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Sonntag, 16. November 2014

Traditionalisten, Elefanten, Flaubert, Proust und die Progressisten. Fortsetzung


...derjenige, der ihn tadelt, Brot in Stein zu verwandeln, sein Herz zu verhärten, ihn Intellektualist und Legalist nennt, hat wenig Erfahrung und verwechselt ihn schuldhaft mit einer Karikatur. Der Visionär, der Vorschriften auf seine Anhänger wirft, als seien sie Steine, hat gar nichts damit zu tun, die Tradition zu bewahren, weil die ganz andere Ursprünge hat."

"Katholische Progressisten sind der Beweis dafür. Frei und ungehindert, wie sie schon 1980 waren, war, als sie sich scheiden lassen wollten, der dramatischste Moment für sie , wenn sie es dem Pater sagen mußten. Ihr starker und unbeugsamer Pater aber war ( Serviten-Priester) David M.Turoldo, der New-Age-Prophet und Prophet der neuen Kirche, der,  indem er die Scheidung unterstützte, den Schlüssel fand, seine Religion der Welt zu predigen.
Moral und Mitleid ohne Wahrheit werden immer zu Moralismus und Gewalt.

Nichts könnte davon weiter entfernt sein, als Pater Bournisien ( heutzutage zu einem alten Traditionalisten reduziert) der Madame Bovary die Sakramente ans Totenbett bringt.

"Der Priester-" erzählt G. Flaubert, "stand auf, um das Kruzifix zu holen, Sie reckte ihren durstigen Hals und presste ihre Lippen mit dem Rest an Kraft, der ihr geblieben war auf den Körper des Mensch-Gottes, und hinterließ den größten Liebeskuss, den sie je gegeben hatte. Und der Priester rezitierte das Miserere und das Indulgentiam, tauchte den Daumen seiner rechten Hand in das Öl und begann sie zu salben, zuerst die Augen, die um alle irdischen Güter gefleht hatten, dann Nasenlöcher, die lauwarme Brisen und amouröse Düfte begehrten, den Mund, der für die Falschheit offen gewesen war und stolz gestöhnt und Lustschreie ausgestoßen hatte, dann die Hände, die das Entzücken süßer Berührungen gekannt hatten und zuletzt die Fußsohlen, die so schnell gelaufen waren,  um die Sehnsüchte zu befriedigen und jetzt nie wieder gehen würden. Der Priester trocknete seine Finger, warf das ölgetränkte Baumwolltuch ins Feuer und kam zurück um sich neben die sterbende Frau zu setzen, um ihr zu sagen, daß sie jetzt ihr Leiden mit dem Leiden Jesu vereinen und sich Seiner göttlichen Gande unterwerfen solle."

Diese Passage über die Zeichen, so himmlisch und greifbar "ad oculos, ad aures, ad nares ad os comperssis labius, ad manus, ad pedes"- wären auch dann wirksam, wenn der Mensch kein Herz hätte, weil sie aus dem Herzen Gottes entspringen. Und es ist tragisch, daß sie als Beweis für die Hartherzigkeit dessen, der versucht, die Zeichen lebendig zu halten, eingesetzt werden, fast so, als ob die Zustimmung zu weltlichem Ersatz in den Augen des Herrn mehr wert wäre.
Es gibt nichts auf der Welt, das mehr wert ist als Form und Sinn eines Sakramentes, das heiligt und dem Leben und dem Tod des Menschen Freude bringt.
"Jetzt war Emma nicht länger so blass und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck von Heiterkeit, fast so, als habe das Sakrament sie geheilt."



Proust, der literarische Vater andächtiger Atheisten, war von der Leichtigkeit dieser Zeilen entzückt. Und es war vielleicht das liturgische Leuchten, das ihn einen Rosenkranz,( der ihm aus dem Heiligen Land mitgebracht worden war) als eines seiner am meisten geschätzten Güter behalten ließ, so sehr, daß er seine Haushälterin bei verschiedenen Gelegenheiten bat, ihm den bei seinem Tod in die Hände zu legen.

