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Montag, 1. Juni 2020

Papst Franziskus und die Herausforderung der Einheit des Katholischen Glaubens


In seiner heutigen montäglichen Kolumne in Monday in the Vatican analysiert und kommentiert A. Gagliarducci die Risse, die sich hier und da in der Kirche zeigen und für Papst Franziskus, der ihre Einheit bewahren und verteidigen muß, eine Herausforderung darstellen.
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"FRANZISKUS UND DIE HERAUSFORDERUNG DER EINHEIT" 

Die größte Herausforderung für die Kirche unter der Leitung von Papst Franziskus ist wahrscheinlich die der Einheit.  Nicht die ökumenische Einheit, sondern die des katholischen Glaubens. Es gibt de facto keinen Weg zur Einheit mit anderen, wenn es keine innere Einheit gibt. 
Wie kann Papst Franziskus dieser Herausforderung der Einheit begegnen?  Bis jetzt hat Papst Franziskus es jedem selbst überlassen, die Themen zu diskutieren, bis er zu einer endgültigen Schlußfolgerung kommt. Die Schlußfolgerungen von Papst Franziskus jedoch sind nie endgültig gewesen. Papst Franziskus liebt es, selber zu entscheiden. Gleichzeitig beendet er nicht gern Diskussionen.
Dieser modus operandi war bei der Veröffentlichung der apostolischen Exhortation Amoris Laetitia offensichtlich. Das Dokument berührte keine lehramtliche Wahrheit und dennoch enthielt sie einige Öffnungen, die die lehramtliche Wahrheit betreffen könnten. 

Bei der Frage weiblicher Diakone benutzte Papst Franziskus den selben modus operandi: er richtete eine zweite Kommission ein, nachdem die erste zu keiner einhelligen Schlußfolgerung kam.
Einigkeit bestand einzig darüber, daß es bereits eine Studie dazu gab.
Papst Franziskus benutzte diesen modus operandi auch im Hinblick auf die viri probati- Männer gefestigten Glaubens, die zu Priestern geweiht werden können. Das Thema schien im Zentrum der außerordentlichen Pan-Amazonas-Synode zu stehen. In seiner postsynodalen  Exhortation "Querrida Amazonia"   jedoch erwähnt Papst Franziskus es nicht einmal.
Tatsächlich war das  kein zentrales Thema für den Papst. Gleichzeitig ist wahr, daß er die Dinge einfach offen ließ und jetzt viele lehramtliche Neuerungen verlangen, - basierend auf einer angenommenen Bedeutung der Entscheidung von Papst Franziskus. 
Papst Franziskus´ Kirche ist im Zustand einer Dauer-Synode und läuft Gefahr, in der Einheit zu versagen. Die Bischöfe arbeiten je nach ihrer  besonderen Situation. Sie warten gar nicht mehr auf ein Wort des Papstes. Wenn sie eines bekommen, machen sie manchmal trotzdem weiter, wie sie wollen.

Das passierte in Deutschland. Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, behielt die Synode der Kirche Deutschlands so bei, wie er sie geplant hatte, obwohl ein Brief von Papst Franziskus die Synode aufforderte, sich ihrer lokalen Bedingungen bewusst zu sein, die für die Universale Kirche nicht bindend sein können. 





Die Synode wurde fortgesetzt, und so wurden Vorschläge für Änderungen in Bezug auf Sexualität, Frauenpriestertum und Verhütungsmittel erörtert. Erst nach der Veröffentlichung von Querida Amazonia sagte Kardinal Marx, er werde von der Präsidentschaft der Deutschen Bischofskonferenz zurücktreten.  Er bekräftigte dann seinen Standpunkt in einem von ihm verfassten und am 25. Mai 2020 veröffentlichten Buch "Freiheit".
Kardinal Marx ist vom Thema Freiheit „besessen“. Er denkt und beklagt, daß die Kirche nicht in der Lage ist, den Begriff der Freiheit anzunehmen. Er beklagt sich darüber, daß es in der Kirche viele gibt, die "grundsätzlich reinen Gehorsam gegenüber Gott lehren und daher den Begriff der Freiheit nicht in ihren Glauben integrieren“. Diese Menschen, einschließlich der Bischöfe, "sind immer noch zu stark auf Strategien der Selbsterhaltung ausgerichtet."
Seine Worte klingen wie ein Frontalangriff gegen diejenigen, die gegen Reformen sind. Und laut Kardinal Marx bedeuten diese Reformen, Frauen mehr Macht zu geben, damit sie ordiniert werden können, zumindest geweihte Diakone.

Wird der weibliche Genius nur dadurch gewürdigt, daß man Frauen wichtige Ämter einräumt?  Papst Franziskus sagt nein, zwinkert aber gleichzeitig denen zu, die eine revolutionäre Initiative erwarten. Dies ist der Grund, warum er einmal während einer "Fliegenden-Pressekonferenz sagte, daß er auch eine Frau für die Position des Präfekten des Sekretariats für Wirtschaft in Betracht gezogen habe.
Die Wertschätzung von Frauen wird nicht bewiesen, indem mehr von ihnen in bedeutende Positionen berufen werden. Dies ist jedoch die Art und Weise, wie es jetzt interpretiert wird. Die Diözese Freiburg in der Schweiz hat gerade eine Frau als „Bischofsdelegierte“ ernannt,  das heißt am Ende zu einer Art „Vizebischof“, wie der Generalvikar. Der Erzbischof von Freiburg, Charles Morerod, der die Ernennung vorgenommen hat, ist im Allgemeinen für seine konservative Sichtweise bekannt. Dies ist einer der Gründe, warum seine Entscheidung auffällig ist.

