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Dienstag, 25. Oktober 2022

Die Kontroversen um das II. Vaticanische Konzil gehen weiter

Sandro Magister veröffentlicht bei Settimo Cielo die Kommentare zweier auf das II.Vaticanische Konzil spezialisierter Autoren auf den zuvor erschienenen Beitrag von Cuido Ferro Canale über die Eröffnung des II.Vaticanischen Konzils.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"RATZINGER HATTE RECHT. DAS KONZIL " DER MEDIEN" SIEGT WEITERHIN ÜBER DAS WAHRE KONZIL"

Die Rekonstruktion dessen, was in den allerersten Tagen des Zweiten Vatikanischen Konzils geschah, die am 11. Oktober von Guido Ferro Canale auf Settimo Cielo veröffentlicht wurde, hat den Streit keineswegs unterdrückt, sondern ihn unter Fachleuten neu entfacht.

Zwei von ihnen, bereits Autoren wichtiger Essays zur Geschichte des letzten Konzils, haben ihre jeweiligen Kommentare an diesen Blog geschickt.

Der erste ist von Alexandra von Teuffenbach und kann hier vollständig gelesen werden:

Methodische und inhaltliche Fehler  

Die Leser von Settimo Cielo werden sich an die detaillierte Rekonstruktion der Verfehlungen Fr. Josef Kentenichs (1885 - 1968), Gründer der Apostolischen Schönstatt-Bewegung, durch von Teuffenbach erinnern, die die Causa seiner Seligsprechung blockiert hat.

Aber vor allem ist sie eine Kennerin des II. Vaticanischen Konzils. Und ihrer Meinung nach begeht Ferro Canale in seiner Rekonstruktion des Konzils sowohl methodische als auch inhaltliche Fehler.

In seiner Methode -widerspricht sie- geht er zu weit, indem er die Geschehnisse jener Tage mit den Augen eines Juristen beurteilt und für die Kirche die Standards des modernen Parlamentarismus anwendet und damit genau dem Fehler verfällt, den er gern überwinden möchte- den die Konzils-Väter in zwei oppositionelle Parteien - progressive und konservative. zu teilen. 

Weniger kritisch ist der zweite Kommentar - von Francesco Saverio Venuto, Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät von Nord-Italien, in Turin. 

In seinem Urteil rekonstruiert Ferro Canale sorgfältig - ohne irgendeinen substantiellen neuen Beitrag-was in jenem Oktober 1962 passierte, aber er irrt sich, wenn er den "Bürgerkrieg", der das Konzil und noch mehr die postkonziliare Periode kennzeichnetet - für später datiert, obwohl der Konflikt sofort am Beginn  ausbrach, tatsächlich soagr schon bevor das Konzil eröffnet wurde. 

Und genau diesem Zusammenstoß, der dann zwischen dem realen Konzil und dem Konzil "der Medien" stattfand, widmet Venuto einen großen Teil seines Kommentars, in den Fußspuren dessen, was Benedikt XVI am Ende seines Pontifikates sagte. 

Ein Zusammenstoß der bis heute weiterhin die Interpretation des II. Vaticanums und der gesamten Erfahrung der Kirche beeinflußt. 


Francesco Saverio Venuto wird von zwei Büchern unterstützt, beide bei Effatà veröffentlicht und beide sehr razingerianisch im Stil. Das erste von 2011 mit dem Titel: "Die Rezeption des II.Vaticanischen Konzils. Reform oder Bruch?" , das zweite, von 2013, "II. Vaticanisches Konzil, Geschichte und Rezeption. 50 Jahre nach seiner Eröffnung." 

"DAS WAHRE KONZIL UND DAS DER MEDIEN. EIN KONFLIKT DER NOCH BESTEHT"
von Francesco Saverio Venuto

1985 wurde am 20. Jahrestag der Beendigung des II. Vaticanischen Konzils die Außerordentliche Bischofs-Synode von Johannes Paul II einberufen, um seine Rezeption in der Kirche zu festigen und erinnerte nachdrücklich nicht nur an die Unterscheidung zwischen Konzil und Post-Konzil sondern vor allem daran, daß die Schwierigkeiten und Spannungen bei seiner Rezeption nicht direkt dem Konzil zuzusprechen seien sondern dem, was danach passierte: "post Concilium sed non propter Concilium". 

Tatsächlich gehörte vieles von dem, was unter dem Schirm des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Folgezeit propagiert oder durchgeführt wurde, nicht dazu. Die Synodenväter haben die Verbreitung und Verwurzelung von Vereinfachungen, Kürzungen, partiellen und selektiven Auslegungen der Konzilstexte und die Gegenüberstellung von Geist und Buchstabe, von pastoraler oder doktrinärer Identität des Konzils in kirchlichen Kreisen hervorgehoben.

Die Verstärkung dieser Phänomene verhinderte oder verzögerte nicht nur die Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils im Leben der Kirche, sondern trug auch dazu bei, ein Klima der Unruhe und des Misstrauens gegenüber dem Konzil selbst zu schaffen. Es war notwendig und dringend, das Zweite Vatikanische Konzil von dem ideologischen Syllogismus „post Concilium, ergo propter Concilium“ zu befreien, eine positive Interpretation davon zu starten und seine korrekte historisch-theologische Bedeutung zurückzugewinnen, weit über die vorgefertigten ideologischen Modelle hinaus.

Hat die Einberufung der Synode von 1985 eine Folge gefunden? Betrachtet man die letzte öffentliche Rede von Benedikt XVI. vor den Gemeinde-Priestern von Rom am 14. Februar 2013 und die jüngste Predigt von Franziskus anlässlich des sechzigsten Jahrestages der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils, scheint es offensichtlich, daß im Innern der Kirche ein "Bürgerkrieg“ andauert.

