artikels:
"Bergoglio, der General, der siegen will, ohne zu kämpfen".
Victor Manuel Fernandez war der erste von J.M. Bergoglio ernannte argentinische Bischof.
Er war und ist Rektor der Catholischen Universität Argentinien, vom damaligen Erzbischof von Buenos Aires mit dieser Aufgabe betraut, der so die Feindseligkeiten einer stählernen Schar von Gegnern innerhalb und außerhalb der Kirche besiegte.
Aber er ist auch seit Jahren der vertrauteste Mitarbeiter Bergoglios, sein Reden-und Textschreiber -vom Dokument von Aparecida von 2007 bis zu Evangelii Gaudium 2013, der für das aktuelle Pontifikat programmatischen Schrift.
Das in diesen Tagen in Italien erschienene Interviewbuch "Das Franziskusprojekt. Wohin er die Kirche führen will", in dem Fernandez das päpstliche Programm erklärt und kommentiert, ist also ein guter Führer zum besseren Verständnis.
Es gibt eine Passage im Buch, in der sich Fernandez mit der Verwandlung Bergoglios nach seiner Wahl zum Papst beschäftigt.
"Als er Erzbischof war, war er leise, zurückgezogen, er zog es vor, nicht viel in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Es gab auch zu viele Kampagnen gegen ihn, die von sehr konservativen Kreisen der Kirche orchestriert wurden und ich glaube, daß ihn das sehr beunruhigte."
In einer anderen Passage erklärt er die Zurückhaltung des damaligen Erzbischofs von Buenos Aires so :
" Es gab Gruppen, die einen starken Akzent auf die Sicherheit der Doktrin legten, auf die Ehre der Kirche und ihre Selbstdarstellung und die sich von einigen kirchlichen Autoritäten repräsentiert fühlten. Diese Gruppen hatten ein Projekt, das sich nur wenig von dem Kardinal Bergoglios unterschied und die diese Wahl respektierten oder sie schweigend begleiteten.
Mehr sagt Fernandez nicht. Aber um mehr aus dieser unruhigen Zeit im Leben Bergoglios zu erfahren, gibt es ein anderes Buch, das vor wenigen Monaten in Italien und Argentinien erschienen ist. Geschrieben hat es Elisabetta Piqué, die am besten informierte und zugängliche Biographin des aktuellen Papstes : "Franziskus, Leben und Revolution"
Gegen Bergoglio machten im Vatican die Kardinäle A.Sodano und L. Sandri ( auch ein Argentinier) Front.
Während in Buenos Aires der Nuntius A.Bernardini, der von 2003 bis 2011 amtierte, die Fäden der Opposition spann, zusammen mit den zahlreichen von ihm nominierten Bischöfen-quasi immer im Kontrast zu den Erwartungen und Wünschen des damaligen Kardinals von Buenos Aires.
Am 22. Februar 2011, dem Fest der Cathedra Petri, hielt Bernardini eine Predigt, die als ein Plädoyer und eine Verteidigung Papst Benedikts XVI verstanden wurde, aber in Wirklichkeit ein schwerer Angriff auf Bergoglio war.
"Wir müssen erkennen" sagte er "daß unter den Theologen und Ordensleuten und den Bischöfen die Gruppe immer größer geworden ist , die überzeugt ist, daß das Erscheinungsbild der Kirche sich nicht mit der Anerkennung und der Befolgung der Lehre verträgt."
Das war genau der Vorwurf gegen Bergoglio- nicht der laizistischen Offensive entgegenzutreten und die Doktrin der Kirche mit ihren "nicht verhandelbaren Werten" nicht zu verteidigen.
Der Nuntius griff jene Priester und Ordensleute und besonders die Bischöfe an, die sich bedeckt hielten und den Papst in der öffentlichen Schlacht um die Wahrheit nicht verteidigten.
Und auf gewisse Weise war es auch so. Der damalige Erzbischof von Buenos Aires vertrug die "obsessive Rigidität" mancher Kleriker bezüglich der Sexualmoral nicht. "Er war überzeugt," - so schreibt E.Piqué-"daß die Konfrontation die Lage nur verschlechtern würde."
Eine Episode zeigt die Linie Bergoglios exemplarisch:
" 2010 tobte der Kampf des Episkopates gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Argentinien in vollem Maße und es kam die Idee zu einer Gebetsvigil ( vor dem Parlament) auf.
Esteban Pittaro, der Rektor der australischen Opus-Dei Universität schickte dem Erzbischof von Buenos Aires eine e-mail und informierte ihn über die Sache. Am nächsten Tag rief Esteban in der Erzdiözese an und Bergoglio antwortete ihm persönlich. " Das scheint mir eine sehr gute Sache zu sein. Aber daß ihr die ganze Nacht auf dem Platz bleiben wollt.... es wird sehr kalt werden, betet zu Hause für die Familien." sagte der Kardinal.
Am nächsten Tag kam der Marsch, aber er hatte Recht gehabt, ihnen abzuraten, weil es am folgenden Tag Demonstrationen für die HS-Ehe gab. Er wollte die Konfrontation vermeiden.", erzählt Pittaro.
Wenn das die Präzedenz ist, dann verwundert es nicht, daß Bergoglio -einmal Papst geworden- diese Linie weiter verfolgt.
Es ist die Linie, die Evangelii Gaudium der Welt offenbart. Und Fernandez´ Interviewbuch und seine Kenntnis des päpstlichen Denkens, macht sie noch klarer.
