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Sonntag, 19. Februar 2017

Wenn die Form der Inhalt ist

Pater Giovanni Scalese CRSP auf dem blog Querculanus zur Konfusion und zu den sich mehrenden Meinungsäußerungen um Amoris Laetitia.
Hier geht´s zum Original:  klicken

                                    "WENN DIE FORM DIE SUBSTANZ IST"
"Die Erklärung des Präsidenten der Kommission für die Familie der Polnischen Bischofskonferenz Msgr. Watroba zu den Dubia der vier Kardinäle zur apostolischen Exhortation Amoris Laetitia hat im vergangenen November einiges Aufsehen erregt. 
Bei dieser Gelegenheit erklärte der Bischof von Rzeszow: "Persönlich ziehe ich- vielleicht aus Gewohnheit aber auch aus tiefer Überzeugung- die übliche Interpretation  Johannes Pauls II vor, bei der weder Kommentare noch Interpretationen des Petrinischen Lehramtes nötig waren.

Und was Msgr. Watroba gesagt hat, ist ohne jeden Zweifel wahr: zu Zeiten von Papst Wojtyla brauchte man nicht viele Interpretationen: seine Äußerungen waren im Allgemeinen klar. Selbst wenn es keinen Grund gab, überrascht zu sein, konnten manchmal einige Erläuterungen nötig werden.
Z.B. nach der Veröffentlichung des Apostolischen Briefes "Ordinatio Sacerdotalis" (22.5.1994) -so klar sein Inhalt auch war- wurde ein Eingreifen der Glaubenskongregation nötig, um den Charakter der Unfehlbarkeit der darin enthaltenen Lehre zu erklären (Antwort auf ein dubium vom 28.10.1995)
Die Glaubenskongregation ist auch dafür da, wenn nötig, eventuelle Zweifel im Bereicht der Doktrin und der Moral zu klären.

Die Ehe-Doktrin der Kirche ist immer ausreichend klar gewesen und wurde gerade während des Pontifikates Johannes Pauls II , während der Synode von 1980 und in der apostolischen Exhortation,
die ihr folgte, Familiaris Consortio vom 22.11.1981, bestätigt.
Aus diesem Grund habe ich nie verstanden, welches Bedürfnis es gab, nur wenige Jahre später mit Hilfe einer ungewöhnlichen und gewichtigen Prozedur (ein Konsistorium, zwei Synoden, eine apostolische Exhortation) zurück zu kommen- und besonders einer, die in der Zeit ihres langen Verlaufs eine Anzahl nicht verhandelbarer Anomalien aufwies.
Mit welchem Ergebnis?
Das was gestern klar war, ist heute wirr geworden.

O.K. dramatisieren wir nicht. Das sind Sachen, die passieren können. Es gibt immer die Möglichkeit, sie zu korrigieren: es genügt, zu versuchen die konfliktträchtigen Punkte zu identifizieren und sie durch eine authentische Interpretation klarzustellen.
Vergessen wir nicht, daß dieser Prozess essentiell ist, wenn man will, daß Amoris Laetitia einen bindenden Charakter hat: weil diese Welt die Welt ist, lex dubia non obligat. (ein zweifelhaftes Gesetz bindet nicht)

Nun gut, kurze Zeit nach der Veröffentlichung von Amoris Laetitia hat Franziskus bei mehreren Gelegenheiten Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien, als besten Interpreten von AL vorgestellt, der beauftragt war, am 8. April 2016 die Apostolische Exhortation im Vatican vorzustellen.

Im September haben die Bischöfe der Pastoral-Region Buenos Aires gewisse "Basis-Kriterien zur Anwendung von Kapitel 8 von Amoris Laetitia" veröffentlicht und der Papst hat ihnen geschrieben, daß "der Text sehr gut ist und im Detail den Sinn von Kapitel VIII von Amoris Laetitia erklärt. Es gibt keine anderen Interpretationen."

In den letzten Tagen hat Kardinal Francesco Coccopalmero, Präsident des Päpstlichen Rates für Legislative Texte,  eine Broschüre veröffentlicht "Das achte Kapitel der postsynodalen apostolischen Exhortation ´Amoris Laetitia´", die von manchen als Antwort auf die durch das Dokument hervorgerufenen Zweifel betrachtet wird.





