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Mittwoch, 6. Oktober 2021

Martin Mosebach ruft zum Widerstand auf...Fortsetzung

Fortsetzung von hier und hier

DAS INTERVIEW

LifeSite: Zuerst- wie würden Sie für unsere Leser Ihre Antwort auf Traditionis Custodes und seinen Begleitbrief zusammenfassen? 

Mosebach: Bis jetzt ist das motu proprio Traditionis Custodes (TC) von so vielen wichtigen Stimmen analysiert worden, daß es unnötig ist, noch mal ins Detail zu gehen, Deshlab würde ich gern nur zwei Punkte betonen, die ein Problem darstellen, das ein Kirchenrechtler lösen müßte. Mir fehlen dafür die Kenntnisse des Kirchenrechts.

Zuerst die päpstliche Entscheidung, die wahrscheinlich auf falschen Vorausstezungen basiert. Es gibt ein anhaltendes Gerücht, auf Grunde der Aussage von Leuten, die behaupten, die entscheidenden Papiere von der Umfrage unter den Bischöfen zu ihrer Erfahrung mit dem Alten Ritus gesehen zu haben, die genau zum gegenteiligen Ergebnis gerkommen ist, als das päpstliche Dokument behauptet hat. Weil die Umfrage geheim gehalten wird, kann dieses Gerücht nicht zertreut werden. 

Zweitens- die Fakten, die in TC falsch dargestellt werden: Der von Papst Paul VI promulgierte Ritus ist auf keinen Fall der einzige Ritus in der Katholischen Kirche. Papst Franziskus fordert für sich selbst ein angenommenes Recht. nach dem Papst Pius V angeblich den Römischen Ritus geschaffen hat. Das Problem ist, daß Pius V keinen neuen Ritus geschaffen hat, sondern nur weltweit einen Ritus einführte, der zu der Zeit bereits mehr als 1000 Jahre bestand: den Ritus Gregors des Großen, der der Ritus der Päpste war, der wiederum nicht vo Gregor geschaffen wurde- sondern nur geordnet wurde.

Außerdem beschuldigt Papst Franziskus viele Anhänger des Antiken Ritus, das II. Vaticanum anzugreifen, obwohl das Gegenteil wahr ist: Die große Mehrheit der Anhänger des Antiken Ritus beklagen. daß die Reform der Messe Pauls VI nicht die Richtlinien des II.Vaticanums befolgt, die lange durch eine Vielzahl von Texten bewiesen worden sind.

Außerdem ist es irreführend immer auf das II. Vaticanum hinzuweisen, das nicht den letzten Stand der Lehre darstellt, aber das seither vom Lehramt der Kirche dort lange weiter entwickelt worden ist, wo Klärungen nötig waren. Ich beziehe mich z.B. auf die Instruktion "Dominus Iesus" -in dieser Hinsicht ist das II. Vaticanum bereits historisch.

Außerdem muß eine Liturgie nicht danach beurteilt werden, ob die Anhänger, die sie in der Gegenwart feiern, angenehme politische Überzeugungen haben. Wie wohl bekannt ist, wird das Vater-unser auch sogar von Häretikern gebetet wird und dennoch für Katholiken bindend ist. 

Der Papst behauptet, daß Papst Benedikts motu proprio geschrieben wurde, um die Mitglieder der FSSPX zur vollen Kommunion mit der Kirche zu bringen, aber auch das ist beweisbar falsch. Papst Benedikt hat sein motu proprio deeswegen geschrieben, weil er vom großen spirituellen Wert des Antiken ritus überzeugt war- er nannte ihn einen "vergrabenen Schatz", derans Licht zurück gebrachgt werden müsse; die Versöhnung mit der FSSPX hat in diesem Kontext nur eine untergeordnete Rolle gespielt. 

