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Mittwoch, 6. Oktober 2021

Bischöfe als traditionis custodes...Bischof Erik Varden kommentiert

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo die Aussagen von Papst Franziskus zur Tradition und veröffentlicht den Artikel des norwegischen Bischofs Erik Varden zu Traditionis Custodes - im Rahmen der Kirchengeschichte.
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"WIE MAN HEUTE DIE TRADITION HÜTET. EINE LEKTION AUS NORWEGEN" 

Am 13. September, bei einem spontanen Gespräch mit den Slowakischen Jesuiten hatte Papst Franziskus viel zu sagen. U.a. identifizierte er als "derzeit größtes Übel in der Kirche" die "Ideologie des Rückwärts".

Der Papst hat das Wort "Tradition" nicht benutzt. Aber es ist so, daß dort für ihn die "Perversion" der "Rigidität" lauert. Man muß nur auf den herabsetzenden Titel "Traditionis Custodes" des motu proprio schauen, mit dem er am vergangenen 16. Juli versucht hat, das Ende der Messe im antiken römischen Ritus zu dekretieren-indem er die Bischöfe als "Hüter der Tradition" ansprach -genau um ihnen die Anordnung aufzuzwingen, die die Tradition in Stücke reißt. 

Dann - hatte das motu proprio in der Praxis nicht die Wirkung, die er erhofft hatte. Die meisten Bischöfe haben die Dinge so laufen lassen wie vorher, besonders in Frankreich und den USA, in den beiden Ländern, wo die Feier des Alten Ritus am verbreitetsten ist. Für viele gilt die von Benedikt XVI theoretisch durchdachte und gelebte Idee dr Tradition weiterhin- laut der das Alte und das Neue in der Kirche sich "gegenseitig bereichern können und müssen". 

Aber welche Lehre kann ein Bischof, wenn er den Beinamen "Traditionis Custos", den Franziskus ihm aufgebürdet hat, ernst nimmt, daraus ziehen? 

Es gibt einen Bischof, der es versucht hat und darüber zuerst am 15. September im progressiven englischen Katholischen Magazin "The Tablet" und dann auf seinem blog "coramfratibus.com"   geschrieben. Von beiden autorisiert, gibt Settimo Cielo den vollständigen Text in mehreren Sprachen wieder.

Der Name des Bischofs ist Erik Varden . Ein 47-jähriger Norweger, der als junger Mann zum Katholizismus konvertierte, in Cambridge Theologie und Philosophie studierte, Zisterzienser-Mönch der strengen Observanz, Trappist, und in England Abt der Abtei Mount St.Bernard in Leicestershire wurde. Er hat auch in Rom am Päpstlichen Orient-Institut studiert und einige Jahre am Päpstlichen Athenäum Sant Anselmus unterrichtet. Papst Franziskus hat ihn zum Bischof von Trondheim ernannt, er hat in der Kathedrale der Stadt am 3. Okrober 2020 die Hl. Weihe empfangen- als Erster nach der protestantischen Reformation. In einer Gesamtbevölkerung von 700.000 in einem großen Gebiet sind 16.000 Katholiken -überwiegend Immigranten aus zahlreuichen Ländern der Welt - wie in einem Missionsland. 

Varden ist auch Musiker und Liebhaber des Gregorianischen Gesangs. In der Osternacht 2011 hat er im Petersdom das Exsultet gesungen. 2018 hat er bei Bloomsbury ein Buch veröffentlicht, dessen Titel den Bezug zur Tradition suggeriert "Erschütterung der Einsamkeit. Eine Christliche Erinnerung".

Das ist seine gelehrte und originelle Interpretation der Tradition, mit manchmal überraschenden Hinweisen auf den Patriarchen Isaak, auf Giovanni Battista Montini, Erzbischof von Mailand, und vor allem auf Pontian und auf Hippolyt, den ersten zurückgetretenen Papst in der Geschichte und seinen Gegenspieler, einer ein Erneuerer und der andere Traditionalist, versöhnt in Martyrium und Heiligkeit.