Auch wenn er der Hüter solchen Glanzes und solcher Größe ist, kann der Traditionalist in ein "zu menschlich" oder vielleicht ein nur "menschlich"  verfallen, das nicht darin besteht Doktrin und Pastoral zur Schau zu stellen, die nicht mehr in seinem Herzen ist, aber alles für sich selbst behalten zu wollen, fast so, als sei er die Avantgarde einer umgekehrten Revolution und nicht- statt dessen- ein Soldat unter dem Banner gegen die Revolution.

Solche Versuchungen sind die Frucht der Applikation politischer Kategorien auf den Mystischen Leib Christi, dem einzigen Ort auf der Welt an dem sie unwirksam und zum scheitern verurteilt sind.
Die Zeugnisse des II. Vaticanischen Konzils, das vom Modernismus einer politischen Vision geweiht wurde, hat manche Traditionalisten dazu gebracht, auf die große revolutionäre Täuschung hereinzufallen, die zu zwei falschen Schlüssen führte. Auf der einen Seite stand für sie fest, daß ein Konzil sich nicht irren kann und deshalb -von dem Augenblick an, als die ersten Konzilsdokumente begannen, Schwierigkeiten zu erzeugen, der Papst, der sie promulgierte, und seine Nachfolger, die sie akzeptierten, -wenn auch nicht formal- ihre höchste Autorität verloren und nur noch in der Materie Papst waren.
Sie glaubten andererseits auch, daß- wenn ein Konzil sich nicht irren kann- sich folglich auch das II. Vaticanische nicht fehlgehen könne. Wenn das so ist, ist es nicht nur ein wahres Konzil sondern auch der Maßstab für das vorhergehende Lehramt. Wenn für den Ersten das II. Vaticanische Konzil insgesamt verworfen werden muß, so muß es für den Zweiten in jeder Hinsicht akzeptiert werden. Die Haltung beider ist gleich, nur unter umgekehrten Vorzeichen.

Beide Seiten haben den Blick auf das kristalline "magnopere curandum est ud is teneatur quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est" verloren, das vom Heiligen Vincent von Lerin in seinem Commonitorium  herausdestilliert wurde.  "Wir behüten mit großer Sorgfalt das, was überall, immer und von allen geglaubt wurde." Der Traditionalist irrt, wenn er die Bewahrung und Weitergabe des Glaubens von der Wohltätigkeit trennt und sie zur Geisel seiner eigenen Intelligenz, seines eigenen egos macht. Als Folge endet exzessives theologisches Raffinesse in theologischer Starre, ..endet in der Unfähigkeit mit dem Mitmenschen zu sprechen. Entweder steuert er auf den Neokonservativismus  oder auf den Sedisvakantismus zu: das Ergebnis ist ein aphasischer Traditionalismus ( bis an die Grenzen zum Autismus) , der seine eigene Reinheit lobt, und vielleicht noch mehr die die Unreinheit der anderen. Auf der pastoralen Ebene ist das Resultat klerikale Degeneration, Machtmißbrauch und  -weil unfähig zu vergeben- Verdammung. Auf der Ebene der Doktrin ist das Resultat die Sünde des Stolzes: Verurteilung und Unfähigkeit, die Wahrheit anzubieten,

Dennoch wäre es zu einfach, zu poltitisch die Theorie des  gegenpoligen Extremismus auf die traditionelle Welt anzuwenden, im Versuch das gute und reine Zentrum zu bewahren.  Das Wuchern des Starrsinns ist ein schrecklicher Virus, der sich leicht ausbreitet wo immer Interesse an Vernunft, und Lehre besteht, und seine Inkubatsionsbedinung  ist mit wenigem zufrieden. Alle was nötig ist, ist dass der zerebrale  Ventrikel des Katholiken etwas stärker und etwas schneller als der ....des..anderen. 
Dann riskiert der Traditionalist, der zu Recht und aus katholischer Erfahrung Horror angesichts des Feldlazaretts empfindet, wo alles mit "corazon" geheilt wird, zu vergessen daß Menschen in ihrem Körper eine Seele haben. Er verliert aus den Augen, was der Heilige Papst Pius X sagte;"die wahren Freunde des Volkes sind weder die Revolutionäre noch die Erneuerer, sondern die Traditionalisten."
  