Das wichtigste Versäumnis von Papst Franziskus besteht jedoch darin, daß er die Lehre seines Vorgängers nicht erwähnt, daß die traditionelle Liturgie nie verboten wurde, weil sie nicht verboten werden kann, was die päpstliche Autorität einschränkt. Diese Lehre ist unabhängig von dem Dokument, in dem sie veröffentlicht wurde, immer noch gültig; Papst Benedikt hat sich in diesem Sinne immer wieder geäußert. 

Erst jetzt wird klar, daß die vielleicht historisch bedeutsamste Initiative seines Pontifikats die behutsame Überarbeitung eine der Tradition widersprechenden Papolatrie war, die nach dem Ersten Vatikanischen Konzil entstanden war.

Das wichtigste Wort, das ein Papst aussprechen kann, ist "non possumus", die Bezeichnung der unüberwindlichen Grenzen, die das päpstliche Amt traditionell erhalten hat.

Persönlich bedaure ich den Ton des motu proprio TC. Ein Papst muß kein Gentleman sein, aber es ist traurig, wenn Spott über Untergebene ihren Weg in Gesetzestexte der Kirche findet. Ein Dekret, das einen Angriff auf die Tradition enthält. traditionis Custodes zu nennen, hat etwas von Schadenfreude, die mit seinem hohen Amt unvereinbar ist. 

Life Site: Im Licht von Traditionis Custodes haben mehrer Bischöfe Schritte unternommen, um die Präsenz der Traditionellen Messe in  ihrer Diözese zu reduzieren. Am prominentesten ist die Erzdiözese von Guadalajara, die ein  Dekret formuliert hat, das eine Quasi-Gemeinde der FSPP unterdrückt und von  ihren Priestern verlangt, ein Dokument zu unterschreiben, das die Liturgie des Novus Ordo als "einzige" Form des Römischen Ritus ist und erklärt, daß sie willens sind, die Novus Ordo Messe zu feiern. Bisher kann die FSSP noch mit ihrem regulären Messe -Schema fortfahren, aber das wird am Ende der Covid-Krise von der Erzdiözese überdacht werden. Dieses Dekret ist ein schwerer Schlag gegen ihr Apostolat.

Wie ist Ihre Antwort auf so ein Dekret? Sollten die FSSP-Priester die Abschaffung einer blühenden und wachsenden Quasi-Gemeinde akzeptieren oder sollten sie alternativeWege finden, diesen Gläubigen zu dienen?

Mosebach:  Ich weiß nicht, was die Oberen der FSSP entscheiden werden. Aber eine Sache ist klar: junge Männer, die den äußerst unbequemen Weg zum Priestertum gehen wollten, die -wergen ihrer Berufung- von  Anfang an von allen kirchlichen Karrieren ausgeschlossen sind, die nur an wenigen Orten in der Diözese arbeiten dürfen und unter dem Generalverdacht der Gesellschaft stehen, rückwärtsgewandt und Obskurantisten zu sein, aber trotzdem dem Alten Ritus treu bleiben wollen, wird man nicht mit einem rechtlich-positivistischen Bann, der auf falschen Voraussetzungen beruht, davon abhalten können, das zu tun. 

Ich kenne die Situation in Guadalajara nicht, aber es scheint mir, daß der Erzbischof dort, die Notbremse geschaffen hat, weil er keine neuen Entscheidungen treffen will, bis nach dem Ende der Covid-Krise - aber das wird in Mexiko einige Zeit dauern...


LifeSite: Sollte ein traditioneller Katholischer Priester Ihrer Meinung nach irgendein Dokument unterschreiben, das die Messe aller Zeiten als nicht-existent erklärt und die Liturgie des Novus Ordo als den "Einzhigen" Ausdruck des Römischen Ritus?

