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Freitag, 12. März 2021

Sandro Magister über das Fehlen der Juden beim Treffen der abrahamitischen Religionen

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo das so symbolträchtige Fehlen von Vertretern der jüdischen Gemeinde beim interreligiösen Treffen der drei-  aktuell aber nur zwei- abrahamitischen Religionen -in Ur und zitiert die Kommentare zweier renommierter Rabbiner dazu. 
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"WARUM DER PAPST IM IRAK ÜBER DIE JUDEN SCHWEIGEN MUSSTE" 

"Auf dem Foto, das am Morgen des 6. März auf der Ebene von Ur aufgenommen wurde, kann man neben Papst Franziskus Muslime und Repräsentanten anderen Religionen erkennen, aber keine Juden. Und sie konnten dort nicht sein -teilweise, weil der zuvor -absichtlich?- gewählte Tage für das große Treffen der "Söhne Abrahams" - ein Sabbat war. 

Die Ruinen dessen, was als das Haus Abrahams bezeichnet wird, waren nur wenige Schritte entfernt, aber keiner der Teilnehmer an dem Treffen hat dem Volk Israel auch nur ein Wort gewidment, den Erstgeborenen Abrahams, das jahrhundertelang im Zweistromland lebte. Nur der Papst erwähnte in seiner Rede und dann in seinem Gebet -wie auch in Bagdad bei den politischen Autoritäten flüchtig ein "wir" das Judentum, Christentum und Islam umfaßte. Nur um sich dann in seiner zusammenfassenden Rede über die Reise am 10. März in Rom selbst zu korrigieren und anzuerkennen, daß in Ur nur Christen und Muslime waren.

Die Juden waren das Tabu der gesamten Reise von Papst Franziskus in den Irak. Eine umso verblüffendere Auslassung als die Reise von Anfang an- beginnend mit Johannes Paul II, speziell als ein geographische und spirituelle Rückkehr an die gemeinsame Quelle der drei montheistischen Religionen geplant war- alle drei mit Abraham als Vater.

Die antijüdische Zensur hat sogar noch größeren Einfluss gegen jene "abrahamitischen Abkommen", die man in letzter Zeit in mehreren sunnitischen arabischen Ländern- angefangen von den Emiraten bis zu Marokko, Frieden mit Israel hat machen gesehen hat. Der Irak und mehr noch der benachbarte Iran stehen diesen Abkommen sehr feindlich gegenüber - aus geopolitischen aber vor allem aus religiösen Gründen-weil beide vor allem schiitisch muslimisch sind und das erklärt, warum die Diplomaten des Vaticans und der Papst selber sich ihrem Willen beugten- teilweise um die Sicherheit der Reise zu sichern- während der die schiitischen Milizen, die ihre Befehle aus dem Iran bekommen, einen Waffenstillstand einhielten. 


Das Paradoxe an Franziskus´ Reise in den Irak- ist, daß indem er über die Juden schwieg, er alles dafür getan hat,die Christen genau davor zu bewahren, aus dem Zweistromland vertrieben zu werden, so wie es schon mit der Jüdischen Gemeinschaft geschah. 

Während der vergangenen zwanzig Jahre  hat die Zahl der Christen im Irak dramatisch abgenommen. Von 1,5 Millionen auf 200.000 bis 300.000- gefangen zwischen zwei Feuern- den schiitischen Milizen auf der einen Seite und dem sunnitischen ISIS auf der anderen, der drei Jahre lang- zwischen 2014 und 2017 - einen ihrer historischen Plätze und Siedungen, auf der Ebene von Niniveh besetzte und verwüstete.

Aber bei den Juden des Irak kann man nicht von Abnahme sprechen sondern von Verschwinden. Seth J. Frantzman stellte in der "Jerusalem Post" vom 7. März fest, daß es in Bagdad seit 2008 nicht mehr die 10 erwachsenen Männer gab, die die gemeinsame Gebetszeremonie ermöglichen.

