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Donnerstag, 21. Juli 2016

Die Türkei und Europa nach dem Gegenputsch Erdogans

In der Türkei geht der Staatsstreich nach dem "Staatsstreich" weiter, Neo-Sultan Erdogan hat inzwischen für 3 Monate den Ausnahmezustand verhängt,die Zahle der Verhafteten hat die 50.000 überschritten und man braucht nach den Fotos die uns erreichen nicht viel Phantasie um sich die Behandlung vorzustellen, der sie unterworfen werden. Stefano Magni kommentiert bei La Nuova Bussola Quotidiana die Indifferenz von EU, UNO und Nato.
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     "UNTERDRÜCKUNG IN DER TÜRKEI. EU UNO UND NATO LASSEN SIE ZU"
Die Zahl der verhafteten Militärs und Zivilisten in der Türkei hat die 50.000 überschritten, Und ist schon hat die größte Massensäuberung der  jüngeren Geschichte des Landes. Das Gros der Opfer erleidet "nur" Entlassung oder Suspendierung vom Arbeitsplatz.
Aber die Bilder von der Behandlung der Gefangenen, besonders der Militärs, sind schrecklich. Die Fotos der nackten, gefesselten Soldaten, massenhaft wie Tiere zusammengepferch  sind um die Welt gegangen. die von militanten Pro-Erdogan-Anhängern Ausgepeitschten. Sie von der Menge gelynchten. Ein Erfolg des Putsches hätte vermutlich weniger Gewalt und Repression ausgelöst.

Die größte Zahl der Opfer der Massenentlassung findet man vor allem bei den Lehrern und Angestellten des Erziehungsministeriums: 36.000 (21000 Lehrer und 15000 Funktionäre) sind suspendiert oder entlassen worden., praktisch alle, die verdächtigt werden, Kontakte zu Fethulla Gulen, dem Politologen und islamischen Prediger im Exil, werden, der von Erdogan als "Mastermind" hinter dem gescheiterten Putsch angesehen wird. Es handelt sich aber auch um eine wahre Kulturrevolution.
Weggewischt die alte Klasse der Lehrer, moderater Muslime und Laien,  ersetzt durch eine neue, viel radikalere. Die Christen sind in größerer Gefahr denn je: in Trapezunt ist die Kirche, in der Don Santoro angegriffen und eine protestantische Kirche in Malataya wurde mutwillig zerstört. Das Problem ist auch, daß angesichts dieser totalitären Konfrontation, die Institutionen, die die Menschenrechte verteidigen sollten, unglaublich passiv  sind.

Die Nato, die Organisation deren Vollmitglied die Türkei ist, ist still.
"Sicher sind wir einverstanden, daß die Urheber des Putsches vor Gericht gestellt werden"- sagte John Kerry, der US-amerikanische Außenminister am vergangenen Montag. "Aber wir passen auch darauf auf, daß man die Grenzen nicht überschreitet und die Regeln der Demokratie respektiert."
Diese Worte des Außenministers der ersten  Militärmacht der Allianz hatte einige Beobachter dazu veranlaßt, an einen Ausschluß Ankaras aus der Atlantischen Allianz zu denken.  Aber trotz dieser Stimmen hat Generalsekretär Jens Stoltenberg daran erinnert, daß Ankara ein wichtiger Alliierter ist und hat der Türkei die Solidarität der Allianz in diesem sensiblen Augenblick versichert ."
Nur am Ende des Kommuniqués können wir eine gewisse Sorge um die Menschenrechte und den vagen Wunsch, sie nicht zu verletzen, hören.
Danach hat es keine Stellungnahmen mehr gegeben und wird es voraussichtlich auch nicht mehr.
Die Nato hat in den vergangenen 64 Jahren geduldig alle Staatsstreiche  (mindestens 3, plus ein gescheiterter) und die harten Repressionen die ihnen folgten, ertragen. Zur Zeit des Kalten Krieges gegen die UdSSR, war die Türkei sehr wichtig, Aber heute?




Der Kalte Krieg ist zuende und auch in der Konfrontation mit dem Rußland Putins stehen andere Methoden zur Verfügung - mehr die der software als die der harten Macht, mit der Fähigkeit eher die Neutralen anzuziehen als Drohungen gegen die Gegner. Genau in dieser Art  Krieg, wo das Bild mehr zählt als effektive militärische Kraft, schlägt auch eine Türkei, die immer schneller in Richtung des Totalitarismus gleitet, alle Motive zum Protest gegen Rußland. Wie lange kann die Nato das erlauben?

Eine andere Institution die Schweigen bewahrt, ist die Europäische Union, Im März hatte sie noch eine Übereinkunft für die Flüchtlinge aus Syrien mit der Türkei getroffen, von denen 3 Millionen in den Camps in Anatolien  gestrandet sind Die aktuelle Lage erlaubt es nicht mehr, Verträge zu respektieren, die auch die Visumsfreiheit für Türken beinhaltet, die in Europa einreisen wollen und den Vorsatz (mehr auf dem Papier als konkret) die Zugangsverhandlungen zur EU mit der Türkei wieder aufzunehmen.
In den dramatischen Tagen des Gegenputsches hat Federica Mogherini, die hohe Repräsentantin der EU für Sicherheits- und Menschenrechtsfragen, erklärte, daß die Hoffnungen einer Aufnahme in die EU im Falle der Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei enden würden. Aber wenn die Todesstrafe die Rote Linie ist, die nicht überschritten werden darf, was sagt sie dann zu den zweifelhaften Verhaftungen, zu den Massenentlassungen der wahren oder angenommenen "Putschisten", zum öffentlichen Lynchen, zur brutalen Behandlung der Gefangenen?
Johannes Hahn, Erweiterungskommissar, hat öffentlich im Europäischen Parlament den Verdacht geäußert, daß es schon vor dem Putsch eine Liste der Personen, die verhaftet werden sollten, gab.
Ein begründeter Verdacht,wenn man bedenkt, daß mindesten 6000 allein am ersten Tag nach dem gescheiterten Staatsstreich im Gefängnis landeten.
Kanzlerin Merkel hat erst gestern durch ihren Sprecher die von Erdogan angewandten Methoden kritisiert: "Fast täglich werden neue Maßnahmen die dem Rechtsstaat widersprechen und die sich nicht an die Regeln der Verhältnismäßigkeit halten, ergriffen" Praktisch gesehen bleiben die Vereinbarungen von Brüssel aber unberührt.
Also auch die Aussicht auf Befreiung von der Visumspflicht, die verzögert aber nicht ausgeschlossen wurde ( wahrscheinlich noch nicht für 2016). Und in einer zweiten Hilfszahlung an Ankara, im Wert von 6 Milliarden unserer Euros.

Was nun die UNO angeht, haben weder der gescheiterte Putsch noch der Gegenputsch irgendeine Reaktion hervorgerufen, keine Resolution, keine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates, keine Aufforderung zu einer Untersuchung. Als ob Massenverhaftungen- und entlassungen auf Verdachtsbasis ganz normal seien. Die einzige Reaktion ist der Protest des Menschenrechtskommissars, des Jordaniers Zeid Ra´ad Al Hussein, der Ankara aufforderte, das Statut zum Schutz der Rechte und Prinzipien der Menschenrechte zu schützen, Diese Apathie- was die UNO angeht- ist keine Neuheit sonder eine tragische Bestätigung."

Quelle: Stefano Magni, La Nuova Bussola Quotidiana



  

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