MosebachIch weiß nicht, was ein Moraltheologe dazu sagen würde; nach meinem Gefühl begeht jemand keine Lüge, wenn er eine offenkundig unsinnige Behauptung unter Zwang bestätigt, etwa, daß eine Kuh drei Hörner habe oder daß die Messe Pauls VI der einzige römische Ritus sei. Nur ist zu befürchten, daß es Bischöfe gibt, für die eine solche Unterschrift keine lästige Formsache ist und die nach Unterzeichnung sofort fragen werden: "Und wieso wollen Sie eine Liturgie feiern, die es nach Ihrer eigenen Auffassung nicht gibt?“ Schlauheit wird hier nur in den Fällen weiterhelfen, wo mit dem Bischof ein augenzwinkerndes Einverständnis besteht. Das mag es aber in manchen Fällen geben.

LifeSite: Glauben Sie, daß ein Priester, der im traditionellen römischen Ritus geweiht wurde und ausschließlich die traditionelle Messe zelebriert hat, akzeptieren sollte, zeitweise die Novus-Ordo-Messe anzubieten?


Martin Mosebach: Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Ich kenne vorzügliche Priester, die immer schon den alten und den neuen Ritus nebeneinander zelebrieren. Sie erfüllen eine wichtige apostolische Aufgabe, denn sie bringen Leute in Verbindung mit dem alten Ritus, die ihn sonst niemals kennengelernt hätten. Diese Priester machen es sich nicht leicht: Je länger sie den alten neben dem neuen zelebrieren, desto mehr leiden sie oft unter der Verstümmelung des neuen, die ihnen immer mehr bewußt wird. Für die Priester, die von Anfang an ausschließlich im alten Ritus zelebriert haben, ist ein Wechsel zwischen den Riten allerdings unzumutbar. Hier entsteht freilich ein Problem: Solange man grundsätzlich daran festhält –was die meisten Anhänger der Tradition gegenwärtig immer noch tun –, daß der Ortsbischof ein wirklicher Bischof der Kirche ist und daß die Reformmessen gültige Meßfeiern sind, wird man als Kleriker die Teilnahme an der Crisammesse des Bischofs am Gründonnerstag kaum verweigern können. Robert Spaemann meinte, zur Bekundung der Einheit mit dem Bischof genüge es aber, bei dieser Messe zur Kommunion zu gehen. Das leuchtet mir ein. Wer wirklich Anlaß hat zu glauben, daß der Bischof nicht mehr gültig konsekriert, der darf natürlich nicht kommunizieren, aber soweit gehen nicht einmal die Piusbrüder.


LifeSite: Ist diese diözesane Forderung nicht ein Weg, diese traditionellen Priester darauf vorzubereiten, die traditionelle Liturgie bald ganz aufzugeben?


Martin Mosebach: Solange es bei der Kommunion in der Ölweihmesse bleibt, würde ich das nicht sagen. Anders, wenn der Bischof von einem Traditions-Priester verlangen würde, gelegentlich oder regelmäßig auch im Novus Ordo "auszuhelfen“. Papst Franziskus verfolgt zweifellos solche Strategien. Man muß sehen, wie viele Bischöfe ihm da folgen werden. Vergessen wir nicht: Auch Summorum Pontificum ist an vielen Orten nicht umgesetzt worden! Generell ist es ein schwerer Angriff auf die spirituelle Integrität eines Menschen, wenn man ihn zwingt, zwischen den Riten hin und her zu pendeln. Für Leute, die gar nicht wissen, was ein Ritus ist – im Westen die Mehrheit der Kirchenmitglieder –, ist das aber ein völlig unverständlicher Standpunkt.


LifeSite: Ein ähnlicher Vorgang scheint sich in Le Havre, Frankreich, abzuspielen, wo ein Dekret durchgesickert ist, demzufolge der dortige Bischof entschieden hat, daß die FSSP keine Taufen und Trauungen mehr im traditionellen Ritus vornehmen darf. Dies wäre, sollte es schließlich verkündet werden, auch ein schwerer Schlag für das FSSP-Apostolat in Frankreich.

Haben Sie einen Kommentar zu dieser Diözesanentscheidung? Sollten traditionelle Katholiken akzeptieren, daß ihnen verwehrt wird, ihre Kinder nach dem traditionellen Ritus taufen zu lassen? Sollten traditionelle katholische Priester das Verbot dieser Sakramente akzeptieren?