Dennoch besitzt das Judentum eine große Geschichte im Zweistromland. Vittorio Robiati Bendaud, ein Schüler von Giuseppe Laras, Rabbiner mit großer Autorität in Italien und Europa, hat über die Reise des Papstes in den Irak in einem Kommentar in "Formiche" geschrieben: 

"Wenn man über Bagdad, das Tigris.-Becken und den Euphrat spricht, kann sich kein Jude, der sich seiner Geschichte, Religion und Kultur bewußt ist, wie ein Fremder fühlen. Das heutige Judentum wurde in diesem Land geformt und die größte und vollendete Abfassung und Herausgabe des Talmuds geschah in den antiken rabbinischen Akademien von Bavèl, Babylon. Später wurde dort das post-talmudische jüdische Denken in Arabisch geboren.  Es war auch dort, daß das bestehende Ritual des Betens festgelegt wurde. Dort wurde die rabbinische Gesetzgebung niedergelegt und organisiert und dort wurde der jüdische Mystizismus geformt,-in direktem Kontakt mit dem Islam, obwohl die Juden -ähnlich den Christen- einem untergeordneten Status unterworfen waren."

Das Erbe der Aramäischen Sprache, der alten von den Juden in Judäa und Galiläa zur Zeit Jesu gesprochenen Sprache, wurde und wird heute noch von vielen irakischen Christen geteilt.

Aber dann kamen die Jahre der Tragödie- sowohl für die einen als auch für die anderen- in einem Völkermord, in dem 1915 gleichzeitig mit den Armeniern um die 800.000 assyrischen Christen ausgelöscht wurden. Und 1914 hinterließ ein Progrom fast 200 tote und tausende verwundetet Juden. Jahre später - markierte die Geburt des Staates Israel das Ende, es gab keinen Platz mehr für Juden im Irak. Seltsamerweise hatten niemand anderes als die Rabbiner, die aus Bagdad nach Jerusalem emigiriert waren, mehrere Jahrzehnte lang die sephardische Leitung des Obersten Rabbinats in Israel inne. 

Der Besuch des Papstes und besonders das interreligiöse Treffen in Ur, der Stadt Abrahams, hätte den wenigen Repräsentanten der winzigen jüdischen Gegenwart im Irak Sichtbarkeit und Stimme bringen können. Aber das war - auf Aufforderung der Autoritäten in Bagdad -und hinter ihnen in Teheran- denen Franziskus nachgeben mußte- nicht der Fall. 

Sogar während seines Aufenthalts in Mosul und auf der Ebene von Niniveh- wo in der Vergangenheit eine blühende jüdische Gemeinde lebte und wo sich die  Ruinen vieler Synagogen befinden und das von ISIS zerstörte Grab des Propheten Jonah ist, wurde das alles mit Schweigen übergangen. 

Die Hoffnung ist, daß für die Christen, die immer im Irak leben, die vom Papst beschworene und von Groß-Aytollah Al-Sistani- dem renommierten und unbeugsamen Gegner des iranischen theokratischen Islam- zugesicherte gleiche Würde und gleichen Rechte sie ermutigen könnte, zu bleiben. Ungleich dem, was ihren jüdischen Brüdern, den erstgeborenene Kindern Abrahams, geschah. 

Ein Hoffnungszeichen könnte das Grab des biblischen Propheten Nahums in Al-Qosh in der Nähe von Mossul sein, das kürzlich restauriert wurde, das ein Wallfahrtsort nicht nur für Juden von gestern und vielleicht von morgen, sondern heute schon für Christen und Muslime ist.

Inzwischen sagte Rabbi David Rosen, eine der führenden Persönlichkeiten im Dialog mit der  Katholischenn Kirche, von Jerusalem aus- gegenüber Asia News

"Der Besuch von Papst Franziskus ist an die vor 2 Jahren in Abu Dhabi unterzeichnete Erklärung zur menschlichen Brüderlichkeit gebunden. Ich bin glücklich über diese Geste und hoffe, daß sie Früchte bringen wird. Aus meiner Perspektive- jedoch- hoffe ich auch, daß dieser Weg breiter wird, weil er zur Zeit nur eine Initiative zwischen Christen und Muslimen ist. Ich bin froh, daß er jetzt die gesamte isalmische Welt betrifft. Dennoch wäre es auch wichtig für die Anerkennung der Brüderlichkeit gewesen, einen offiziellen jüdischen Vertreter einzubeziehen. Dies nicht nur wegen der tiefen Bindung zum Christentum, sondern auch deswegen, was das für den Islam bedeuten würde. Bis wir keine bekommen, wird eine Erklärung zur Brüderlichkeit das Risiko einer Fehlinterpretation beinhalten."

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo

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