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Montag, 2. Mai 2022

Fr. Hunwicke spricht

bei liturgicalnotes heute über Nationen, Nationalitäten und Grenzen.  
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                                                  "NATIONALITÄT"

"Während ich das schreibe, sind die Fernsehjournalisten eifrig dabei, freundliche alte
Damen und Herren in Mitteleuropa aufzutun, die Brüder und Schwestern auf der
anderen Seite der Grenze haben, die die Ukraine von Russland oder Weißrussland
trennt. Die freundlichen Alten können nicht verstehen, warum ihre Geschwister den
gegenwärtigen Krieg nicht ebenso verstehen wie sie. Und offenbar sehen sie selbst
die Dinge ja auch nicht so wie ihre ihnen fremd gewordenen Geschwister.

Am Nordufer des Gardasees verlief bis nach dem 1. Weltkrieg eine Landesgrenze.
Im Norden lag eine Süd-Tirol genannte Provinz von im wesentlichen deutscher
Sprache und Kultur, die Teil des Österreichischen Kaiserreiches war. Als Belohnung
dafür, daß es sich im Krieg für die richtige Seite entschieden hatte, wurde der ganze
Klumpatsch mit Man und Maus an Italien übertragen. Es ist immer noch Teil Italiens,
obwohl es nach wie vor deutschsprachige Zeitungen gibt.
Josef Mayr-Nusser wurde 1910 als Bürger Österreichs in Südtirol geboren. 1939
entschied er sich dagegen, die Möglichkeit zur Ausreise nach Deutschland zu
nutzen.
Nach dem Zusammenbruch des italienischen Faschismus besetzten die Deutschen
Südtirol. Josef, nun italienischer Staatsbürger, aber als ethnischer Deutscher
eingestuft, wurde in die Waffen-SS einberufen. Aber als frommer katholischer Christ
weigerte er sich, den Treueeid auf den Führer und Reichskanzler des Deutschen
Reiches abzulegen. Daraufhin wurde er zum Tode verurteilt und in einem
Viehwaggon auf die Reise nach Dachau geschickt. Beschädigte Bahngleise bei
Erlangen bedeuteten für seinen Zug das Ende der Reise. Dort ist er am 24. Februar
1945 an Lungenentzündung und Entkräftung gestorben.
Er wurde am 18. März 2017 selig gesprochen, sein liturgisches Gedenken ist am 3.
Oktober.

Es gab an der „Europäischen Gemeinschaft“ viel zu kritisieren; für mich erreichte sie
ihren Tiefpunkt mit dem Brüsseler Verfassungsentwurf, der das klassische Altertum
und die Aufklärung im höchsten Ton lobte und die gemeinsamen christlichen Jahrhunderte
dazwischen auch nicht mit einem Wort erwähnte.
Aber es gibt in der EU auch eine wohltätige und gnadenreiche Erscheinung, sehr
wohltätig und nachgerade von göttlicher Art.
Die Grenzen zwischen den Völkern begannen allmählich einzuschmelzen, jene
Grenzen die so tief mit dem Leidensweg und Martyrium des seligen Josef verbunden
waren.
Eine Romanfigur von Evelyn Waugh bemerkte einmal: „Ich bin Kroate, geboren unter
der Habsburgischen Krone. Als junger Mann studierte ich in Zagreb, Budapest, Prag
und Wien – man war frei, man konnte hingehen, wo man wollte, man war Bürger
Europas. Dann wurden wir befreit und kamen unter die Herrschaft der Serben. Jetzt
werden wir wieder befreit und kommen unter die Herrschaft der Russen. Und
jedesmal mehr Polizei, mehr Gefängnisse und mehr Hinrichtungen“.
Wenn ich höre, wie Politiker den Nationalismus preisen, die Britischen Werte und all
diesen Kram, frage ich mich immer: „Cui  bono?" 

Quelle: liturgicalnotes, Fr. J. Hunwicke, Übersetzung M.Charlier

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