Martin Mosebach: Auch den Le-Havre-Fall kenne ich nicht genügend. Auffällig ist hier aber die Pointe, daß der Piusbruderschaft Taufen und Eheschließungen im alten Ritus erlaubt sind, dasselbe den Petrusbrüdern aber verboten wird, obwohl sie einen opferreichen Weg beschritten haben, um in Einheit mit dem Papst zu bleiben. Das Schlimme ist freilich, daß die Folge dieses Dekrets – die Anhänger des alten Ritus lassen eben bei der Piusbruderschaft taufen und trauen – vom Papst ausdrücklich erwünscht ist. Weg mit solchen Leuten, bloß niemanden, der mit der Alten Kirche verbunden ist, festhalten. Die sind nur ein Hindernis bei der Umsetzung der innerkirchlichen Revolution! Ich würde übrigens jedem raten, seine Kinder unbedingt im alten Ritus taufen zu lassen. Der neue Taufritus ist hoch defizitär!


LifeSite:  Was sollte die Petrusbruderschaft tun? Sollten sie dem Beispiel von Erzbischof Marcel Lefebvre folgen und sich ungerechten Anordnungen widersetzen, die die Praxis des traditionellen katholischen Glaubens, wie er uns überliefert wurde, verletzen?


Martin Mosebach: Sie sollten das auf gar keinen Fall akzeptieren! Es ist Unrecht, was uns geschieht, und wir müssen das nicht hinnehmen. Das Kirchenrecht kennt in den essentiellen Fragen keinen Positivismus, kein "Hoc volo, sic iubeo!“ Nur, wer sich gegen Traditionis custodes wehrt, der muß damit rechnen, daß der Gemeinde die Kirche weggenommen wird und daß die Priester suspendiert werden. Damit wird eine Aufbauarbeit von Jahren gefährdet. Es mag auch vorkommen, daß manche Gemeindemitglieder, für die der Drohgestus des Papstes noch von geistlicher Bedeutung ist, sich nicht mehr in eine "verbotene“ Messe wagen. Wer Widerstand leisten will, der muß bereit sein, dafür einen Preis zu zahlen. Allzu hoch wird er meiner Einschätzung nach nicht sein: Der linke Flügel der Kirche befolgt schon lange keine Anweisungen aus Rom mehr, ohne auch nur die kleinste Sanktion befürchten zu müssen. Das gilt zwar nicht für die Tradition, aber die Waffen sind stumpf geworden.Wer nimmt das Kirchenstrafrecht denn noch ernst?
Die Petrusbruderschaft muß jetzt eine bittere Lektion lernen. Sie glaubte, durch Abspaltung von der Piusbruderschaft und Unterwerfung unter das Reformdiktat mit Sicherheit und Anerkennung belohnt zu werden. Jetzt dürfte es für einige Petrusbrüder, vornehmlich deutsche, Zeit sein, Erzbischof Lefebvre Abbitte zu leisten. Die Feindschaft der gegenwärtig in der Kirche herrschenden Kreise gegen die Tradition ist bedingungslos. Dort wird man erst ruhen, wenn die Tradition restlos vernichtet ist. Papst Franziskus hat neulich offenbar gesagt: "Die Tradition tötet uns“. Er weiß gar nicht, wie recht er hat: Ja, die Tradition wird früher oder später über ihn zu Gericht sitzen, weil sie die Essenz der Kirche ist, weil sie auch die Basis des Papsttums ist, das ohne Tradition gar nicht existiert.


LifeSite: Die Situation einer traditionellen katholischen Gemeinschaft von Karmeliten in den Vereinigten Staaten befindet sich derzeit in einer sehr schmerzhaften Situation, nachdem Rom eine Apostolische Visitation geschickt hat. Es scheint, als wolle man gegen diesen Orden vorgehen, der Häuser in Fairfield (Pennsylvania) und in Valparaiso (Nebraska), dem Mutterhaus, und anderswo hat.
Die Visitation findet unter der Schirmherrschaft von Kardinal João Braz de Aviz statt, der hinter der Zerstörung des Werks der Franziskanerinnen der Unbefleckten Empfängnid stand. Sollten die Nonnen einen Befehl aus Rom akzeptieren, entweder ihr Kloster aufzulösen oder ihre Lebensweise zu ändern, indem sie sich an modernere Methoden anpassen und die traditionellen karmelitischen aufgeben?


