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Freitag, 28. Oktober 2016

Sandro Magister, der Papst, Luther & Calvin

Auch Sandro Magister hat sich angesichts des drohenden Reformationsjubiläums Luther vorgenommen und vergleicht die jüngeren Äußerungen des Papstes über die Reformatoren mit älteren- diametral entgegengesetzten.
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"LUTHER AUF DEM SCHEITERHAUFEN. NEIN AN DEN ALTÄREN. DIE DOPPELTE VISION DES JESUITEN-PAPSTES"
"Gestern sah er die Protestantische Reformation als Wurzel allen Übels. Heute feiert er sie als "Medizin für die Kirche" Aber er scheint seine Kritik nicht zurück genommen zu haben .
Hier folgt sie Wort für Wort.

In 4 Tagen wird Franziskus nach Lund fliegen, wo er durch den weiblichen Lutherischen Erzbischof empfangen werden wird, um zusammen mit dem Lutherischen Weltbund den 500. Jahrestag
der Protestantischen Reformation zu feiern.                                          

"Apostolische Reise des Hl. Vaters nach Schweden, am 31. Oktober und 1.November 2016.

Kein Papst vor ihm hat je eine so warme Bewunderung für Luther gezeigt.

Als er während der Pressekonferenz auf dem Rückflug aus Armenien nach dem großen Ketzer gefragt wurde, sagte Franziskus, daß Luther von besten Vorsätzen bewegt und daß seine Reform "Medizin für die Kirche" war- und überspielte die essentiellen dogmatischen Unterschiede, die für 5 Jahrhunderte Protestanten und Katholiken gegeneinander aufbrachten, weil - wieder sein Worte, im Lutherischen Tempel Roms gesprochen- "das Leben größer ist als Erklärungen und Interpretationen."

Franziskus´ Ökumenismus ist so. Der Primat geht an die Gesten, Umarmungen, einige gemeinsam durchgeführte caritative Aktionen. Er überläßt die Unterschiede in der Doktrin, selbst die schwerwiegendsten, der Diskussion der Theologen, die er gerne auf eine einsame Insel verbannen würde, wie er es nur halb im Scherz zu sagen, liebt.

Aber Jorge Mario Bergoglio hat sich auch seine eigene Vorstellung von Luther, Calvin und den Protestantismus im allgemeinen gemacht. Eine Vorstellung, die er bisher in seinem Inneren verschlossen gehalten, aber in der Vergangenheit offenzulegen, als er noch nicht Papst und noch nicht Bischof war, keine Angst hatte.



Es war im Sommer 1985 als Bergoglio, damals ein einfacher Jesuit, eine Konferenz in Mendoza, Argentinien veranstaltete, die präzise der anstrengenden Schlacht zwischen der Gesellschaft Jesu und den Protestanten  gewidmet war.
Und die Passagen, in denen er mit zerstörerischer Wut Denken und Werk Luthers  und Calvins geißelte, werden hier wiedergeben.

30 Jahre später kann man keine dieser Invektiven mehr in den sehr freundlichen Worte und Taten Bergoglios finden, die heute Ansprache des Papstes an die Protestanten geworden sind.
Das heißt aber nicht unbedingt, daß er diese radikale Kritik in seinem Inneren vergessen hat.

Diese ist- de facto- in zwei von ihm autorisierten Büchern, spanisch und italienisch, nach seiner Wahl zum Papst neu veröffentlicht worden.

" J. M. Bergoglio - Francisco, "Reflexiones espirituales sobre la vida apostólica", Grupo de Comunicación Loyola, Bilbao, 2013"

" J. M. Bergoglio - Francesco, "Chi sono i gesuiti. Storia della Compagnia di Gesù", EMI, Bologna, 2014"

Die spanische Ausgabe des Buches wurde von der Kommunikationsgruppe Loyola, einer offiziellen Abteilung der Gesellschaft Jesu, herausgegeben.

