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Montag, 13. Juni 2022

Die Kurien-Reform: vollendet oder unvollendet?

In seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican stellt sich A. Gagliarducci die Frage, ob Papst Franziskus seine Reform vollendet hat. 
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"HAT PAPST FRANZISKUS SEINE REFORMEN VOLLENDET?"  '

Mit dem Inkrafttreten der neuen Apostolischen Konstitution wurde erwartet, daß Papst Franziskus alle neuen Abteilungsleiter ernennt. Das war eine förmliche Notwendigkeit: de facto gab es keines der frühere Dikasterien mehr, es gab eine neue Konstitution und deshalb mußten alle neu ernannt werden, sowohl die, die an deren Spitze der neuen Abteilungen bleiben, als auch die, die sie übernehmen würden. 

Vor dem 5. Juni gab es keine Ernennungen und am 6. Juni , als alle sie erwarteten, wurden keine gemacht. Inzwischen kam es zu einem bißchen Verwirrung. 

In den Protokollen der Audienz wurde Erzbischof Arthur Roche als Präfekt für das Liturgie-Dicasterium und die Sakramenten-Disziplin genannt. Kurz gesagt, eine Bestätigung seiner Stellung mit einer einfachen Änderung des Titels. Auch Kardinal Marc Ouellet wurde im Audienz-Protokoll vom 11. Juni als Präfekt der Bischofs-Kongregation beschrieben. Wurde er also bestätigt oder war das nur eine Unaufmerksamkeit? 

Kardinal Luis Antonio Tagle, der sich am 9. Juni mit dem Papst traf, wurde dagegen ohne Titel erwähnt, während ein erster interner Entwurf ihn noch als Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker beschrieb. Ein Zeichen, daß -wie man sagt- er bald in die Leitung einer anderen Kongregation versetzt wird?  Gerüchte sagen, daß es die Bischofskongregation sein würde, aber Oueletts Titel könnte etwas anderes andeuten (vielleicht die Glaubenskongregation?

Mehrere Hinweise kamen bei der Audienz, die Erzbischof Rino Fisichella gewährt wurde, der logischerweise Propräfekt des Evangelisierungs-Dicasteriums hätte werden sollen. Im Protokoll der Audienz erscheint er jedoch nur als Titularbischof von Voghenza. Bedeutet das, daß er auf einen anderen Posten versetzt wird? 

Es gab keine Übergangsregelung, die vorsah, daß die Leiter der aufgelösten und reformierten Dicasterien so lange im Amt bleiben sollten, bis der Papst einen neuen Präfekten ernannt hat. 

Das sind alles kleine Hinweise, die das Klima der Unsicherheit befeuern. Aber vielleicht ist das genau das, was Papst Franziskus will: Unsicherheit zu fördern. 

Papst Franziskus mag es nicht, wenn seine Entscheidungen erwartet werden und er tut alles, um sicher zu stellen, daß niemand etwas weiß.  Bis jetzt hat er die Konsistorien immer persönlich angekündigt, ohne die Daten auch nur seiner engsten Entourage mitzuteilen. Keiner der Kardinäle wurde je vorgewarnt, und jede Entscheidung wurde nur durch ihn getroffen. 


Das gleiche passierte mit den Reformen. Der Rat der Kardinäle hat nie wirklich über die Reform entschieden, außer über die Päpstliche Kommission zum Schutz Minderjähriger. Alle anderen Reformen wurden vor dem Treffen des Kardinals-Rates verkündet, der dann die Beschlüsse des Papstes  zur Kenntnis nehmen mußte. Und so wird es auch beim nächsten Konsistorium sein: die Kardinäle werden nicht dazu aufgerufen, die Reformen zu diskutieren. Sie werden nicht in der Lage sein, sie zu ändern. Sie werden sie einfach anerkennen müssen. 

Am Ende ist nichts unausweichlich, weil der Papst jederzeit etwas anderes beschliessen kann. Das ist jetzt seit einigen Jahren ein bekanntes Szenario. Um den Papst zu verstehen, darf man keine logischen  und offensichtlichen Entscheidungen erwarten. Papst Franziskus wendet immer eine andere Logik an: persönliches Vertrauen und reagieren auf die Öffentliche Meinung.

Persönliches Vertrauen ist jedoch der Schlüssel zum Verständnis der verschiedenen Ernennungen in der Kurie und andernorts. Z.B. ist es das Persönliche, das erklärt, warum der jetzt 82-jährige Kardinal Santos y Avril immer noch Präsident des Aufsichtsrates des IOR ist.

Der andere Schlüssel für das Verstehen von Papst Franziskus´ modus operandi ist das klassische `divide et impera´. Papst Franziskus tut alles mögliche, um die Formung eines Machtkonsortiums oder gut aufgestellter Gruppen zu vermeiden. Aus diesem Grund gab es bei ihm dauernd Veränderungen seines Stabes in der Kurie und hat er in der neuen Konstitution festgelegt, daß niemand länger als zwei 5-Jahres-Perioden an der Spitze einer Kongregation bleiben kann. 