Martin Mosebach: Nach meiner Überzeugung besitzen diese Nonnen das volle moralische Recht, den Visitatoren die Tür zu weisen und die darauf zu erwartenden römischen Korrespondenzen ungeöffnet zurückzuschicken. Sie sollten nur auf eines achten: ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen, damit es bei einer möglichen römischen Auflösung des Ordens, Suspendierung der Oberin etc. nicht eingezogen werden kann. Dann muß man ein paar Jahre in einer legitimen Illegalität durchhalten, aber mit Gewißheit nicht solange, wie die Piusbruderschaft durchgehalten hat.


LifeSite: Diese verschiedenen Beispiele bergoglianischer Versuche, die Tradition zu unterdrücken, passen zu den jüngsten Worten von Papst Franziskus, wonach der Versuch, "die Vergangenheit wiederherzustellen“, "alle töten wird“. Er nennt jetzt sogar die Arbeit von EWTN "das Werk des Teufels“. Wie würden Sie die Worte von Papst Franziskus interpretieren, was ist sein Ziel?


Martin Mosebach: Was mir an Papst Franz noch am besten gefällt, ist, daß er gelegentlich den Teufel erwähnt. Aber daß er ihn für alles verantwortlich macht, was ihm nicht paßt, das sollte der Teufel sich verbitten. Daß die Kritik an ihm so ungnädig ausfällt, verursacht er selbst: Zum einen fordert er immerfort zum Dialog auf und zugleich verweigert er entschieden jeden Dialog – man denke nur an die Behandlung der Dubia. Auf diese Weise kann er die intellektuelle Auseinandersetzung schwerlich beeinflussen.


LifeSite: Hat Papst Franziskus recht, wenn er sagt, daß in den Gemeinschaften der traditionellen lateinischen Messe Menschen zusammenkommen, die dem Zweiten Vatikanischen Konzil kritisch gegenüberstehen?


Martin Mosebach: Die Dokumente des II. Vaticanum sind in der Realität kaum mehr von besonderer Bedeutung, die davon geschiedene nachkonziliäre Entwicklung allerdings in höchstem Maße. Wer in die alte Messe geht, der ist über diese nachkonziliäre Entwicklung todunglücklich. Der sieht mit Trauer und Verzweiflung, wie das "Haus voll Glorie“ eine verwahrloste Hütte im Weinberg geworden ist. Der ist mit der nachkonziliären Entwicklung nicht einverstanden, und der weigert sich, sie sich gegen die Evidenz schönzuschwätzen. Sollte der Papst das meinen, dann sieht er das richtig.


LifeSite: Sollten wir diese Tatsache verheimlichen, um Papst Franziskus nicht noch mehr Anlaß zu geben, uns zu unterdrücken, oder sollten wir aufrecht für die Wahrheit unseres Glaubens einstehen und Widerstand leisten im Vertrauen darauf, daß Gott uns helfen wird?