Zum Beispiel in folgenden Punkten:
"DIE NICHTVERHANDELBAREN PRINZIPIEN"
Papst Franziskus ist nicht naiv. Er bietet uns eine sehr realistische Einschätzung der heutigen Kultur an. Er lädt uns ein, anzuerkennen, dass die Geschwindigkeit der Kommunikation und das Angebot, das die Medien uns machen, uns mit einer neuen Herausforderung konfrontieren. (....) Wenn die Kirche exzessiv über philosophische Fragen oder über das Naturrecht spräche, dann täte sie das, um mit den Gläubigen über Moralthemen zu dialogisieren. Andererseits überzeugt man niemanden mit philosophischen Argumenten aus anderen Zeiten und man verliert gleichzeitig die Gelegenheit, die Schönheit Jesu Christi zu verkünden. die die "Herzen brennen läßt".
Also: diese philosophischen Argumentationen ändern das Leben keines Einzigen. Im Gegenteil, wenn man die Herzen brennen lassen will, muß man ihnen das Anziehende des Evangeliums zeigen, dann werden die Menschen auch bereiter sein, über moralische Fragen nachzudenken...."
Z.B "es nützt nicht viel, gegen die gleichgeschlechtliche Ehe zu sprechen, weil die Leute glauben, wir seien voller Vorurteile, grausam,wenig verständnisvoll und von übertriebener Rechtstreue. Eine andere Sache ist es, wenn wir über die Schönheit der Ehe sprechen, über die Harmonie, die aus der Verschiedenheit des Bündnisses zwischen Mann und Frau entsteht und in diesem Zusammenhang entsteht dann eine positive Wahrnehmung, ohne besonders betonen zu müssen, wie inadäquat es ist, den Ausdruck Ehe für die Vereinigung zweier Menschen gleichen Geschlechtes zu benutzen."......
Das sind die Motive, die den Papst dazu veranlassen , von uns zu verlangen nicht "immer" und "ausschließlich" über bestimmte moralische Prinzipien zu sprechen, um die anderen nicht zu ermüden, zu übersättigen, einen gegenteiligen Effekt auszulösen und-vor allem- nicht die Harmonie unserer Botschaft zu zerstören."
DER ZÖLIBAT DES KLERUS
"Wir weisen nicht darauf hin, daß viele verheiratete Personen pädophil sind. Wie wir das auch zu erklären versuchen, die Gesellschaft glaubt uns nicht. Es gibt eine generalisierte Überzeugung, daß der "Zwangs"zölibat und daß das Formen der Männer im priesterlichen Ambiente nicht nur die Entwicklung einer homosexuellen Neigung fördern sondern auch den Mißbrauch. Deshalb glaube ich , auch wenn diese Argumentation nicht überzeugt-daß wir mehr auf das Volk Gottes hören müssen und eine große Debatte über den obligatorischen Zölibat führen müssen....
In Wirklichkeit glaube ich, daß hier die Gewohnheit bei der Überzeugung am meisten wiegt, weil der Zölibat nicht untrennbar mit dem Priestertum verbunden ist, es gibt im Orient Priester, die glücklich verheiratet sind."
Das alles in Betracht ziehend, hat der Papst einige sehr interessante und destabilisierende Dinge gesagt, die wiederzugeben sich lohnt: "In ihrem bleibenden Unterscheidungsvermögen kann die Kirche auch eigene Gewohnheiten erkennen, die nicht direkt an den Kern des Evangeliums gebunden sind.
Einige sind tief in der Geschichte verwurzelt, die heute nicht mehr auf die selbe Weise interpretiert werden und deren Botschaft nicht mehr adäquat verstanden werden kann. Sie können schön sein, aber sie dienen heute der Kirche nicht mehr bei der Weitergabe des Evangeliums. Wir haben keine Angst sie zu ändern."
Es sei also nötig, sich zu fragen, ob die Gründe, für die Akzeptanz der verheirateten Priester im Orient, nicht auch für die des Westens gelten.
KOMMUNION FÜR DIE WIEDERVERHEIRATETEN GESCHIEDENEN
Das ist eines der Themen die bei der kommenden Synode diskutiert werden und der Papst wird den verschiedenen Meinungen zuhören. (....) Sicher hat er uns in Evangelii Gaudium eine wichtige Denkorientierung gegeben,die wir nicht außer Acht lassen können. Er sagt: "daß die Türen zu den Sakramenten niemals-aus welchem Grund auch immer- geschlossen werden dürften" und "daß die Eucharistie nicht ein Preis für die Perfekten sei sondern ein großzügiges Heilmittel und Nahrung für die Schwachen."
Er empfiehlt uns, niemals zu versäumen, die Worte des Hl. Ambrosius und des Hl. Kyrill zu lesen- unter der Nr. 51 zitiert, die uns einladen bei der Austeilung der Eucharistie nicht rigide zu sein. Wir können allerdings weder seine Einladung zur Vorsicht, noch die Kühnheit ignorieren, diese Themen anzugehen und seine Sorge, uns nicht wie "Kontrolleure der Gnade" zu benehmen."
Quelle: L`Espresso
Fortsetzung folgt
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da kann man nur seufzend Romano Guardini zitieren der sich sehnlichst nach einer, wie auch immer gearteten Arkandisziplin sehnt.
AntwortenLöschener schreibt in Technik und Mensch
Wie steigt einem der Ekel in den Hals! Wie verpöbelt ist unser Dasein, überall, auch in der Religion - denn mit der tiefen Gleichheit der Kinder Gottes und damit, daß ihnen "alles gehört", hat die Preisgabe aller Arkana, der Einbruch von Lärm und Betrieb in die allein Wesen schaffende Stille doch wahrhaftig nichts zu tun! Wie man sich nach einer Arkandisziplin sehnt, die das Heilige vor dem Markte schützt! Aber auch vor dem Markt drinnen!