Die Italienische Ausgabe hat auch ein Vorwort von Pater Antonio Spadaro, Direktor von "La Civiltá Cattolica", dem dem Papst am nächsten stehenden Jesuiten, Berater, Vertrauten und Ghostwriter.
Der, indem er sich in der Zusammenfassung von Bergoglios antiprotestantischem Urteil nicht nur letzten Ende distanziert, sondern präsentiert es "als üppigen Hintergrund, aus dem man leicht die Art des Papstes voranzugehen verstehen kann- auf zwei Pfeiler gegründet: Wirklichkeit und Differenzierung."

Als die italienische Ausgabe des Buches Mitte 2014 herauskam, drückte der hervorragende protestantische Theologe Paolo Ricca, ein Waldenser, in einem Leitartikel im Magazin "Reformation" sein entsetztes Erstaunen aus.
"Eine häßliche Überaschung. Für Bergoglio ist Calvin "ein spiritueller Henker"
"Una brutta sorpresa. Per Bergoglio Calvino è "un boia spirituale"

Ricca schrieb mit Blick auf das Vorwort von Msgr. Spadaro "Ich finde es schwer, zu glauben. daß der aktuelle Pontifex so etwas über Calvin und die Reformation denken sollte, wenn sie weder im Himmel noch auf Erden Platz haben, und kein katholischer Historiker-jedenfalls von denen die ich kenne und lese, hat sie seit langer Zeit gesagt.
Und wenn man bedenkt, daß die Jesuiten, als sie gegründet wurden, die Aufgabe auf sich nahmen, zusätzlich zur Mission unter den Heiden, den Protestantismus auf jede erdenkliche Weise zu bekämpfen, wie es dann in der Tat auch passierte. Wenn der Protestantismus, den sie bekämpften, der von Bergoglio gezeichnete ist, müssen sie wissen, daß es ein Phantom-Protestantismus war, der nie existierte, ein rein polemisches Idol, aus ihrer Vorstellung geschaffen, die wenig oder nichts mit der berühmten Realität zu tun hatte, die sie nichtsdestoweniger als Pfeiler für ihren Weg des Vorgehens nehmen wollten. Und er schloss:

"Ich wundere mich, wie es möglich ist, noch heute oder vor 30 Jahren ein so deformiertes, verzerrtes, mißverstandenes und substantiell falsches Bild von der Protestantischen Reformation haben kann.
Es ist eine Vision, mit der man keine Polemik, erst recht keinen Dialog beginnen kann, die es nicht wert ist, weil sie zu weit von der Realität entfernt ist. Eine Sache ist sicher: auf der  Basis einer solchen Sicht erscheint eine ökumenische Feier des 500. Jahrestages der Reformation 2017 buchstäblich unmöglich."

Und dennoch hat Papst Franziskus es getan. Seine festliche Reise ins Lutherische Schweden ist der Beweis."Die Kühnheit des Unmöglichen" ist auch das Motto des neuen Ordensgenerals der Jesuiten, der vor einigen Tagen gewählt wurde.

Und um dieses Wunder hu bewirken was alle was geschehen mußte, daß Bergoglio so tat,als habe er komplett vergessen habe, was er vor 30 Jahren in Mendoza gesagt hatte.
Hier ist es. Alles daran ist an der Schwelle zu den Feiern von Lund lesenswert.
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             "LUTHER : EINE "VERRÜCKTE IDEE" IN HÄRESIE UND SCHISMA ENTWICKELT"
von Jorge Maria Bergoglio

"Der Hl. Ignatius ist oft als Bastion der Gegenreformation bezeichnet worden. Darin steckt eine Wahrheit, aber [...] die Jesuiten sorgten sich mehr wegen Calvin als wegen Luther [....] Sie hatten schlau begriffen, daß die wahre Gefahr für die Kirche bei ihm liegt.

Calvin war der große Denker der Protestantischen Revolution, derjenige, der sie organisierte und sie auf die Ebene der Kultur, der Gesellschaft und der Kirche zu bringen; er formte eine Organisation, die Luther nicht vorgesehen hatte. Er, der ungestüme Deutsche, der wahrscheinlich höchstens geplant hatte. eine Nationalkirche zum Leben zu erwecken, wurde von diesem kalten Franzosen, dem lateinischen in Jurisprudenz versierten Genius, der Calvin war. neu interpretiert und neu organisiert.

