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Dienstag, 6. April 2021

Wie Papst Franziskus auf institutionelle Krisen antwortet....

In seiner montäglichen Kolumne kommentiert A. Gagliarducci bei "Monday in the Vatican" das päpstliche Tun während der Karwoche und seinen Umgang mit schwerwiegenden Problemen der Institution Hl. Stuhl & Vatican. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS´ GESTEN ALS ANTWORT AUF DIE INSTITUTIONELLE KRISE" 

Am vergangenen Gründonnerstag haben sie in der Paul VI-Halle auf Papst Franziskus gewartet.Dort warteten KInder, die in der Arzneimittelausgabe von Santa Marta versorgt wurden und einige der Obdachlosen, die im Vatican geimpft worden waren. Statt dessen ging er Karfreitag dort hin. Papst Franziskus, der Gründonnerstag immer dem Besuch einer " Existenz an der Peripherie" gewidmet hat, feierte statt dessen die Messe in der Wohnung von Kardinal Angelo Becciu

Für diejenigen, die sich nicht erinnern, Kardinal Becciu verzichtete auf Anordnung von Papst Franziskus auf seine Vorrechte als Kardinal, so daß er nicht mehr in einem Konklave wählen, an Konsistorien teilnehmen, oder weiterhin als Kardinal in Kongregationen dienen kann, wie alle anderen Kardinäle. Außerdem hatte Papst Franziskus Kardinal Becciu in gerade mal  20 Minuten aufgefordert von seinem Amt als Präfekt der Heiligsprechungs-Kongregation zurückzutreten. Der Kardinal -gehorsam- gehorchte. Die Nachricht von seinem Rücktritt wurde einem hastigen Bulletin des Hl. Stuhls hinzugefügt, formuliert als er noch auf dem nach-Hause-Weg war, wobei der die Abkürzung vom Domus Sanctae Marthae, wo der Papst lebt, zum Palazzo des Sant´ Uffizio nahm, wo der Kardinal lebt. 

Das war am 23. September. Es ist nie geklärt worden, was den Papst zu diesem plötzlichen Vertrauensverlust in seinen engen Mitarbeiter bewegte, der u.a. dauernden Kontsakt zum Papst hatte, sowohl in seiner vorherigen Stellung als Substitut des Staatssekretariates Funktion als auch als Präfekt der Heiligenkongregation. In den Tagen, die seinem Rücktritt vorangingen, war der Kardinal Ziel einer wilden Presse-Kampagne, in der er der Günstlingswirtschaft und bei der Verwaltung der Gelder des Staatssekretariates der Unterschlagung beschuldigt wurde. 

Dann kamen die Geschichten über Cecilia Marogna, die sogenannte "Dame von Becciu“, die verhaftet wurde und Gegenstand eines Rechtshilfeersuchens des Vatikans wegen missbräuchlicher Verwendung von Geldern des Staatssekretariats war, die sie angeblich für Vermittlungsarbeiten erhalten hatte. Cecilia Marogna verbrachte zwei Wochen im Gefängnis, bevor ein italienisches Gericht den Antrag der vatikanischen Richter ablehnte und sie befreite.

Das war zuerst eine Reihe von symbolischen Ohrfeigen für das Vaticanische Gericht, das an den Recherchen zu den Vermögenswerten des Staatssekretariates beteiltigt war, die dann geradewegs zum Erwerb einer Luxus-Immobilie in London führte. Diese Untersuchung führte zur Suspendierung von sechs Vatican-Mitarbeitern, (von denen fünf vorzeitig in den Ruhestand traten oder deren Amtszeit nicht verlängert wurde)- aber immer noch kein Prozess. 

In der Praxis haben die Richter in drei Verfahren den Vatikan wegen eines „Motivationsvakuums“ in den Anträgen kritisiert, selbst wegen Lücken in den Ermittlungen und sogar wegen Zweifeln an der Rekonstruktion der Staatsanwälte des Vatikans. Das jüngste dieser Urteile, das die Zahlungen an  den  Makler Gianluigi Torzi  wieder aufwärmte, hat alle Grenzen des vatikanischen Justizsystems aufgezeigt.

Das vatikanische Justizsystem ist das Justizsystem einer absoluten Monarchie, und das ist unbestritten. Gleichzeitig soll es ausgewogen sein und die Ermittlungen auf fairste Weise durchführen, um die Glaubwürdigkeit des Heiligen Stuhls nicht zu beeinträchtigen. Es ist der Heilige Stuhl, der die internationalen Verträge zur Korruptionsbekämpfung und zu den Menschenrechten unterzeichnet. Der Heilige Stuhl garantiert, daß alle Menschen auch innerhalb der Grenzen des vatikanischen Staates fair behandelt werden.


Die Vorreiterrolle der Richter, insbesondere in jüngster Zeit, hat stattdessen zu einer „Vatikanisierung“ des Heiligen Stuhls geführt. Die Situation hat die Lücken im Justizsystem des Vatikans aufgedeckt und die internationale Glaubwürdigkeit des Heiligen Stuhls untergraben. Angesichts eines Pontifikats, das Transparenz, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit zum Schlüsselwort macht, stehen wir einem Papst gegenüber, der summarische Gerichtsverfahren genehmigt, Mitarbeitern des Vatikans, die ihre Arbeit verlieren, ohne die Anklage zu kennen, und Durchsuchungen der Häuser von Mitarbeitern des Vatikans, selbst wenn sie auf italienischem Gebiet lagen. 