Martin Mosebach: Wer ist "wir“? Ich lebe seit ungefähr 1980 in einem kleinen Kreis von Menschen, der nie etwas anderes getan hat, als sich zur Tradition zu bekennen, die längste Zeit davon ohne die geringste Hoffnung gehört zu werden, von irgendwelchen "Dialogangeboten“ganz zu schweigen. Priester müssen manchmal vorsichtiger sein, vor allem wenn sie Verantwortung übernommen haben. Ein Priester, der voll Bekennermut seinen Standpunkt behauptet, daraufhin weggeschickt wird, dem die Kirche genommen und dessen Wirkungsmöglichkeiten abgeschnitten werden, der mag abwägen, wie lange er schweigen kann und wann das sinnlos geworden ist. In den Verfolgungen der Katholiken unter Elisabeth I. von England entwickelten die Jesuiten ein Modell, das sie "equivocation“ nannten: Die Wahrheit verschweigen, ohne zu lügen. Den Tod am Galgen hat ihnen diese Technik meistens doch nicht erspart. Es kommt ein Punkt, an dem man sich nicht mehr geschickt herauswinden kann, sondern um das Bekenntnis der nackten Wahrheit nicht herumkommt. Wer als Oberer Verantwortung für Seminaristen, Schüler, Ordensangehörige übernommen hat, mag oft vor der schwierigen Überlegung stehen, wieviel von seinem Apostolat auf dem Spiel steht, wenn er den progressistischen Inquisitoren klar und deutlich sagt, was er von ihrem Kirchenmodell hält. Ich würde dann eine scheinbare Nachgiebigkeit nicht verurteilen wollen, nur darauf hinweisen, daß sie den Modernisten niemals genügen wird. Generell meine ich, daß man keine Angst haben sollte: Die Amtskirche ist zutiefst geschwächt. Die Härte, zu der sie unter Paul VI. noch fähig war, die steht ihr nicht mehr zu Gebote. Wer wirtschaftlich nicht von ihr abhängig ist, der ist von ihren Strafen und Zwangsmaßnahmen nicht mehr erreichbar, wenn man den Mut besitzt, eine Suspendierung nicht zu fürchten und bereit ist, sich einfach darüber hinwegzusetzen. Traditionis Custodes ist Unrecht, dem muß man sich nicht beugen.


LifeSite: Was ist Ihre Vorhersage für die nahe Zukunft? Wird es mehr und mehr von dieser Unterdrückung und diesen Angriffen auf traditionelle katholische Gemeinschaften geben?


Martin Mosebach: Niemand kann gegenwärtig sagen, was geschehen wird. Wird die Ordenskongregation zu Zwangsmaßnahmen gegen die Traditionsorden schreiten? Werden die Traditionsinstitute und Klöster sich beugen oder nach dem Vorbild von Erzbischof Lefebvre den offenen Dissens wagen? Man vergesse nicht: Der "Ungehorsam“ war für den Erzbischof ein viel größeres Wagnis, als er es heute ist, wo die Autorität der Hierarchen durch ihr eigenes Verschulden delegitimiert und zusammengebrochen ist. Er hingegen ist de facto rehabilitiert worden. Mir scheint für die Zukunft wichtig, daß alle, die in der Tradition Verantwortung tragen, sich ohne Scheuklappen darüber klar werden, was sie bereit sind, im äußersten Fall des Konfliktes zu tun. Man darf jetzt nicht angstvoll warten, sondern muß wissen, was im äußersten Fall zu tun ist. Dieser äußerste Fall, der Versuch einer rabiaten und radikalen Ausrottung der Tradition nach den Phantasien, wie sie in gewissen Zellen von Sant’Anselmo reifen, muß vielleicht nicht eintreten und wird es vielleicht auch nicht, weil es doch zu viele Bischöfe gibt, denen dabei unwohl wäre. Man folge aber der alten Devise: "Si vis pacem, para bellum“, wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor.


LifeSite: Wie gehen wir Katholiken, die sich der neuen ökologischen, ökumenischen, LGBT-Kirche von Papst Franziskus nicht anschließen wollen, mit der Frage des Gehorsams um? Werden wir akzeptieren müssen, eine Zeit lang als Ausgestoßene, "Schismatiker“, "ungehorsame Katholiken“ zu leben, um der Wahrheit willen?