                                                “TRADITIONIS CUSTODIA”

von Erik Varden

"Lumen Gentium" die wunderbare Kirchen-Konstitution des II.Vaticanischen Konzils beschreibt das Amt des Bischofs durch schöne Titel. Sollte man ein Bischof sein, sind sie auch ziemlich einschüchternd. Man muß dann- so wird einem gesagt- ein "Hirte der Kirche" sein, ein "Nachfolger der Apostel" (Nr. 18), das "sichtbare Prinzip und die Grundlage der Einheit" in der Diözese (Nr.23), "der Verwalter der Gnade des Oberpriestertums" (Nr.26) und vieles andere mehr. In einem motu proprio hat der Hl. Vater vor kurzem einen weiteren Beinamen unterstrichen. Er erinnert uns daran, daß ein Bischof ein "Traditionis custos" ist, ein Hüter der Tradition. Für diese Definition bin ich, ein Bischofs-Novize, dankbar. 

Wenn man für ein solches Amt ernannt wurde, ist es verlockend, zu denken, daß vieles von einem abhängt. Papst Franziskus erinnert uns daran, daß das nicht der Fall ist. Ein Bischof ist nur ein Glied in einer langen, langen Kette, deren Name Tradition ist. Dieses Wort ist ein Substantiv der Aktion. Im Lateinischen bedeutet "traditio" den Akt der Weitergabe von etwas. Ein mit dem Wächteramt der Tradition betrauter Bischof muß sicherstellen, daß die Tradition fortbesteht. Er schaut aufmerksam, dankbar und gnädig auf das zurück, um das zu empfangen, was ihm übergeben wird, er schaut erwartungsvoll vorwärts und wünscht sich, die Schätze die ihm momentan anvertraut sind unbeeinträchtigt weiterzugeben. 

"Unbeeinträchtigt" ist kein Synonym für "unverändert" -dennoch ist Vorsicht angebracht, Ich darf das universale Erbe nicht auf ein von mir bevorzugtes Produkt reduzieren, Als das Konzil uns mit dem- was ich zisterziensische Emphase bezeichen würde, dazu drängte, zu den Quellen zurück zu kehren, sollte das die Fülle wieder herstellen, wo besondere einschränkende Entscheidungen getroffen und breite Plätze eng gemacht wurden. Zu leben, zu arbeiten und zu beten, wie das Konzil es lehrte, bedeutet, wie Isaak zu sein, dieser mysteriöse Patriarch. Er hinterließ nur wenige Worte für das Protokoll, vollbrachte nur wenige monumentale Werke. Dennoch ist sein Beispiel bemerkenswert. Unbekümmert, ein eigenes Zeichen zu hinterlassen, "grub Isaak wieder die Wasserbrunnen, die in den Tagen seines Vaters Abraham gegraben worden waren; denn die Philister hatten sie nach dem Tode Abrahams aufgegeben; und er gab ihnen die Namen, die ihr Vater ihnen gegeben hatte“ (1. Mose 26,18). Er stellte den Zugang zu den väterlichen Brunnen wieder her und sorgte dafür, daß seine Kinder trinken konnten.

Ich denke oft an einen Vorfall im Leben von Giovanni Battista Montini, des späteren Papstes, jetzt der Heilige Paul VI.  Montini wurde zum Bischof von Mailand ernannt und hatte eine Audienz bei Pius XII. Als sich die beiden Männer verabschiedeten, gab der alternde, kränkelnde Papst dem neuen Erzbischof diesen Rat: "Depositum custodi“. Das ist ein inhaltsschwerer Satz. Der Begriff des "depositum fidei“ ist uralt. Er bezieht sich auf die Fülle des Glaubens, die sowohl in der Schrift als auch in der Tradition enthalten ist; er steht für etwas, ohne das das Christentum nicht es selbst wäre. Es ist kein statischer Begriff. Das Überlieferte wird immer neue Ausdrucksmöglichkeiten finden. Es spricht viele Sprachen. Es kann verschiedene kulturelle Formen annehmen. Seine authentischste "christustragende“ Ausdrucksform für hier und jetzt zu finden, ist eine Herausforderung für jede Generation von Gläubigen. Worauf es ankommt, ist: es nicht auf weniger als sich selbst zu reduzieren.