Ist also alles gut? Ist endlich alles klar? Nein, weil es sich um Äußerungen handelt, einige mit Autorität (zwei einflußreiche Kardinäle und der Papst selbst) -aber mangels Kompetenz oder mangelnder Form-völlig bedeutungslos.
Kardinal Schönborn- so sehr er sich der Wertschätzung des Papstes erfreut und gerufen war, die apostolische Exhortation zu präsentieren- hat keinerlei Anspruch darauf, authentischer Interpret zu sein.
Kardinal Coccopalmero hat nicht als Präsident der PCTL eingegriffen- und selbst wenn er es getan hätte- war es nicht an ihm, einen Text, der doktrinalen/ pastoralen Charakter hat, zu interpretieren. Keinen juristischen (der PCTL hatte sich bereits zum Problem der Kommunion  für die wiederverheirateten Geschiedenen mit der Erklärung vom 24. Juni 2000 geäußert und hat dabei auf authentische Weise Kanon 915 interpretiert).

Zumindest der Papst-würde man sagen- hat das Recht, die von ihm selbst geschriebenen Texte zu interpretieren. Ohne jeden Zweifel, wenn er es auf gute Weise tut. Es genügt nicht, seine Gedanken indirekt durchsickern zu lassen.
Wenn es wahr ist, daß in einem der Interpretationskriterien das Gesetz der Geist des Gesetzgebers´
ist,  ist auch wahr, daß dieses nicht mit seinen persönlichen Ansichten identisch ist. Der Papst- als solcher und nicht als "Privatgelehrter"- muß klar seine wirkliche Absicht ausdrücken; und er hat immer die juristischen Mittel, das zu tun.

Wir leben in einer Epoche, in der man die Tendenz hat, wenig Wert auf die Form zu legen: es genügt dieses Wort auszusprechen, um sofort des Formalismus bezichtigt zu werden. Aber man vergißt, daß die Form oft die Substanz ist: die Nichtrespektierung der Form kann eine Handlung ungültig machen. es genügt an das Revisionsgericht zu denken, das Urteile annulliert, ohne die Begründung zu untersuchen, sondern aus dem einfachen Grund des Formfehlers.
Auch im sakramentalen Umfeld  ist der Respekt vor der Form ad validitatem (für die Gültigkeit): denken wir an die anglikanischen Ordinationen, wegen defectus formae (Formfehler) für nichtig erklärt, oder an die Ehe, gültig nur, wenn nach der kanonischen Form (Kanon 1108) geschlossen. Die päpstliche Unfehlbarkeit selbst besteht nur unter bestimmten formalen Bedingungen.

Also gut, alle Äußerungen, von denen wir hier berichtet haben, sind- sei es durch Inkompetenz, sei es wegen mangelnder Form- belastet.
Das einzig kompetente Organ für diese Materie (außer dem Papst-selbstverständlich) ist die Glaubenskongregation, die sich aber bis heute nicht geäußert hat (die in jüngster Zeit von Kardinal Müller gegebenen Interviews drücken nur einen persönlichen Standpunkt aus und sind also ebenso ohne Bedeutung.)Interviews, Pressekonferenzen, Artikel, persönliche Briefe sind keine lehramtlichen Akte, sie haben den gleichen Wert wie dieser Text, den Sie gerade lesen.

Es ist Zeit, daß die Kirchenautoritäten wieder die Form respektieren, wenn man will, daß diese Autorität ernst genommen wird und um sich herum ein Klima von Zustimmung und Zusammenarbeit geschaffen wird, die sich jeder erhofft.  Es ist nutzlos, sich zu beklagen daß "sogar die Ruderer, die im Schiff Petri rudern sollen, in die entgegengesetzte Richtung rudern" (Rede des Papstes vor der Belegschaft der Civiltá Cattolica am 9. Februar 2017) - wenn anschließend die Regeln nicht respektiert werden. Das ist keine Frage von eitlem Formalismus, es geht um den einfachen Respekt gegenüber denen, von denen man -zu Recht- Mitarbeit und Gehorsam erwartet."

Quelle: Pater G. Scaleses, querculanus, BenoîtXVI-et-moi

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