Luther wurde als häretisch betrachtet, Calvin war darüber hinaus ein Schismatiker. Lassen Sie mich erklären. Häresie- um Chestertons Definition zu benutzen- ist eine Idee, die verrückt geworden ist.
Wenn die Kirche diese Verrücktheit nicht heilen kann, wird die Häresie zum Schisma.
Schisma bedeutet Bruch, Teilung, unabhängige Konsolidierung, sie schreitet durch die folgenden Stadien fort, bis sie ihre Autonomie erlangt. Der Hl. Ignatius und seine Nachfolger wollten gegen schismatische Häresien kämpfen.

Und was ist das Calvinistische Schisma, das den Kampf von Ignatius und der ersten Jesuiten zum kämpfen bringen würde? Es ist das Schisma, das drei Gebiete betrifft: den Menschen, die Gesellschaft und die Kirche [...]

Im Menschen würde der Calvinismus das Schisma zwischen Vernunft und Gefühl provozieren.
Auf der emotionellen Ebene würde der Mensch dieses Jahrhunderts unter dem Einfluß Luthers die Angst über seine eigene Erlösung ausleben. Und nach Calvin wäre diese Angst nichts, worüber man sich Sorgen machen müßte. Alles was zählte, war aufmerksam zu sein für die Fragen des Intellekts und des Willens.

Das ist der Ursprung des Calvinistischen Elends: eine rigide Disziplin mit einem großem Mißtrauen in das, was vital ist, mit der Begründung, daß die menschliche Natur völlig korrupt ist und nur durch den Überbau einer menschlichen Aktivität bereinigt werden kann.
Calvin verursacht im Menschen zwischen der Vernunft und dem Herzen.

Außerdem in der Vernunft selbst. Calvin provoziert ein weiteres Schisma zwischen dem positiven Wissen und spekulativem Wissen. Das ist der Szientizismus, der die metaphysische Einheit zerstreut und eine Trennung von spekulativem Wissen und realem Wissen.
Jedes wissenschaftliche Projekt wird absolut genommen. Die sicherste Wissenschaft ist die Geometrie. Geometrische Theoreme sind ein sicherer Führer für das Denken. Dieses Schisma - das in der menschlichen Vernunft selbst stattfand, richtet sich auf die gesamte spekulative Tradition der Kirche und der gesamten humanistischen Tradition.

Das calvinistische Schisma zielt dann auf die Gesellschaft. Die wird dadurch gespalten bleiben. Als Träger der Erlösung privilegiert Calvin die Mittelklasse [...]  Das bedeutet und beinhaltet eine revolutionäre Mißachtung der Menschen. Es gibt nicht länger Völker oder Nationen, statt dessen nimmt eine internationale Vereinigung der Bourgeoisie Gestalt an.

Mit einem Anachronismus könnten wir hier die Marxistische Formel anwenden: "Bourgeoise aller Länder vereinigt euch" die alles verachtet, was den Adel der Menschen ausmachen könnte. Mit dieser Haltung ist Calvin der wahre Vater des Liberalismus, der ein politischer Schlag gegen das Herz der Völker war -auf dem Weg sich selbst in ihrer Kultur auszudrücken und auf ihrem Weg zivilisiert, politisch, künstlerisch und religiös zu sein.

Auf sozialer Ebene ist das aller Wahrscheinlichkeit nach die erste Ausarbeitung von Hobbes (nach dessen Überzeugung die Mensch durch Täuschung und Gewalt dazu gebracht werden müssen. zusammen zu leben, während der Staat, der moderne Leviathan, nur deshalb existiert, um den Egoismus einzugrenzen und Anarchie zu vermeiden, die Logik der Autorität zu legitimieren, weil es kein Naturgesetz gab) und dann von Locke, viel raffinierter aber nicht weniger grausam.

Hobbes stellt eine herzlose Macht fest, mit einer absolutistischen und rationalistischen Rechtfertigung. Locke kleidet das alles in ein ziviles Gewand und versucht, die Gesellschaft neu zu definieren, indem er das Volk ausschloss.