Die Entscheidung von Erzbischof Morerod muss in der problematischen Situation der Kirche in der Schweiz verstanden werden und nicht als eine Öffnung für Frauen. Die Wertschätzung von Frauen hängt nicht davon ab, ob sie wichtige Positionen einnehmen. Frauenweihen sind aus theologischen Gründen nicht möglich, dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Bedeutung, die eine Frau haben kann.
Alle diese neuen kleinen Nachrichten zeigen einige Risse in der Einheit der Kirche. Und der Mangel an Einheit wurde offensichtlich, wie die örtlichen Kirchen auf den Ausbruch des Coronavirus und auf die Tatsache reagierten, daß es keine Möglichkeit für öffentliche Feiern gab.

Papst Franziskus forderte alle auf, den Anweisungen der Regierungen zu folgen. Die örtlichen Kirchen mussten auch auf ihre Gläubigen hören, die auf öffentliche Messen drängten, weil einige der Bestimmungen einfach unvernünftig erschienen. Die Kirche in Italien verpflichtete sich zu Verhandlungen mit der italienischen Regierung. Die Kirche in Frankreich protestierte gegen die Entscheidung von Präsident Macron, die Kirchen erst im Juni wieder zu eröffnen, und verklagte den Staat. Die französische Kirche hat den Fall gewonnen.
Wenn die Kirche in Frankreich als Beispiel für die Verteidigung der Religionsfreiheit angeführt werden kann, hat sich die Kirche an anderen Orten nicht zu Wort gemeldet und ist der Linie des Papstes gefolgt. War diese Linie gut für die Kirche? Oder hat diese Linie einen Präzedenzfall geschaffen, der die Religionsfreiheit beeinträchtigt?
Diese Anzeichen mangelnder Einheit sind nicht zu unterschätzen. Sie sind nicht gegen den Papst
gerichtet. Sie sind das Ergebnis bestimmter Situationen. Manchmal geht es darum, das Image oder eine Öffnung des Papstes auszunutzen, andere Male wird der Papst ignoriert. Jedes Mal steckt ein Plan dahinter.

Wir sollten auch das Narrativ im Auge behalten, das besagt, daß der Papst von Feinden umgeben ist. Dieses Narrativ wurde von jenen geschaffen, die auf eine Veränderung drängen und behaupten wollen, daß der Papst an ihrer Seite steht.
Papst Franziskus wird kaum von der Tradition der Kirche abweichen. Sein Modus Operandi eröffnete jedoch viele Möglichkeiten für diejenigen, die sie ausnutzen wollen. Die Situation wird durch die Tatsache begünstigt, dass der Appell des Papstes an die Einheit der Menschen auf ihren konkreten gemeinsamen Werten beruht, wie die Aufnahme von Migranten, während die spirituellen Werte vernachlässigt werden.
So hat die Kirche eine säkularisierte Mentalität angenommen. Die Kirche sucht also keine innere Gemeinschaft mehr. Sie ist zwischen einer Mehrheit und einer Opposition gespalten. Papst Franziskus wird nur gewinnen, wenn er über diese Situation hinausgehen kann.

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci   

2 Kommentare:

  1. Das gegenwärtige Pontifikat ist stark geprägt von Elementen der Psychologischen und der Hybriden Kriegsführung. Die Motive und Ziele werden nicht erläutert, sondern reale Fakten geschaffen und diese (im Gegensatz etwa zur damaligen Liturgiereform) ohne übergreifende, Sinn stiftende, Erzählung umgesetzt. Es gibt keinen Aufbruch mit Fanfahrerstößen, sondern einen geräuschlosen, aber hocheffizienten Umbau der Kirchenstruktur. Beispiel „Frauenpriestertum“: das Thema wurde entgegen der klaren Weisung von Papst Johannes-Paul II. mehr oder weniger offen „am köcheln“ gehalten, indem man scheinheilig „vertieft prüfte“ und „Spielräume auslotete“. Währenddessen agieren seit Jahr und Tag etwa in Deutschland (ihren Schal wie eine liturgische Stola tragende) Gemeindereferentinnen in sog. „Wort-Gottes-Feiern“ mit offener Duldung der Bischöfe im Pfarrgemeinde-Alltag als de-facto-„Pfarrerinnen“.
    Mit Doppelbotschaften (https://de.wikipedia.org/wiki/Doppelbotschaften) werden die Gläubigen gezielt verwirrt, der Inhalt der offiziellen Äusserungen und der realen Taten stimmen nicht überein. Kritik oder Nachfragen werden als „rechts“ stigmatisiert, Kritikern wird eine unzutreffende Realitätswahrnehmung oder falsche Realitätsbeurteilung vorgeworfen (siehe etwa ttps://de.wikipedia.org/wiki/Gaslighting#Beispiele).

    Mehr dazu auf meinem Privatblog kirchfahrter.wordpress.com im Beitrag https://kirchfahrter.wordpress.com/2017/05/01/hybride-kommunikationsmuster-im-kirchlichen-raum/.

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  2. Die Frage, die sich mir da eher stellt, ist doch: Was machen diese Kirchenbeamten dann alle, wenn sie die Kirche zerschlagen haben?
    Auch für eine weitere NGO stehen die Chancen schlecht - wenn man den "USP" Rettung der Seelenheil einmal ausklammert, hat die Kirche nicht mehr viel zu bieten, außer Dinge, womit der Markt bereits jetzt schon übersättigt ist. Und wenn das Geld knapp wird, wird es auch in Sachen Kirche nicht mehr so stark fließen.
    Am Ende bleibt die Entweltlichung des kleinen Restes. Und ich hoffe, dass es früher kommt, als wir uns vorstellen können.

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