Montini folgte 1954 Kardinal Schuster auf den Mailänder Bischofssitz. Das war eine Zeit von Aufruhr und Unsicherheit. Pius XII war sich dessen bewußter als die meisten. Er sagte Montini nicht, daß er eine "gesprungene Schallplatte" sein solle, die auf alte Weise alte Wahrheiten verkündet. Er wußte nur zu gut, daß dieser sensible Priester ein suchender Intellekt war. Was er ihm sagte, war er "geh hin und hüte deine bunte, zerstreute Herde, finde Worte und Gesten,  die sie verstehen können, aber gehe keine Kompromisse ein; Sei gewiss, daß das dir von altersher anvertraute Erbe den Keim der Antworten enthält, die du brauchst, um die Fragen von heute zu beantworten; lebe aus diesem Depositum, und grabe tief darin. So hat Montini die Worte des Papstes in seiner Inaugurationpredigt erklärt, die auf die tausendjährige Tradition der Kirche als Quelle immer neuer Aktualität und Originalität hinweisen. 

Heute gibt es im Ausland eine Tendenz, die versucht "Tradition" auf einen Begriff von Parteinahme zu reduzieren, etwas wofür oder wogegen man sein kann. Das macht keinen Sinn. In dem Augenblick, wo ich auf Tradition als ein Objekt, einen Besitz Zugriff habe ( ob ich ihn zurückweise oder eifersüchtig bewahre,) reduziere ich einen lebendigen Prozess auf eine Sache. Ich weise mir selbst die Aufgabe eines Antiquars zu, der mit der Erteilung oder Ablehnung von Denkmalschutzaufträgen beauftragt ist. Das ist etwas ganz anderes, als ein Betreuer zu sein. Es gibt eine schöne Zeile in der Komplethymne der Kirche. Sie bittet den Schöpfer aller Dinge "ut solita clementia sis præsul ad custodiam“. Das Sorgerecht ist eine Funktion der Beharrlichkeit in der Gnade. Ausüben bedeutet nicht, nicht zurückzubleiben, sondern voranzukommen. Das Wort "Präsul“, das oft mit „Beschützer“ übersetzt wird, bedeutet wörtlich "jemand, der voranspringt oder tanzt“, wie David vor der Bundeslade (2 Sam 6:14ff). Es muss demütige Energie in der Betreuung und dankbare Freude geben. Vorsichtig vor dem, was dahinter liegt, macht es uns fit dafür, voranzugehen.

Es versteht sich von selbst, daß nicht immer alle einig sind, wie man Tradition behandelt. Es gibt Raum für respektvolle, konstruktive Auseinandersetzung. Gab es schon immer. Ein Teil dessen, was die Kirche katholisch macht, ist ihre Fähigkeit, Spannungen auszuhalten, darauf zu warten, daß scheinbare Gegensätze aufgelöst werden – durch Gnade, in Liebe, nicht durch Kompromisse –sondern in Synthese. Wir kämpfen heute mit diesem Aspekt des Katholizismus. Wieso ? Zum Teil, weil das Tempo des Lebens uns zu ungeduldig gemacht hat, um jedem Prozess die Zeit zu geben, die er braucht, um zu funktionieren. Zum Teil, weil wir dem eigentümlichen, sich selbst vergrößernden Wahn des 21.Jahrhunderts verfallen, daß unsere Zeit sich grundlegend von allen anderen Zeiten unterscheidet und deshalb immer nach grundlegenden Veränderungen rufen. Es könnte uns nützen, das Buch Prediger noch einmal zu lesen. Zusammen mit der Erinnerung an ein oder zwei Lektionen aus der Kirchengeschichte. Eine solche wurde uns kürzlich vom liturgischen Kalender angeboten.