Zur gleichen Zeit konzentriert der Papst die Macht oft in Händen einer Person und macht es so leichter, die Kontrolle wieder zu entziehen, wenn es zu einer Krise kommt. Kardinal Kevin J. Farrell ist z.B. Präfekt des Dicasteriums für Laien, Familie und Leben; Camerlengo; und jetzt Vorsitzender des Investment-Komitées. 

Wenige nehmen in dieser Situation das Risiko persönlicher Entscheidungen auf sich, weil der Papst vielleicht die Entscheidung nicht mitträgt und er keine Bedenken hat, alles zu ändern. Ein wohlbekanntes Beispiel dafür war die angekündigte Entscheidung für ein Personal-Büro, die dann am Tag nach der Ankündigung im Bulletin des Pressebüros des Hl. Stuhls widerrufen wurde. Dennoch wird 2 Jahre später das Personal-Büro fast plötzlich und ohne Bulletin- als innerhalb des Wirtschaftsrates errichtet- verkündet. Und es bleibt für eine Ankündigung durch den Papst, zu einer Zeit, in der er sie nicht gewollt hätte, der Eindruck einer Bestrafung bestehen. 

Also spricht-obwohl jeder von den Ernennungen weiß und wie sie sein werden,- niemand über sie. Wenn Papst Franziskus erfährt, daß die Nachricht durchgesickert ist, ändert er schnell seine Meinung. Und das wäre nicht das erste mal. Zu Beginn seines Pontifikates nahm Msgr. Lucio Vallejo Balda an, daß er Sekretär des Wirtschaftsrates werden würde. Aber der Papst hat ihn nicht nominiert. 

Das ist ein Rahmenwerk, das auch eine Vorstellung von Flüchtigkeit des Papstes entstehen läßt, der oft überzeugt ist, seine Meinung zu ändern, wenn alles schon entschieden wurde. 

Das passierte als der Papst im vergangenen Februar beschloss, nicht zum Mittelmeer-Treffen zu kommen, das die Italienische Bischofskonferenz organisiert hatte. Der Papst hat es nicht einmal beim Angelus erwähnt. Passiert war, daß dem Papst erzählt wurde, daß ein früherer italienischer, für einige Entscheidungen in der Migrationspolitik verantwortlicher Minister daran teilnehmen würde. Es genügte nicht, daß man ihm erklärte, daß  dessen Anwesenheit nicht das Treffen der Bischöfe betraf: der Papst vertraute seinen Freunden, die ihn mit einer ideologischen Lesart versorgt hatten, von der er nicht abrücken wollte. 

Es bleibt jedoch noch viel Arbeit zu tun.  Über Papst Franziskus´ Wunsch Karrierismus zu brechen hinaus, müssen einige Entscheidungen sorgfältig bedacht werden. Z.B. muß die Konstitution Praedicate Evangelium noch etwas nachgebessert werden. Tatsächlich gibt es keine Spur vom Päpstlichen Komitée für Historische Wissenschaften. 

Nichts Ernstes sagen einige. Aber es ist wichtig, wenn eine derartige Struktur Leute beschäftigt, die noch nicht wissen, ob sie in ihr Amt zurückkehren oder nicht. 

Aber das interessiert Papst Franziskus nicht. Das Modell der "Reform im Gehen" ist ein Modell, das keine Planung vorsieht, sondern durch Versuch und Irrtum vorangeht. 

Und vielleicht kann diese Idee von der Reform im Gehen auch auf das Pontifikat angewendet werden. Weil sogar das Pontifikat unterwegs gewesen ist, sich durch Versuch und Irrtum voran bewegte aber ohne jede wirkliche, offensichtliche Planung. 

Die Unsicherheit über die Ernennungen ist -letztlich- eine rechtliche Unsicherheit. Aber von Beginn  des Pontifikates an, hat Papst Franziskus privat wissen lassen, daß das kanonische Recht im Falle eines Konflikts geändert werden könnte. Es gibt also keine Studie sondern eine anfängliche Intuition, der jeder zustimmen muß. 

So befinden wir uns also vor einer vakanten Kurie. Es wird gesagt, daß Erzbischof Scicluna erfahren hat, daß er nicht Präfekt der Glaubenskongregation wird, sondern daß -wenn Kardinal Ladaria aufhört (er ist bereits 77 Jahre alt) -jemand anderes an seiner Stelle ernannt werden muß.

Die anderen fahren mit ihrer Arbeit fort, als ob nichts passiert wäre. Aber sie könnten morgen zu neuen Positionen gerufen werden. Der Entscheidungaktivismus charakterisiert den Papst. Ein Aktivismus, der -wie spekuliert wird- seiner Krankheit entspringt, aber vor allem dem Bewußtsein, daß er nicht in der Lage sein wird, alle Projekte zu vollenden. 

Also bleibt für jetzt nur der Weg nach vorn. Bleibt zu sehen, wie weit der führen wird."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

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