Benedikt XVI sagte folgendes:

"Es gab das Konzil der Väter – das wahre Konzil –, aber es gab auch das Konzil der Medien. Es war fast ein Konzil für sich, und die Welt hat das Konzil durch diese, durch die Medien wahrgenommen. Das Konzil, das mit unmittelbarer Wirkung beim Volk angekommen ist, war also das der Medien, nicht das der Väter. [...] das virtuelle Konzil war stärker als das wirkliche Konzil. Es war also das vorherrschende, das sich stärker ausgewirkt und viel Unheil, viele Probleme, wirklich viel Elend herbeigeführt hat: geschlossene Seminare, geschlossene Klöster, banalisierte Liturgie… und das wahre Konzil hatte Schwierigkeiten, umgesetzt, verwirklicht zu werden..."

Und Franziskus: 

" Das Konzil erinnert uns daran, dass die Kirche nach dem Bild der Dreifaltigkeit Gemeinschaft ist (vgl. Lumen gentium, 4.13). Der Teufel hingegen will das Unkraut der Spaltung säen. Erliegen wir nicht seinen Täuschungen, erliegen wir nicht der Versuchung der Polarisierung. Wie oft haben sich Christen nach dem Konzil für eine Seite in der Kirche entschieden, ohne sich bewusst zu sein, dass sie damit das Herz ihrer Mutter zerreißen! Wie oft wollte man lieber ein „Anhänger der eigenen Gruppierung“ als ein Diener aller sein, Progressive und Konservative statt Brüder und Schwestern, „der Rechten“ oder „der Linken“ statt Jesus zugehörig; sie haben sich als „Hüter der Wahrheit“ oder „Solisten des Neuen“ aufgespielt, statt sich als demütige und dankbare Kinder der Heiligen Mutter Kirche zu sehen. Alle, allesamt sind wir Kinder Gottes, alle Geschwister in der Kirche, alle sind wir Kirche,"...

Solche Phänomene, die in der Kirchen-Geschichte nicht vollkommen neu sind, standen oft am Ursprung eines langdauernden Einflusses auf die Rezeption des Konzils, Fast vier Jahrhunderte lang wurden beispielsweise Geschichte, Hermeneutik und Rezeption des Konzils von Trient der Kontroverse zwischen den historischen Rekonstruktionen von Paolo Sarpi und Pietro Sforza Pallavicino untergeordnet. Heute wird das gleiche Einflussphänomen im Hinblick auf das Tridentinische Konzil durch eine aufdringliche Präsenz der Medien verstärkt.

In diesem Zusammenhang ist es interessant hervorzuheben, wie der Medienrummel, insbesondere in Bezug auf kirchliche Ereignisse, immer auf der Suche nach Intrigen, Spannungen, Widerständen und Komplotten innerhalb der Kirche ist und, ohne etwas erfinden zu müssen, einfach eine verzerrte Berichterstattung benutz, um die Realität der Dinge zu vervielfachen. Dies geschah vor, während und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

In der postkonziliaren Phase wurde das Phänomen natürlich immer intensiver. Aber es wäre historische Naivität – an die Guido Ferro Canale in seinem Beitrag zu Settimo Cielo heranzukommen scheint – zu glauben, der "Bürgerkrieg“ habe erst nach dem Konzil oder allenfalls in seiner zentralen und letzten Phase begonnen. Schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil hatten sich in der Kirche theologische Fragen von großer Bedeutung angesammelt. Benedikt XVI. hat dies in seiner denkwürdigen Rede vor der römischen Kurie am 22. Dezember 2005 erneut gesagt:

" In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg hatten katholische Staatsmänner bewiesen, daß es einen säkularen modernen Staat geben kann, der dennoch nicht wertneutral ist, sondern sein Leben aus den großen Quellen christlicher Ethik schöpft. Die katholische Soziallehre, die sich nach und nach entwickelt hatte, war zu einem wichtigen Modell neben dem radikalen Liberalismus und der marxistischen Staatstheorie geworden. Die Naturwissenschaften, die sich rückhaltlos zu einer eigenen Methode bekannten, in der Gott keinen Zugang hatte, merkten immer deutlicher, daß diese Methode nicht die volle Wirklichkeit umfaßte, und öffneten daher Gott wieder die Türen, da sie wußten, daß die Wirklichkeit größer ist als die naturwissenschaftliche Methode und das, was mit dieser erfaßt werden kann. Man könnte sagen, daß sich drei Fragenkreise gebildet hatten, die jetzt, zur Zeit des Zweiten Vaticanums, auf eine Antwort warteten."

So forderten einige Theologen aus dem deutsch-französischen Raum, die auch maßgeblich am II. Vatikanischen Konzil beteiligt waren, in einem Versuch, Glauben und Leben zu verbinden und auf eine zunehmende Säkularisierung anderer ideologischer Natur zu reagieren, eine Neuformulierung der Theologie auf den dahinter stehenden manualistischen Rahmen, der eine induktivere und erfahrungsorientiertere Methode fördern möchte, die auch offen ist für eine Begegnung mit den neuen Philosophien und eine Rückkehr zu den Quellen der Heiligen Schrift und der Kirchenväter fördert . Die Reflexion und der theoretische Vorschlag dieser Theologen (man denke an das Aufblühen der "Nouvelle Theologie“) geriet in Spannung mit der dominierenden "römischen theologischen Schule“ neoscholastischen Ursprungs. Die Konfrontation zwischen diesen beiden Positionen, die bereits am Vorabend des Zweiten Vatikanischen Konzils vorhanden war, beeinflusste später seinen gesamten Weg.(...) Fortsetzung folgt...

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo

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