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Montag, 16. August 2021

Gagliarducci: Wie wird das Papsttum nach der Zeit der Prozesse aussehen?

In seiner heutigen Kolumne in Monday in the Vatican analysiert  und kommentgiert A. Gagliarducci den Stand der Dinge bei den im Vatican   u.a. wegen Korruptionsvorwürfen angelaufenen Prozessen  -besonders im Hinblick auf das mehrfache Eingreifen von Papst Franziskus ins Geschehen.
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"PAPST FRANZISKUS, DIE ZEIT DER PROZESSE"

Nach der Reise nach Ungarn und in die Slowakei wird Papst Franziskus sich der Zeit der Prozesse gegenüber sehen. Zuerst wird es das Urteil zu angeblichen Mißbrauchsfällen im vaticanischen Pro-Seminar geben, der schon durch eine Anordnung des Papstes zufällig nach außerhalb der Stadt hinter den Mauern verlegt worde ist. Dann - am 5. Oktober- beginnen die Anhörungen zur Investition des Staatssekretariates in die Londoner Luxus-Immonbilie.

In beiden Fällen ist das interessante Thema ein juristisches. Nicht daß der Mißbrauchsfall im Pro -Seminar nicht interessiert und es ist unzweifelhaft wichtig, den Grund für die Inverstition des Staatssekretariats in London herauszufinden und vor allem, wie die Broker in den Erwerb verwickelt waren. 

Dennoch sind die Skandale, die den Prozessen folgen könnten- angenommen daß Schuld erwiesen ist- nur die Spitze des Eisbergs einer viel größeren Frage, die die Vatican-Justiz betrifft. 

Wir wissen, daß der Papst ein absoluter Herrscher ist und daß er das Oberhaupt der einzigen Patrimonial-Monarchie der Welt außerhalb Saudi-Arabiens ist. Die Päpste haben immer die Vorrechte des Staates anerkannt, und haben sich nur sehr wenig eingemischt, selbst als die Kirche selbst einen Staat besaß, den Päpstlichen Staat. Dennoch hat Papst Franziskus einen ungewöhnlichen Aktivismus in Verfahrensfragen gezeigt, der am Ende auch enthüllt, wie der Papst die Macht handhabt.

Der Missbrauchsprozess wegen des Pro-Seminars hätte nicht stattfinden dürfen, weil die mutmaßlichen Verbrechen verjährt waren. Papst Franziskus hob jedoch mit einem Dekret das Hindernis der Verjährung auf und leitete ein Verfahren ein, das jetzt in der Endphase ist.

Der London-Prozess hätte nicht so -wie es jetzt geschieht- gehandhabt werden dürfen. Es brauchte vier Reskripte von Papst Franziskus, von denen eines sogar die Geheimhaltung aufhob, damit die Ermittlungen ihren Lauf nehmen konnten. Es überrascht nicht, daß einer der Anwälte im Prozess von einem "Sondergerichtshof“ sprach.

Nicht nur. Die gleichen Anklagevertreter (die im Vatican "Förderer der Justiz" heißen) hatten sich geweigert, der Forderung des Gerichtspräsidenten nachzukommen, die audiovisuellen Beweise zur Absetzung von Msgr. Alberto Perlasca zu übergeben. Für die, die sich nicht erinnern, Perlasca war ein Jahrzehnt lang der Vorsitzende des Verwaltungsabteilung des vaticanischen Staatssekretariat. Nachdem er sich zunächst weigerte, vor den Richtern zu erscheinen, beschloss er dann zu kooperieren. Ergebnis: er wird nicht angeklagt, eine Entscheidung, die Sinn machen könnte, wenn man bedenkt, daß nichts ohne die direkte Zustimmung der Vorgesetzten getan werden kann. Aber wenn das der Grund ist, ist unklar, warum Fabrizio Tirabassi, der eine untergeordnetere Position im Stab des Vaticans innehatte als Perlasca, ebenfalls angeklagt ist. 


Die Weigerung Perlascas audiovisuelle Akten zu übergeben, um die Privatsphäre anderer anwesender Personen zu schützen. ist präzedenzlos. Wir sehen uns Strafverfolgern gegenüber, die Forderungen des Gerichtspräsidenten zurückweisen. Es bleibt nur ein oberster Richter- der Papst- und jedes Ideal der Rechtsstaatlichkeit ist weggewischt,

Das sind alles Themen, eines wie das andere, die von der internationalen Presse angesprochen werden. "The Pillar" fragt sich sogar, ob der Prozess sich nicht als Bluff herausstellen wird, angesichts der vorherrschenden Reglementierung, die entwickelt wurde, nachdem die Verbrechen angeblich begangen wurden und nicht vorher. "Crux" betont, daß Perlasca sich früher oder später, wegen der Tatsache, daß er wie Henry Hill in Scorceses Film "The Goodfellas" dargestellt worden ist, als erzwungener Informant herausstellen könnte.

Associated Press hat festgestellt, daß das Rechtsssystem des Vaticans seit einiger Zeit nicht mit den Internationalen Standards konform ist. In der Tat stellen die neuen, vom Papst gewünschten Eingriffe die internationale Glaubwürdigkeit des Hl. Stuhls in Frage.

Das sind brennende Fragen, die bei den nächsten Tagungen des Gerichts noch drängender werden. Es gibt andere Themen, die angesprochen werden müssen. Z.B. weiß keiner, wie die von Papst Franziskus vor einem Jahr angeordnete  Untersuchung der Dombauhütte von St. Peter ausgegangen ist. Aber in dem Fall war die Rede von Verträgen, die ohne Ausschreibung auf personeller Ebene vergeben wurden. Aber sogar in dem Fall hatte die Dombauhütte vor der Promulgierung des Vaticanischen Vergaberechtes aus 2020 gehandelt. Daran gibt es keinen Zweifel.

Bleibt die Frage, ob eine Zeit von Prozessen, Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen, gegenseitiger Vergiftung ein Zeichen von innerer Transparenz ist, oder ob sie erlaubt. eine Insitutution wie die Kirche mit Schmutz zu bewerfen. Weil wohl bekannt ist, daß es immer Skandale in der Kirche gegeben hat. Aber die Menschen kommen und gehen, während die Institution bleibt. Diese Prozesse erscheinen andererseits so, als ob sie nicht auf Menschen sondern auf Institutionen zielen. Das ist ein Paradigmenwechsel, der nicht unterschätzt werden sollte. Es bleibt also eine Frage: wie wird das Papsstum nach dieser Zeit der Prozesse aussehen? 

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

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