Mehr noch, es sind weder das feierliche liturgische Schreiten, noch die verfeinerten Gewänder und wertvollen Ornamente, die die Traditionalisten hindern, mit dem Volk Freundschaft zu schließen. Wer immer über soviel Hingabe und Glanz lacht oder schockiert ist,  ist sich nicht bewußt, dass diese Liturgien, Gewänder, Ornamente die Rettung für Emma Bovary werden können, oder dass die kleine alte Dame, die Jahr für Jahr auf den Knien den Rosenkranz betet, einen König zu seiner Krönung begleiten könnte oder einen Priester vor ein Exekutionskommando Spanischer oder Mexikanischer Revolutionäre.
Große Werke von Hilfe und stummem Beistand stiegen aus dem Herzen der Kirche auf, wenn das Höchst Gesegnete Sakrament unter großartigen Baldachinen durch die kniende Menge getragen wurde. Der Traditionalist  ist ein Freund des Volkes, genau deshalb, weil er eins wird mit dem liturgischen Schreiten, jenen verfeinerten Gewändern und wertvollen Ornamenten.
Er bringt sie Gott dar und bittet im Austausch um nichts.


Auf diese Weise können wir für die Körper sorgen, ohne zu vergessen, daß sie Seelen umschließen. Wie die Hl. Teresa vom Kinde Jesu- eine glückliche Seele in einem kränklichen Körper. Eines Tages, während der Krankheit, die sei bin zu ihrem Tod begleitete, erhielt Teresa ein Rose als Geschenk ihrer Schwestern. Anstatt sie in eine Vase zu stellen, pflückte sie die Blütenblätter ab und legte sie mit Hingabe und Liebe auf das Kruzifix, als ob sie die Wunden Christi lindern wollte. "Im September" sagte sie "pflückt die kleine Teresa noch einmal die Blütenblätter einer Frühlingsrose für dich, ich möchte deine Tränen trocknen,"
Und dann: "En éfeuillant pour Toi la rose printanière, je voudrais essuyer tes pleurs." "Indem ich die Blätter der Frühlingsrose pflücke, möchte ich Deine Tränen trocknen,"
Und weil die Blüten auf die Erde fielen und verloren zu gehen drohten, drängte sie- jetzt sterbend- ihre Schwestern hastig, nicht so viel Schönheit an sie zu verschwenden. "Kleine Schwestern, hebt sie alle auf, sie können noch zur Freude anderer nützlich sein, verliert keine." Das war  im September 1897. Im September 1910 heilte eines dieser Rosenblütenblätter den alten Ferdinand Aubry von Zungenkrebs.

Der Traditionalist hat solche Blütenblätter in seinen Händen. Wenn er nicht will, daß sie verloren gehen, muß er sich immer erinnern, daß sie nicht ihm gehören. Nur auf diese Weise wird er einen Platz finden, wenn es auch ein kleiner ist, wie jenen, in dem die heiligen Szenen der bunten Glasfenster-kurz davor von der Französischen Regierung desakralisiert zu werden, die Proust so faszinierten.

Bilder, die so katholisch sind, daß sie alle umarmt werden müssen:
"Nicht nur die Königin und der Prinz...Ihr alle, auf den getönten Glasfenstern von Chartres, Tours, Bourges, Sens, Auxerre, Troyes, Clermont Ferrand, Toulouse: Faßbinder, Lederhandwerker, Apotheker, Pilger, Bauern, Waffenschmiede, Schneider, Steinmetze, Metzger,Schuster, Geldwechsler,- oder- große schweigende Demokratie, -eigensinnige Gläubige, die ihr der Verkündung zuhört, seid immer noch anwesend- nur schöner als zu euren Lebzeiten, in der Herrlichketi des Himmels und im Blut des  wertvollen gefärbten Glases. Ihr werdet nicht länger die Messe hören,ihr habt euch selbst in Sicherheit gebracht, alas ih eure reinste Goldmünze zum Bau der Kirche spendetet."

Die reine Münze, die dem Traditionalisten vielleicht einen Platz zwischen diesen Brüdern und Schwestern sichert, erstrahlt aus Doktrin und Liturgie, dennoch muß sie durch Wohltätigkeit brennen."
A.Gnocchi, IlFoglio

  

1 Kommentar:

  1. Diesen Satz hier "Moral und Mitleid ohne Wahrheit werden immer zu Moralismus und Gewalt". sollten man in dick und leuchtend rot auf der nächsten Synode an die Wand der Synodenaula schreiben.

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