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Mittwoch, 8. November 2017

Prof. Seifert nimmt zu den kritischen Äußerungen Rocco Buttigliones zu seiner Kritik an Amoris Laetitia Stellung

Maike Hickson hat Prof. Seifert zu den Reaktionen auf seine und die Kritik anderer an ALfür OnePeterFive interviewt,
Hier geht´s zum Original: klicken

"INTERVIEW MIT JOSEF SEIFERT ZUR AMORIS -LAETITIA-DEBATTE MIT ROCCO BUTTIGLIONE"
"Wie Professor Claudio Pierantoni vor kurzem feststellte, gibt es eine andauernde Debatte zwischen ihm selbst und Professor Josef Seifert auf der einen und Professor Rocco Buttiglione auf der anderen Seite über die apostolische Exhortation Amoris Laetitia.
Buttiglione, der als früher Verteidiger der Exhortation bekannt ist, hat auch die kürzliche Correctio Filialis von Papst Franziskus öffentlich kritisiert.
Alle drei Philosophen- jeder Mann für sich selbst stehend- kennen einander seit Jahren.

Seifert und Buttiglione haben zwei Jahrzehnte lang in der Internationalen Akademie für Philosophie (IAP) in Liechtenstein zusammen gearbeitet.  Für seinen Teil war Professor Pierantoni Student am Chilenischen Campus der IAP (2004-2012) und war Student von Prof. Seifert. Das folgende Interview zielt darauf ab, ein besseres Verständnis des theologischen und philosophischen Diskurses zwischen diesen 3 Männern zu ermöglichen,
Hier erklärt Professor Seifert seinen Standpunkt.

Maike Hickson: 
Wie würden Sie generell die Trennungslinie bzgl. Amoris Laetitia zwischen sich und Prof. Pierantoni auf der einen und Prof.Buttiglione auf der anderen Seite beschreiben?

Josef Seifert
"Ich denke nicht, daß es irgendeine Meinungsverschiedenheit  zwischen Prof. Pierantoni und mir gibt. Und ich glaube, daß - es sei denn, daß er protestieren sollte- in dem, was ich als meinen Standpunkt beschreiben werde, ich auch für ihn spreche, aber ich wage nicht, meine Antworten ausdrücklich Pierantoni zuzuschrieben, weil ich nicht weiß, ob er allen zustimmt.
Statt dessen werde ich über die Meinungsverschiedenheit, die zwischen mir und Prof. Buttiglione, einem engen Freund, entstanden ist, sprechen.
(Buttiglione hat auf sehr großzügige Weise mein größtes philosophisches Buch "Essere e Persona" -Sein und Person- , das demnächst in Englisch und Spanisch erscheint, ins Italienische übersetzt und während fast 2 Jahrzehnten mit mir als Professor und Prorektor der Internationalen Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein gearbeitet, deren Gründungsrektor ich bin.
Ich habe also jahrelang mit Buttiglione bei der Verteidigung von Humanae Vitae und des Lehramtes von Johannes Paul II zu Familie und zum menschlichen Leben zusammen gearbeitet und wir waren für zweieinhalb Dekaden über fast alles einig- bis auf über Machiavelli, den ich wie Jaques Maritain als "Doktor der Verdammten" betrachte, während er ihn in einem Buch verteidigt, das wir eigentlich zusammen herausgeben wollten, aber von dem er das Original seines Textteils verloren hat. Aber seit der Veröffentlichung von AL hat sich eine tiefe Kluft zwischen unseren Ansichten gebildet.



Aus vielen Schriftstücken und einem persönlichen Brief, den Buttiglione mir vor kurzem geschrieben hat, schließe ich, daß unsere Meinungsverschiedenheit von Amoris Laetitia zu großen Teilen auf zwei entgegengesetzten Annahmen beruhen, die unserer Meinungsverschiedenheit zugrunde liegen.

1) Buttiglione hält als Katholik daran fest, daß wir als Katholiken alles als wahr glauben müssen,was immer ein Papst in Ausübung seines ordentlichen Lehramtes sagt, während ich dem zustimme, daß- ja- wir zuerst auf die in einem lehramtlichen Dokument enthaltene Wahrheit schauen und versuchen müssen, die in einem lehramtlichen Dokument enthalten ist, und versuchen es im Licht der in der Tradition ausgedrückten Wahrheit zu interpretieren, aber keine absolute Verpflichtung haben, zu glauben, daß  jeder Teil einer Äußerung des ordentlichen päpstlichen Lehramtes wahr ist oder mit der immerwährenden Lehre der Kirche übereinstimmt.

