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Donnerstag, 21. Mai 2020

George Weigel: Wollen die Katholischen Integralisten die Lehre Leos XIII gegen Hegel austauschen?

George Weigel hat sich bei FirstThings Gedanken über ein neues Phänomen der Unzufriedenheit in der Kirche gemacht: die katholischen "Integralisten", die den Glauben mit dem Staat verbinden wollen. Er hält ihnen die historischen Erfahrungen vor Augen, die dieser Gedankenrichtung bereits gemacht hat. Hier geht´s zum Original:  klicken

          "SPIELE, DIE INTELLEKTUELLE SPIELEN"
Kurz nachdem sich Präsident John F. Kennedys Kabinett zum erstenmal getroffen hatte, äißerte sich Vizepräsident Lyndon Johnson enthusiastisch über seinen klügsten und besten Mentor, Regierungssprecher Sam Rayborn. Sie seien alle so brillant- schwärmte LBJ - besonders der Bursche von Ford, mit dem Haaröl im Haar (Rober McNamarra).
Mr. Sam legte eine Pause ein, (vielleicht für einen kontemplativen Schluck Bourbon) und antwortete dann: "Naja, Lyndon, Du hast vielleicht Recht und sie sind vielleicht genau so intelligent wie Du sagst, aber ich würde mich sehr viel besser fühlen, wenn wenigstens einer sich mal als Sheriff beworben hätte."

Diese Perle politischer Weisheit kam mir in den Sinn, als ich über eines der seltsamsten Phänomene dieser an Unzufriedenen so reichen Zeit nachdachte: das Auftauchen eines neuen "Katholischen Integralismus", der (mit den Worten eines Befürworters) die Annahme fördert "der Staat solle den Katholizismus als wahr und die Kirche als Leib für ihre Seele anerkennen".  Die Zahl der Befürworter eines Katholischen Staates als optimale Regierungsform ist klein. Aber sie haben eine eindrucksvolle Fähigkeit gezeigt, die Diskussion über die aktuelle politische Situation in Amerika und die katholische Soziallehre im allgemeinen so anzuheizen, daß einige Fragen gestellt werden müssen.

Frage 1: Haben wir so etwas nicht schon früher gesehen? Die Unzufriedenheit der europäischen katholischen Intellektuellen über den kulturellen und sozialen Niedergang ihres Kontinents nach dem I. Weltkrieg hat manche von ihnen dazu verleitet mit den verschiedenen Formen autoritärere Regimes zu flirten (und schlimmeres) in denen die Kirche Partner des Staates war, Einige fanden im italienischen Faschismus eine grobe aber anwendbare Form der Sozialslehre Papst Pius´XI (bevor sie durch die Verurteilung der Schlägereien Mussolinis durch die Enzyklika von Pius XI "Non abbiamo bisogno" von 1931 auf dem falschen Fuß erwischt wurden)-
1933 haben Priester der Abtei Maria Laach den Aufstieg der NSDAP  als "Verwirklichung" des Leibes Christi in der säkularen Welt beschrieben.  Emmanuel Mouniern ein prominenter französischer Denker und Aktivist, fand zunächst die Ergänzung zu seiner Ablehnung des Moderne im rechten "Statismus" des Vichy-Regines von Marschall Petain, bevor er nach dem II. Weltkrieg eine 180°-Wende machte und versuchte, ein katholisches Bündnis mit dem stalinistischen Kommunismus zu schmieden. Die neuen Integralisten leben in der dünnen Luft der Höhenabstraktion und scheinen an dieser Geschichte nicht interessiert zu sein. Dennoch sind solche Fiaskos wichtige Warnungen für jeden katholischen Denker, der sich vorstellt, daß die moralische und kulturelle Krise des Westens von der katholischen Kirche gelöst werden wird, die sich mit der Staatsmacht verbündet, oder vom Staat, der das Glaubensbekenntnis von Nicäa  befürwortet.





Frage 2 : Ist Papst Leo XIII gegen Hegel ausgetauscht worden?  Es gibt viele bedenkliche Dinge an der amerikanischen Kultur, Gesellschaft und Politik von heute; in einigen Gegenden hat das "I DID IT MY WAY"  "America the beautiful" als alternative Nationalhymne abgelöst. Aber vorzuschlagen ( wie einige Integralisten zu tun versucht zu sein scheinen) daß die Entscheidung des Richters des Obersten Gerichtshofes Obergfell, dem Land die gleichgeschlechtliche Ehe aufzuzwingen, aus der "Gebärmutter der Unanhängigkeitserklärung" stamme, ist ahistorischer Unsinn. 
Es gibt eine komplexe Kausalkette, die zu Obergfell führte und die geht nicht auf  "Wir halten diese Wahrheit für selbstverständlich " zurück. Vorzuschlagen, daß sie es täte, und daß die Katholische Soziallehre den Schlüssel zum Verständnis von Obergfells angeblicher Unausweichlichkeit führe- bedeutet die Interpretation Leos XIII der Lehre des Hl. Thomas von Aquin durch Hegels historischen Determinismus als Basis der Sozialelehre der Kirche zu ersetzen.

Frage 3: Wohin sind Johannes Paul II und Benedikt XVI gegangen? Wie ich in "Ironie der modernen Geschichte des Katholizismus" geschrieben habe, haben Johannes Paul und Benedikt scharfe Analysen der Krise des Westens geliefert, ohne in die Autoritätsfalle ihrer Normen zu geraten. Indem sie die ausschlaggebende Wichtigkeit einer auf Wahrheit basierenden öffentlichen Morale und Kultur für eine lebendige Demokratie betonten, haben sie die tiefsten Gründe der heutigen politischen Verwerfungen und des politischen Versagens  richtig diagnostiziert. Indem sie lehrten, daß es die öffentliche rolle der Kirche bei der Schaffung einer öffentlichen moralischen Kultur ist, Bürger zu erziehen, die in der Wahrheit leben. haben sie die Katholische Soziallehre in den Zusammenhang zur Neu-Evangelisierung gestellt und die Freiheit der Kirche, die selbst zu sein, verteidigt- Indem sie die theologische inkompetenz des Staates unterstrichen, haben sie geholfen, die Barrieren gegen jede neue Form von Autoritarismus - von links oder rechts-zu verstärken.

Die nüchterneren unter den neuen Integralisten geben zu, daß sie für das hier und jetzt keinen praktischen Plan haben, Was ist dann der Plan? Wäre es unfreundlich zu behaupten, daß es sich um ein Spiel handelt, das von Katholischen Intellektuelle gespielt wird, die sich- sozusagen- nie um das "Sheriffs-Amt" beworben haben- ein Spiel, das jedoch - wie unbeabsichtigt auch immer- das öffentliche Zeugnis der Kirche erschwert, indem es die katholische Soziallehre falsch interpretiert?"

Quelle: FirstThings, G.Weigel

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