Lockes Standpunkt ist folgender: er beginnt mit der Zulassung eines gewissen natürlichen Gesetzes und setzt den Slogan um, daß "Vernunft lehrt" [....], um dann-wie durch Magie- Schlüsse zu ziehen, die das soziale Schisma rechtfertigten, weil er seine natürliche Korruption durch Aktivismus transzendiert, und die Früchte seiner Arbeit behalten kann, solange diese Früchte nicht verderben.
Das führt zu Geld und zur Fokussierung des Liberalismus auf das Geld.

Die Vernunft lehrt darüber hinaus, dass der Mensch Arbeit kaufen kann, und das führt zum Aufstieg von zwei Arten von Arbeitern: jenen die unverderbliche Güter besitzen und jene die sie nicht besitzen.
Der Staat hat die Funktion, die Ordnung zwischen diesen beiden Kategorien aufrecht zu halten, eine Rebellion der zweiten gegen die ersten zu verhindern. Im Grunde behauptet der calvinistisch-liberale Gedanke, daß die zweite Arbeitergruppe nach der Macht einer Rebellion verlangt, die wir heute als die Rebellion des Proletariates bezeichnen würden. Am Ende ist der Marxismus das unausweichliche Kind des Liberalismus.

Als Drittes verwundet das Calvinistische Schisma die Kirche [...]  Es ersetzt die Universalität des Gottesvolkes durch den Internationalismus der Bourgeoisie [....] Es enthauptet das Gottesvolk von der Einheit mit dem Vater. Es enthauptet alle professionellen Bruderschaften und nimmt ihnen die Heiligen. Und indem er die Messe unterdrückt, nimmt er dem Gottesvolk die in Christus real präsente Mediation. [...]

Im Grunde hatte Calvin versucht, den Menschen zu retten, den die Lutheraner in Angst versetzt hatte. In Luther begegnet man der Absicht, den Menschen vor dem Renaissance-Heidentum zu  retten, aber dieser Plan hatte sich zu einer verrückten Idee oder Häresie entwickelt. So beginnt Calvin mit der legislativen Kälte, die ihn charakterisiert, beim beunruhigenden lutherischen Rahmenwerk und schreitet auf diese Weise fort: der Mensch ist korrupt, deshalb Disziplin.

Das führt zu dem, was wir als "protestantischen Rigor" kennen. Das schlägt Zeichen der Erlösung vor, die sich von dem der Katholiken unterscheidet- die, die wir zuvor zitiert haben- und da Zeichen ist das Werk der Anhäufung. Fast so, als man die Früchte der Arbeit mit den Zeichen der Rettung gleichsetzen würde. Wir können es in einer karikaturesken Form mit diesem Axiom vereinfachen:"Du wirst gerettet werden, wenn Du durch Arbeit gewonnenen Reichtum erwirbst"
Und so bildete sich die Mittelklasse.

Ausgehend von der Lutherischen Position, wenn wir konsequent sind, bleiben nur zwei Möglichkeiten, zwischen denen man in der Geschichte wählen kann: entweder zerbricht der Mensch an der Angst und er nichts mehr ( das ist die Schlußfolgerung des atheistischen Existentialismus) oder der Mensch stellt sich auf die Basis dieser Angst und Korruption, springt ins Leere und erklärt sich selbst zum Übermenschen ( die Option Nietzsches),

Am Ende regeneriert Nietzsche Hobbes in dem Sinn, daß die Ultima Ratio des Menschen die Macht ist. Autorität ist möglich nur als Gegenteil zur Liebe., auf der Basis der Opposition im Menschen zwischen Vernunft und Herzen, Solche Macht -wie die ultima ratio setzt den Tod Gottes voraus. Das ist ein Heidentum. das in den Fällen des Nazitums und Marxismus die organisierte Form eines politischen Systems annahm.

Die Lutherische Perspektive -weil sie präzise auf der Trennung zwischen glaube und Religion ( sie nimmt den Glauben als die einzige Rettung an und beschuldigt die Religion, religiöse Handlungen, Frömmigkeit usw. nur eine Manipulation Gottes zu sein) generiert Trennung und Schisma, es zieht alle Formen von Individualismus nach sich, auf sozialer Ebene und bestätigt ihre Hegemonie.

Alle Formen der Hegemonie- ob religiös, politisch, sozial oder spirituell haben hier ihren Ursprung.

Quelle: www.chiesa, S.Magister


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