Martin Mosebach: Gehorsam ist eine der obersten Tugenden des Christentums. Auch dem schlechten Herrn sei zu gehorchen, „"Denn das ist Gnade“. Christus brachte sich zum Opfer, "dem Willen des Vaters gehorsam“. So ist die Eucharistie in ihrem Kern mit dem Gehorsam verbunden. Man versteht das Unbehagen, wenn gerade das Meßopfer nun mit einem Akt des Ungehorsams gegen den Papst einhergehen soll. Man wird in dieser Hinsicht nicht zu generellen Lösungen gelangen. Ich kenne eine Nonnenabtei, in der man vom überlegenen Wert des alten Ritus überzeugt ist, diese Überzeugung aber unter großem Leiden der Einheit der Kongregation zum Opfer bringt und dafür betet, daß eines Tages die ganze Kongregation zum alten Ritus übergeht. Natürlich empfinde ich für diese Haltung Hochachtung. Es wäre für mich allerdings ausgeschlossen, sie zu übernehmen. Die heillose Lage der nachkonziliären Kirche besteht eben darin, daß ihre höchsten Werte – der Gehorsam – dazu benutzt wurden, sie auszuhöhlen und ihren Niedergang zu befördern. Wir befinden uns in einer im System der Kirche sozusagen nicht vorgesehenen Notsituation, in welcher sie ihre Kräfte nicht mehr zu einer wirklichen Reform einsetzen kann, sondern mit jeder Maßnahme immer nur noch tiefer in den Abgrund rutscht. Als Papst Benedikt die Exkommunikation der Pius-Bischöfe aufhob, hat er diese Notlage im Grunde anerkannt und die Gegenwehr vom Odium des Ungehorsams befreit. Wer in der Erkenntnis des Schatzes, den die alte Messe darstellt, zum Beispiel Kinder zu erziehen hat und ihnen die Teilhabe an diesem Schatz verweigert, weil der Papst in Überdehnung seiner Befugnisse das so will, der müßte fortwährend gegen sein Gewissen handeln. Ja, wir wissen: Ein katholisches Gewissen ist nur bedingt die letzte Instanz, aber in einem derart krassen Fall von Willkür, wie ihn Traditionis Custodes darstellt, zeigt sich eben doch, daß katholischer Gehorsam kein Kadavergehorsam ist, sondern mit dem Gebrauch der Vernunft einhergehen darf. Zu den Usancen der Jesuiten gehörte immer auch, den Gehorsam der Ordensmitglieder durch allerlei Schikanen zu erproben, aber solche fragwürdigen Führungsmethoden sind für die Gesamtkirche wohl nicht verbindlich.


LifeSite: Und schließlich, wie sollen wir ohne die richtige Autorität leben, wenn wir aufgrund unserer Treue zu Christus ausgeschlossen werden? Sollten wir einfach auf Gottes Vorsehung vertrauen?


Martin Mosebach: Auf Gottes Vorsehung, noch wichtiger: auf Gottes Gegenwart zu vertrauen ist immer angezeigt, auch in glücklichen Stunden. Ohne Autorität aber müssen wir keinesfalls leben. Im Gegenteil: Wir sind umgeben von den Zeugnissen der kirchlichen Autorität. Schon wenn wir eine der alten Kathedralen betreten, wenn wir die Kunstwerke des Mittelalters betrachten, wenn wir den Gregorianischen Choral und die Polyphonie des Palestrina hören, empfangen wir Äußerungen der Autorität. Wir besitzen nicht nur die heilige Schrift, sondern eine „Wolke von Zeugen“, die Martyrer und Kirchenväter, nennen wir aus der jüngeren Zeit nur Cardinal Newman und Joseph Pieper. Das sind die Maßstäbe, denen jede Neuerung in der Kirche standhalten muß. Sein Höchstmaß an Autorität kann jeder Papst nur entfalten, solange er sich nicht in einen Gegensatz zu diesen beredten und stummen Zeugen der Tradition setzt. Man könnte nach 2000 Jahren Kirchengeschichte sagen: Die Autorität ist auch ohne Papst da. Vielleicht ist es diese Befürchtung, die den gegenwärtig regierenden im geheimen zur Empörung treibt."


Quelle M. Hickson, LifeSiteNews, M.Mosebach

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