Manche Beobachter haben sogar vom "schlechten Glauben" der vaticanischen Untersucher gesprochen und dieses Thema ist nicht neu. Das tauchte auch in den Kommentaren zu einem anderen Prozess auf, der das IOR, die sogenannte Vatican-Bank, betraf und bei dem es um den möglichen Erwerb des Börsengebäudes in Ungarn von einem Malteser Unternehmen ging.

Indem er seine internationalen Glaubwürdigkeit auf´s Spiel setzt, ist der Heilige Stuhl allen feindlichen Staaten ausgeliefert. Papst Franziskus hat zum zweiten Mal beschlossen, das Justizjahr mit einer Rede zu beginnen, in der er die Bedeutung von Reformen bekräftigen wollte

Dazu fügte er die Geste hinzu, zu Kardinal Beccius Haus zu gehen. Dabei hat er sich nur oberflächlich mit einer nach wie vor schwierigen Situation befasst. Kardinal Becciu wurde nicht rehabilitiert. Es gab keine Transparenz über den Druck auf den Papst, Becciu zurücktreten zu lassen. Es gab weder ein ordnungsgemäßes Verfahren noch wurden Anklagen gegen ihn nachgewiesen. Es gibt diesen Besuch des Papstes, für den es jedoch keine offizielle Bestätigung gibt. Nicht einmal die offiziellen Nachrichten des Vatikans haben dies bestätigt, sondern sprechen von „Quellen der Fokolar-Bewegung“ und betonen, daß "es sich um eine private Unternehmung des Papstes handelt, die nicht bestätigt werden kann

Praktisch hat Papst Franziskus akzeptiert, daß es bekannt wird, wollte aber nicht daß das Treffen offiziell wird. Als sich die Nachricht von diesem Besuch verbreitete, stellten anonyme Quellen klar, daß der Papst Becciu auf keine Weise rehabilitiert habe, sondern sich ihm gegenüber barmherzig erweisen wollte, und das erklärt die Bedeutung dieser Geste. Der Papst hatte Becciu gelegentlich angerufen, als das Bild der Anklage unklarer wurde, während es klar wurde, daß der Rauswurf vielleicht Folge einer Fehlbeurteilung war. Jetzt ist es durch die Geste, privat die Messe zu feiern, schwieriger geworden, die Situation zu handhaben. 

Inzwischen hat die Reform der Vatican-Justiz nicht nur die Vorrechte der Richter vermehrt, die sie beibehalten, wenn sie in den Ruhestand gehen, sondern auch die Rolle des Berufungsgericht herabgestuft. Gleichzeitig scheint alles auf die zentrale Rolle des Präsidenten des Vatican-Gerichtshofes fokussiert zu sei.

Auf gewisse Weise das Ende einer Ära. Aber der Papst geht nicht zurück- auch wenn er den offensichtlichen Fehler erkennt. Schließlich ist die Messe Mit Becciu nur die letzte einer Serie von eklatanten Gesten, die die Bewertung von Fehlern überdecken. 

Ein Beispiel dafür ist die doppelte Einberufung des Chilenischen Bischofs zur Feststellung seiner Verantwortlichkeit für die Handhabung der Plage der Pädophilie im Land und im Karadima-Fall. Das zweite Treffen endete mit dem Rücktritt aller chilenischen Bischöfe.  Niemand erinnert sich jedoch daran, daß der Papst vor der Reise nach Chile und den öffentlichen Vorwürfen, eine Vertuschung befürwortet zu haben, jemals irgendwem zugehört und sogar an seiner Entscheidung festgehalten hatte,  Madrid Barros zum Bischof von Osorno zu ernennen: einen Schüler von Karadima in der Diözese von Karadima. Am Ende hat Papst Franziskus mit allem von vorne angefangen, statt einen Fehler zuzugeben.

Ein anderes Beispiel ist, wie der Papst den berühmten "Lettergate"-Fall gehandhabt hat- den Brief von Benedikt XVI  geschrieben und dann durch den Präfekten des Kommunikationsbüros, Msgr. Dario Edoardo Viganó, veröffentlichen ließ. Viganó gab den Posten des Präfekten sofort für zwei andere auf, während Erzbischof Gänswein aufgefordert wurde, nicht mehr an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, obwohl er Präfekt des Päsptlichen Haushaltes blieb. Zwei Täter, keiner wurde verantwortlich gemacht, ein unklarer Fall, nicht einmal in der nachfolgenden Kommunikationsstrategie. 

Wird Papst Franziskus mit Erbischof Gustavo Zanchetta ebenso verfahren, den der Papst trotz ernsthafter Beschuldigungen gegen ihn, in den Vatican berief? Zanchetta arbeitet trotz des Prozesses gegen ihn weiterhin im Vatican in einer ad-hoc-Stellung.

Am Ende benutzt der Papst große Gesten um sehr große  institutionelle Probleme zu verdecken. Der Hl. Stuhll ist zunehmend in Gefahr, Das vaticanischen Rechtssystem ähnelt hzunehmend dem Büro eines Italienischen Staatsanwalte -und dir Richter sind alle italiener und haben Stellungen in Italien inne.  Der Besuch bei Becciu heilt keine Wunde. Wenn überhaupt, verbirgt es sie. Aber diese Wunde ist offen und früher oder später riskiert sie, dramatisch zu werden."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

 

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