Außerdem sind wir verpflichtet, etwas nicht für wahr zu halten, wenn wir sehen, daß es klar
a) der immerwährenden Lehre als Kirche oder
b) der offensichtlichen moralischen, der menschlichen Vernunft  zugänglichen Wahrheit  oder
c) beidem widerspricht.
(Zufällig sind Buttiglione und ich auch darüber unterschiedlicher Meinung,ob das, was der Papst in Amoris Laetitia sagt, eine Ausübung seine ordentlichen Lehramtes ist, was Buttiglione für unhinterfragbar hält, während ich vier Gründe erkläre, warum ich das nicht glaube).

Aber sogar wenn wir darüber einig wären, daß AL eine Ausübung des Päpstlichen Lehramtes sei, denke ich, daß darin Äußerungen gemacht werden ( nur in einer Fußnote) die nicht unfehlbar sind und deshalb nicht Teil der Verpflichtung, ihnen zuzustimmen.

Papst Franziskus hat das selbst bekräftigt, indem er der SSPX erlaubte von signifikanten Dokumenten des II.Vaticanischen Konzils abzuweichen und- anders als die beiden vorhergehenden Pontifikate- ihre Zustimmung zu ihnen nicht zur Bedingung für eine Wiedereingliederung in die Katholische Kirche gemacht hat.
Hierbei stimme ich völlig mit Papst Franziskus überein (wie ich glaube),daß man keinen Katholiken verpflichten kann, einem nicht-dogmatischen Dokument des ordentlichen Lehramtes der Kirche zuzustimmen, selbst wenn das Lehramt durch ein vom Papst approbiertes Konzil-Dokument ausgeübt wird, das sicher sehr viel höheren lehramtlichen Rang und größere Autorität hat als nur Fußnoten einer post-synodalen Exhortation.
Die bloße Tatsache, daß Al auf einem Mehrheitskonsens der Bischöfe beruhen soll (was von einem Kardinal bestritten wird, der bei der Synode anwesend war und feststellte, daß es einen Konsens mit den Neuerungen von AL bei den beiden Synoden nicht gab) genügt das nicht, um seine Annahme verpflichtend zu machen. Selbst wenn es in gegebenen Dokument einen klaren Ausdruck des Päpstlichen Lehramtes gibt, kann sein Inhalt, solange es nicht als Dogma verkündet wird, falsch sein.
Das was klar der Fall als Papst Johannes XXII seine eigene Häresie in einer Bulle widerrief, die er erst einen Tag vor seinem Tod geschrieben hatte (und seine Lehre wurde auch von seinem Nachfolger als häretisch beschrieben) und bei Papst Honorius I, dessen gesamte Werke von einem Konzil posthum als häretisch verurteilt und verbrannt wurden.
Deshalb bin ich sicher, daß ich bei dieser ersten "prinzipiellen Meinungsverschiedenheit" Recht habe und Buttiglione Unrecht hat: Wie MÜSSEN nicht alles glauben, was immer ein Papst in Ausübung seines "ordentlichen Lehramtes" schreibt."

2) Die zweite fundamentale, prinzipielle Meinungsverschiedenheit zwischen uns betrifft die gegenseitige Rolle der "Einheit mit dem Papst" und der Wahrheit in der Hierarchie der Werte, die wir respektieren müssen. Buttiglione hat wiederholt darauf bestanden, daß für ihn das wichtigste Ziel die "Einheit mit dem Papst" ist, während ich denke. daß die Frage der Wahrheit absolute Priorität hat.
Deshalb wenn- wie ich es in meinem jüngsten Artikel über AL als Frage an den Papst vorschlage- die pure Logik zeigt, daß man aus einer- im Folgenden zitierten - Aussage von AL die Negierung von in sich  schlechten Handlungen ableiten kann, das dem Naturrecht und der gesamten Katholischen Morallehre , insbesondere Veritatis Splendor widerspricht, dann ist diese Aussage offensichtlich falsch und das muß klar festgestellt werden und sollte zurückgezogen werden.

