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Donnerstag, 12. November 2020

Gagliarducci zum McCarrick-Bericht: mehr Fragen als Antworten?

A. Gagliarducci analysiert und kommentiert in einem Leitartikel für La Nuova Bussola Quotidiana den gestern im Vatican veröffentlichten McCarrick-Bericht.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"McCARRICK, DIE SCHWULE LOBBY MACHT EINEN WEITEREN PUNKT" 

Der McCarrick-Report offenbart eine erhebliche Toleranz gegenüber homosexuellen Praktiken des Klerus, die nur dann angegriffen werden, wenn die Mißbrauchten minderjährig sind. Und er ignoriert, daß die causa McCarrick nur die Spitze des Eisbergs eines Machtsystems ist, das von der schwulen Lobby kontrolliert wird. 

Es gibt keinen Zweifel, daß es sich um eine Wahrheitsoperation handelt, wie es angekündigt wurde, oder eine "surreale Mystifizierungs-Operation" , wie Erzbischof Carlo Maria Viganòs sie sofort definiert hat, daß der gestern im Vatican präsentierte McCarrick-Bericht dazu führen wird, mehr Fragen aufzuwerfen, als zu beantworten. 

In Erwartung weiterer spezifischer Vertiefungen zum Geschehen um den Ex-Kardinal und Erzbischof von Washington Theodore McCarrick gibt es zwei Fragen, die ins Auge springen- die beide mit Homosexualität zusammenhängen: die erste betrifftt die Tolerierung homosexueller Praktiken-auch beim Klerus; die zweite die Vertuschung der Existenz einer schweulen Lobby und eines Systems, das die Karriere von Klerikern dieser Tendenz fördert. 

Was den ersten Punkt angeht: obwohl die Person McCarrick aus dem Bericht als Serientäter hervorgeht, kam es erst 2017 zu einer massiven Reaktion, als die ersten Beschuldigungen vom Mißbrauch Minderjähriger aufkamen. Das wird in mehreren Punkten im Bericht unterstrichen, aber auch durch die Daten, auf denen der Direktor der Vaticanischen Kommunikation, A. Tornielli in seinem Leitartikel besteht, der den auf den Nachrichtenportalen des Vaticans präsentierten Bericht vorstellt. Nach Jahren voller Gerüchte und anonymer Briefe und "unbegründeter" Anschuldigungen, die sich auf "unmoralisches Verhalten gegenüber Erwachsenen" beziehen- erklärt Tornielli- "änderte sich alles mit dem Auftreten der ersten Beschuldigungen wg. Mißbrauchs eines Minderjährigen. Die sehr ernste und beispiellose Anordnung der Entlassung aus dem Klerikerstand kam am Ende eines schnellen Kanonischen Gerichtsverfahrens. "


Praktisch sagt man uns, daß man das "unmoralische Verhalten gegenüber Erwachsenen", die sicher keine gute Sache sind, bis zum Schluß toleriert hat; der wirkliche Alarm, der auch schwere Sanktionen vorsah, wurde erst ausgelöst, als ein Minderjähriger mißbraucht wurde. Als ob die Dutzende von zukünftigen Priestern, die das Bett mit McCarrick geteilt haben, und deshalb zu großen Teilen zu einem zumindest unausgeglichen Priesterleben verurteilt sind, nicht viel zählten. Als ob die moralische Zerstörung und die des Glaubens -verursacht durch einen Serientäter-Bischof-, verlorene Berufungen, Priester, die den Mißbrauch wiederholen, durch morbide Verbindungen verfälschte Bischofsernennungen ein kleines Problem waren. Sicher, anhaltende Gerüchte rieten von einer Beförderung McCarricks auf angesehene Posten ab, aber die Falle schnappte erst zu, als ein Minderjähriger unter den Beschuldigern auftauchte. Das ist ein sehr schwerwiegender Ansatz, der die Tatsache ignoriert, daß das zweite Verbrechen- der Kindesmißbrauch- Frucht des ersten ist. 

Was den zweiten Aspekt angeht, bestätigt die Rekonstruktion der McCarrick-Affäre die Idee, daß dieses eine schwarze Seite für die Kirche darstellt, ja, aber auf jeden Fall eine Episode, die dank aller Maßnahmen, die insbesondere von Papst Franziskus ergriffen wurden, schwieriger zu rekapitulieren sein wird. "Eine traurige Geschichte, aus der die ganze Kirche gelernt hat" sagt Tornielli. 

Das muß bezweifelt werden, vor allem. weil man absichtlich ignoriert hat, daß McCarricks unaufhaltsamer Aufstieg ein Machtsystem ermöglicht hat, das auch als Schwulenlobby bezeichnet wird und die Ernennung und die Karriere von Bischöfen mit bestimmten Merkmalen begünstigt hat.  Wenn man den gestern veröffentlichten Bericht liest, könnte man denken, daß die McCarrick-Affäre das Ergebnis einer unglücklichen Kombination verschiedener Faktoren ist: der überschwänglichen Persönlichkeit (gelinde gesagt), dem Fehlen klarer Regeln, der Unbestimmtheit der Anschuldigungen, dem Fehler eines Papstes in gutem Glauben, dem schwachen Regieren eines anderen. Natürlich sind dies auch Elemente, die ihr Gewicht hatten, aber das eigentliche Problem ist, daß bestimmte Karrieren ohne ein Netzwerk von Beziehungen und Komplizenschaften auf verschiedenen Ebenen fast unmöglich gewesen wären. 

Und dieses Netz hat nicht nur für McCarrick funktioniert, de facto weisen einige Elemente darauf hin, daß es in den letzten Jahren sogar noch verstärkt wurde. Wir erinnern uns an den Fall Chile im Jahr 2018, in dem Papst Franziskus die Beweise zur Kenntnis hatte nehmen müssen, bevor er die Opfer diskreditierte, die mißbrauchende Bischöfe und Priester beschuldigt hatten.  Wir erinnern uns auch an die mysteriöse Deckung, die dem argentinischen Bischof Zanchetta vom Vatican angeboten wurde. Wir erinnern uns auch an die Denunzierungen gegen den honduranischen Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, den Koordinator des Kardinal-Rates, der Papst Franziskus bei der Kurien-Reform hilft ("alles Verleumdungen" sagte der Papst im vergangenen Jahr), dessen Weihbischof  Juan José Pineda im Juli 2018 wegen sexueller Belästigung im Seminar zurücktreten mußte. Und wir erinnern uns auch an die "Gerüchte" aus seiner Heimat Apulien, die den raschen Aufstieg des neu ernannten Kardinals Marcello Semeraro begleiteten, der seine derzeitige Diözese Albano zur italienischen Hauptstadt der LGBT-Christen machte. Und wenn wir zu McCarrick zurückkehren, dürfen wir nicht vergessen, daß dank der Unterstützung des ehemaligen Kardinals mehrere amerikanische Bischöfe ernannt wurden.  

So könnte man fortfahren. Nein, es gibt kein Anzeichen dafür, daß die Kirche aus der McCarrick-Affäre gelernt hat, sondern eher für das Gefühl, daß man dafür bezahlt wird, ruhig mit den anderen weitermachen zu können. Und in der Zwischenzeit wird die Idee vorangetrieben, daß es kein Problem sei, wenn ein Priester homosexuelle Tendenzen hat. "

Quelle: A, Gagliarducci. LBQN 

 

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