Am 13. August hatten wird die Möglichkeit die Erinnerung an die Hl. Pontian und Hippolytus zu feiern. Nicht alle Katholiken werden diese beiden spontan verehren. Das ist ein Jammer. Sie haben uns viel zu lehren. Pontian war von 230 bis 235 Bischof von Rom. Die Stellung der Kirche nach außen war damals brüchig, die kaiserliche Toleranz wechselhaft. Im Inneren war sie durch Uneinigkeit zerrissen, wie mit Origines umzugehen sei. Dieser unvergleichliche Theologe war von zwei Konzilen von Alexandria, deren Edikten Pontian zustimmte, verdammt worden. Da gab es auch diesen Zwist über die Vergebung der Sünden. Gibt es Menschen, die wegen Handlungen, die sie begangen haben, ob moralische Verfehlungen oder Apostasie, unwiderruflich hinausfallen? Die Päpste strebten zunehmend eine Versöhnung zur Kommunion durch Buße an. Diese Politik löste starke Reaktionen aus. 

Einer der Hauptkritiker war der Priester Hippolytus. Philippe Levillains hervorragendes Lexikon der Geschichte der Päpste spricht von ihm als "Traditionalist", Hippolytus war im griechischen Denken des Origines verwurzelt und bewunderte ihn. Hippolytus beklagte das, was er sah als lasche, gedankenlose Haltungen seitens der hierarchischen Kirche bezeichnet. Schrittweise schuf er eine alternative Kommunion. Ob er tatsächlich - wie manchmal behauptet. ein "Gegenpapst" war, bleibt ein umstrittener Punkt, aber er war sicher ein Stachel im Fleisch des legitimen Römischen Bischofs. 

Als im März 235 Maximinus der Thraker den Kaiserthron bestieg, wollte er die Christliche Präsenz in Rom untergraben. Ein passender Weg, das zu tun, dachte er, wäre es, die Kirche ihrer Köpfe zu berauben. Er erkannte zwei: Hippolytus und Pontian. Also ließ er beide verhaften und schickte sie zur Zwangsarbeit in die Bergwerke Sardiniens. Dort versöhnten sich die beiden Kontrahenten. Beide erkannten gegenseitig ihre christliche Ernsthaftigkeit an- trotz ihrer unterschiedlichen Meinungen zu verschiedenen Themen. Pontian, der fühlte, daß er wegen der erlittenen Behandlung nicht lange leben würde, trat von seinem Amt zurück- als erster Papst, der das tat. Er starb im Oktober 235. Hippolytus starb nicht viel später, Innerhalb von einem oder zwei Jahren ließ Papst Fabian ihre Leichen nach Rom zurück bringen. Die Kirche ehrt beide Männer als Märtyrer: wir feiern sie mit roten Gewändern in einem einzigen Fest- als ob das Zeugnis des einen ohne das des anderen unvollständig wäre. Die Kollekte der Hl. Pontian und Hippolytus bringt viel Stoff für Meditation, vielleicht auch zur Selbst-Prüfung:

“Patientia pretiosa iustorum tuæ nobis, Domine, quæsumus, affectum dilectionis accumulet, et in cordibus nostris sacræ fidei semper exerceat firmitatem.”

"Möge die kostbare Geduld [patience- ein Wort in das die Lateinische Wurzel "passio" eingebettet ist] der Gerechten Herr, in uns eine von Herzen kommende Bindung an Deine Liebe anwachsen lassen; und möge sie zu jeder Zeit in unseren Herzen die Festigkeit im Hl. Glauben ausüben." 

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo,  Bischof E. Varden 

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