Dem Papst bei einem Irrtum zuzustimmen, mit dem Papst einig zu sein, hat keinerlei Wert.
Im Gegenteil: wie der Hl. Thomas und die Apostelgeschichte klar feststellen hat in einem solchen Fall der Untergebene die Pflicht, seinen Vorgesetzten zu  kritisieren, sogar öffentlich, wie der Hl. Paulus den Hl. Petrus kritisierte.
Gegen mein Bestehen auf der absoluten Priorität der Wahrheit über die Einheit. hat Buttiglione mir geschrieben, daß ich in meinen kurzen zweiten Artikel über AL Unrecht habe, selbst wenn ich Recht hätte- und er meint mit dieser rätselhaften Behauptung, entweder daß die "Einheit mit dem Papst"wichtiger ist als die Wahrheit, oder daß wir die Wahrheit nicht sagen dürfen, wenn die Wahrheit unsere Einheit mit dem Papst gefährdet - eine Position bei der ich absolut anderer Meinung bin- oder daß das Statement, dem logisch verheerende Konsequenzen folgen, wirklich falsch sein könnten, wie ich vorschlage, während der Hauptinhalt von AL von diesem Irrtum nicht berührt würde, weil dieser Irrtum sich nur auf einen Grund für die Lehre von AL, nicht aber die Lehre selbst bezieht (auf den zweiten Punkt werde ich zurück kommen).

Hickson: "Genauer, worin besteht die Meinungsverschiedenheit mit Prof.Buttiglione im Hinblick auf die Frage des lehramtlichen Gewichts von Amoris Laetitia? "

Seifert: 
Buttiglione und ich sind darüber uneinig, ob das, was der Papst in AL sagt, eine Ausübung seines 
ordentlichen Lehramtes ist, wie Buttiglione es für unfraglich hält, während ich es aus vier (meiner Meinung nach entscheidenden) Gründen ernsthaft anzweifle:
1. Weil die entscheidenden neuen Punkte von AL hauptsächlich lediglich in Fußnoten zu finden sind, die nicht  die sakramentale Disziplin der Kirche von 2000 Jahren -feierlich betätigt durch die apostolische Exhortation "Familiaris Consortio" des Hl. Johannes Pauls II umkehren können.Solche Fußnoten können nicht als Ausübung des Ordentlichen Lehramtes angesehen werden, wie auch die Kardinäle Brandmüller und Burke ebenso wie die anderen dubia-Kardinäle und viele andere festgestellt haben.

2. Außerdem sagt der Papst ausdrücklich in Kapitel III von Amoris Laetitia, daß er die maßgebenden Neuheiten in AL nicht durch sein Lehramt regeln will, sondern das den verschiedenen nationalen und kulturell unterschiedlichen und dezentralisierten Bischofskonferenzen überläßt.

3. Er hat seinen Standpunkt dadurch bekräftigt, daß er sowohl der Entscheidung der Polnischen Bischofskonferenz Familiaris Consortio in allem zu folgen und keinen wiederverheriateten Geschiedenen, oder aktiv Homosexuellen, die ihr Leben nicht ändern wollen, zu den Sakramenten zuzulassen, als auch daß er gleichzeitig die gegenteilige Position bestätigt und gepriesen hat: die Ankündigung der Argentinischen Bischöfe der Region Buenos Aires, die mit der vieler anderer Bischöfe übereinstimmt, einschließlich der des Erzbischofs von Granada. 
Diese Bischöfe haben sich die genau gegenteilige Interpretation zu eigen gemacht.

Der Papst hat sogar die viel radikalere Äußerung der Malteser Bischöfe zu AL gelobt, die eine völlig situations-ethische Interpretation von AL vorgibt.
Auf diese Weise folgt Papst Franziskus der Idee, die er von einem dezentralisierten Lehramt oder 
mehreren Lehrämtern in der Kirche hat- denen er zustimmt- eine Idee die ich Karl Rahner vor einem halben Jahrhundert in München aussprechen gehört habe. Jetzt sagt uns die reine Logik daß die Position des Bischöfe von Buenos Aires  oder Malta (von Buttiglione verteidigt)der der Polnischen Bischofskonferenz diametral und widersprüchlich entgegen stehen, beide vom Papst in seinem neuen "lehramtlichen Pluralismus" zugelassen und denen er beiden zugestimmt hat, nicht beide mit dem ordentlichen Lehramt des Papstes übereinstimmen können. 
Deshalb kann die neue Lehre von AL (d.h. die Buenos-Aires-Lesart) nicht "Lehramt des Papstes" sein.

Fortsetzung folgt.....

Quelle: OnePeterFive, Dr.Maike Hickson, Prof. J.Seifert

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