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Freitag, 11. März 2022

Sind die Baltischen Staaten Putins nächstes Ziel?

Roberto de Mattei hat einen Beitrag über mögliche über die Ukraine hinausgehende Kriegsziele Putins und die Geschichte der Baltischen Staaten, die diese Ziele sein könnten, verfaßt und bei Rorate Caeli veröffentlicht.  
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"DIE NÄCHSTEN ZIELE IN PUTINS KRIEG: DIE WURZELN DES CHRISTLCHEN EUROPAS UND DIE DROHUNG GEGEN DIE BALTISCHEN LÄNDER" 

Beinhaltet Vladimir Putins Pläne eine Operation, die die drei Baltischen Republiken (Litauen, Lettland, Estland) von der Europäischen Union trennt? 

Das könnte passieren, wenn Rußland der Suwalki-Korridor, einen 90 km Landstreifen, der Polen mit Litauen verbindet und Weißrußland von Kaliningrad, der Basis der Russischen Ostseeflotte, trennt, besetzen würde. Wenn ein ausgeweiteter Ukraine-Konflikt Rußland in der Kaliningrad-Enklave Rußland mit Weißrußland verbinden sollte, wären die Baltischen Länder von jeder möglichen Hilfe durch NATO-Landstreitkräfte isoliert. Das wäre nicht nur eine Sache einer militärischen Isolation allein sondern auch der Versuch, diese Völker zu "enteuropäisieren", für die die politischen Grenzen der Europäischen Union wie die der NATO eine Verteidigungsbarriere gegen Rußland, ihren uralten Feind, sind.

Im Golf von Riga spiegeln sich Lettland und Estland. Die Sprache der Letten -wie die der Litauer ist Indoeuropäisch, während die der Esten zum Finnisch-Ugrischen Zweig gehört. Aber abgesehen von ethischen und linguistischen Differenzen ist die historische Verbindung zwischen diesen beiden Ländern enger als die zu Litauen. Letzteres ist ein großes Land, während Lettland und Estland, die ihre nationalen Eigenschaften behielten, bis ins zwanzigste Jahrhundert fremden Mächten unterworfen waren. Tallin und Riga, die beiden Hauptstädte, gehörten der Hanse an, dem Städtebund, der zwischen dem Spätmittelalter und dem Beginn der Neuzeit das Handelsmonopol für große Teile Nordeuropas besaß. In den Altstädten Rigas und Tallins atmet man die mittelalterliche Atmosphäre früherer germanischer Städte. So stellen wir uns Lübeck und Danzig vor ihrer Zerstörung im Krieg vor. 


Lettland und Estland gehörten im Mittelalter zu "Livonia" einem Land, das von den Ufern der Daugava, von der westlichen Dvina´bis zur Bucht von Riga reichte. Es waren die "Baltischen Kreuzzüge" -die zu Beginn des 13. Jahrhunderts organisiert wurden, die zum Eintreten dieser Völker in die Geschichte des Westens führten. Die Deutschen, die von Karl dem Großen gewaltsam unterworfen worden waren, griffen ihrerseits zu den Waffen und unterwarfen die Baltischen und Slawischen Völker. Riga wurde 1201 von Albert von Buxtehude gegründet, der es zur Basis des religiösen Ritterordens, Brüder vom Schwert, machte, der später in den Deutschritterorden eingefügt wurde. Tallin wurde 1219 vom Dänischen König Valdemar II und dem Erzbischof von Lund Anders Sunesen gegründet. Auch Tallin wurde durch starke Mauern und Wachttürme befestigt und war Heimat der Baltischen Kreuzritter. Der erste Bischof von Livonia war der deutsche Mönch der Hl. Meinhard (1134-1196), dessen Verehrung vom Hl. Johannes Paul II bei seiner Reise in das Land 1993 wieder eingeführt wurde. 

Die Hanse-Städte waren Teil des Heiligen Römischen Reiches und der Deutsche Orden war ihr "Protektor". Seit 1466 hatte der seinen Sitz in der Stadt Königsberg, das 1946 in Kaliningrad umbenannt wurde. Die Welle des Protestantismus hatte sich im 16. Jahrhundert von Deutschland ausgebreitet und erreichte auch bald die Baltischen Länder. Gotthard Kettler, Oberhaupt des Livonia-Ordens, der dem Deutsch-Orden folgte, konvertierte zum Luthertum und wurde Herzog von Kurland. In den folgenden Jahrhunderten kämpften Polen, Dänemark und Schweden um das Dominium Maris Baltici, das jedoch in der Einfluß-Sphäre Rußlands endete. Die Erben der Deutschen Ritter, die "Baltischen Barone", Besitzer eines großen Teils des Territorium bildeten eine Art deutsche "Enklave" im gewaltigen Russischen Reich. Die baltischen Stützpunkte - verstreut zwischen Wäldern und dunklen und buntglitzernden Seen- wachten einst über die Grenzen des Christentums.

Der Erste Weltkrieg brach aus und der am 3. März 1918 zwischen Russland und den Mittelmächten unterzeichnete Vertrag von Brest-Litowsk leitete den Befreiungsprozess der baltischen Länder ein. Bevor ihre Unabhängigkeit durch den Vertrag von Versailles offiziell anerkannt wurde, kam es in diesen Gebieten zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen den Russen der Roten Armee und denen der Weißen Armee, den lettischen und estnischen Nationalisten und den von den baltischen Baronen angeworbenen Milizen.

Wenn der Vertrag von Brest-Litowsk 1917 die Unabhängigkeit der baltischen Länder sanktioniert hatte, löschte sie der Molotow-Ribbentrop-Pakt vom 23. August 1939 aus der Geschichte. Estland, Lettland und Litauen wurden von den Sowjets besetzt und wurden zum Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen der Wehrmacht und der Roten Armee. Stalin befahl die Deportation von Politikern, Beamten, Priestern, aber auch von allen, die nur Eigentum hatten, nach Sibirien. Unter ihnen war der Jesuiten-Erzbischof Eduard Profittlich (1890-1942), der 1931 von Pius XI. zum Apostolischen Administrator Estlands ernannt wurde, der erste katholische Bischof, der seit dem Mittelalter in Estland diente. Er wurde zum Erschießungstod verurteilt und starb am 22. Februar 1942 im Gulag von Kirow, bevor das Urteil vollstreckt werden konnte. Sein Seligsprechungsverfahren wurde eingeleitet.

Damals wurde der erste Widerstand gegen die Eindringlinge organisiert. Die lettischen und estnischen Partisanen, die den Namen Wald-Brüder annahmen, und die litauische Befreiungsarmee waren nach 1945 die Protagonisten eines epischen bewaffneten Widerstands gegen die sowjetischen Invasoren. Gegen die antikommunistischen Guerillas setzten die Sowjets ganze Einheiten der Roten Armee, der Miliz und der NKWD-Geheimpolizei ein. Der Widerstand setzte sich nach Kriegsende fort. In den Anfangsjahren versuchten die Amerikaner, den bewaffneten Kampf durch Fallschirmspringer und Freiwillige zu unterstützen, aber die sowjetische Infiltration der CIA führte bald zum Entzug ihrer Unterstützung. Die blutige Niederschlagung des Ungarnaufstands 1956 markierte das Ende der letzten Hoffnung auf Hilfe aus dem Westen.Tausende Partisanen starben in dem, was die längsten Geschichte des Guerillakriegs im Baltikum war, an den  vor allem die Historiker Heinrich Strods in Lettland (Latvian National Partisan War 1944-1956, Latvijas, Riga 2003) und Mart Laar in Estland (War in the Woods: Estonia’s Struggle for Survival, 1944-1956, Whalesback Books, Washington, DC 1992) und in Italien  Alberto Rosselli (La resistenza antisovietica e anticomunista in Europa orientale, 1944-1956, Settimo Sigillo, Rom 2004) erinnert haben. 

Im Dezember 1990 hatten die von Plinio Corrêa de Oliveira (1908-1995) geleiteten Vereinigungen für Tradition, Familie und Eigentum 5.212.580 Unterschriften zur Verteidigung der Unabhängigkeit und Freiheit Litauens in das von Gorbatschow bedrohte Vilnius gebracht. Am 2. Januar 1991 befahl der Kremlchef seinen Panzern, in Litauen einzumarschieren. Die Regierung verschanzte sich im Parlament, beschützt von Massen junger Menschen mit Rosenkränzen in der Hand, die Hymnen zu Unserer Lieben Frau sangen. Neun von ihnen starben heldenhaft, aber der russische Präsident musste klein beigeben. Das Beispiel verbreitete sich wie ein Lauffeuer und die Sowjetrepubliken, beginnend mit den baltischen, lösten sich von Moskau was den Beginn des endgültigen Zusammenbruchs der UdSSR markierte.

Seit April 2004 wird der Luftraum des Baltikums auf Wunsch jener Völker, die eine tragische historische Erinnerung haben, unter die Kontrolle von NATO-Flugzeugen gestellt. Bei einem Treffen in Riga mit den Führern der drei baltischen Republiken am 9. Mai 2005 sagte der amerikanische Präsident George W. Bush, daß die sowjetische Besetzung Osteuropas nach dem Zweiten Weltkrieg als "einer der größten Fehler der Geschichte“ in Erinnerung bleiben werde, und fügte hinzu, daß ein Großteil der Verantwortung dafür den Vereinigten Staaten zugeschrieben werden muss. Tatsächlich stünde die Konferenz von Jalta von 1945, so der amerikanische Präsident, in der ungerechten Tradition des Münchener Abkommens und des Molotow-Ribbentrop-Paktes.

Heute blicken das ukrainische Volk, aber auch die Bewohner der von Wladimir Putin bedrohten baltischen Republiken mit Besorgnis auf die dramatische Entwicklung des Krieges, der im Herzen Europas begonnen hat. Aus der verheerend schönen Musik des Esten Arvo Pärt, einem der größten zeitgenössischen Komponisten, scheinaus den Tiefen des Mittelalters der Schrei der Liebe nach neuen Formen dieser Länder für die alten Wurzeln des Christlichen Westens dieser Länder zu entspringen. 

Roberto de Mattei

Quelle: R.d. Mattei, Rorate Caeli

 

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