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Samstag, 22. Oktober 2022

George Weigel: Warum das II. Vaticanische Konzil notwendig war.

George Weigel erklärt in einem Beitrag für FirstThings, warum seiner Ansicht nach, das II.Vaticanische Konzil für die Kirche notwendig war. 
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"WARUM DAS II. VATICANUM NOTWENDIG WAR"

Daß ich mein neues Buch "Die Welt heiligen: das lebendige Erbe des II. Vaticanums" (Basic Books) schreibe, hat mir die Gelegenheit verschafft, mich in die 16 Konzils-Texte und die vielen guten Kommentare dazu zu vergraben. Es ließ mich auch darüber nachdenken. warum das Konzil notwendig war. Diese Frage wird heute oft von jungen Katholiken gestellt, die durch die exzessiven kirchlichen Turbulenzen des letzten Jahrzehnts beunruhigt sind und meistens schlecht über die präkonziliare Kirche informiert sind und sich vorstellen, daß alles im Katholizismus sehr zufriedenstellend war, bis Johannes XXIII den fatalen Fehler beging, ein Ökumenisches Konzil einzuberufen. Das jedoch war nicht die Ansicht mancher ziemlich orthodoxen katholischen Führer in den 10 Jahren vor dem II.Vaticanischen Konzil. 

Msgr. Giuseppe De Luca war ein unerschütterlicher Kirchenmann, der das Dekret des Heiligen Offiziums verfasst hatte, mit dem die Bücher des Nobelpreisträgers von 1947 André Gide in den Index der verbotenen Bücher aufgenommen wurden. 1953 jedoch fand er die Atmosphäre im Heiligen Offizium, der Suprema unter den kurialen Kongregationen, unerträglich. Also ließ er seinen Frust bei Msgr. Giovanni Battista Montini (dem späteren Papst Paul VI.) in diesen sachlichen Worten aus: "In dieser erstickenden Atmosphäre von salbungsvoller und arroganter Dummheit würde vielleicht ein Schrei - chaotisch, aber christlich - etwas Gutes tun."

Dann war da der Schweizer Universalgelehrte und Theologe Hans Urs von Balthasar. 1952 verööfentlichte er ein kleines Buch in deutscher Sprache, "Das Schleifen der Bastionene: über die Kirche in diesem Zeitalter"  in dem er sich sorgte, daß die große Katholische Tradition zu einem Fossil geworden war und "aus dem lebenden Zentrum der Heiligkeit der Kirche geglitten sei.  Die große "Rettungsoperation der Gegenreformation war nötig gewesen, argumentierte von Balthasar, aber die war vorüber und die Kirche mußte aus ihrer defensiven Kauern herauskommen und der Menschheit weiter die Wahrheit über Gott in Christus nahe bringen. 

In den Jahren unmittelbar nach dem Konzil, wußte Joseph Ratzinger (der zukünftige Papst Benedikt XVI), der einer der drei einflußreichsten Theologen beim II Vaticanum war, daß die Rezeption des Konzils unvollkommen war, seine Implementierung noch unvollkommener. Trotzdem fand er weitere Gründe, warum das II. Vaticanum nötig war und warum seine Lehre dafür war, daß das Leben der Kirche weiter ging: 

    [Das] Konzil führte in die Kirche als Ganzes wieder eine Doktrin des [päpstlichen] Primats ein, das gefährlich isoliert war; es integrierte eine zu isolierte Vorstellung von der Hierarchie in das eine Mysterium des Leibes Christi. Es stellte in der geordneten Einheit des Glaubens eine isolierte Mariologie wieder her; es gab dem biblischen Wort sein volles Recht; es machte die Liturgie wieder zugänglich; und darüber hinaus machtees einen mutigen Schritt nach vorn in Richtung der Einheit aller Christen.

So verdanken wir dem Konzil viele theologische und lehrmäßige Errungenschaften. Diese waren entscheidend, um diesen radikalen, auf Christus ausgerichteten Glauben neu zu erwecken, der die Quelle einer wiederbelebten katholischen Mission zur Bekehrung der modernen Welt sein würde. Ebenso war die Ablehnung des katholischen Triumphalismus durch das Konzil an sich gut und notwendig für seine Mission: "Es war notwendig und gut für das Konzil, den falschen Formen der Selbstverherrlichung der Kirche auf Erden ein Ende zu setzen und ihre zwanghafte Tendenz, ihre Vergangenheit zu verteidigen und ihre falsche Selbstrechtfertigung zu beseitigen.“

Nachdem das geschehen war, glaubte Ratzinger jedoch, daß die ständige, obsessive Selbstgeißelung ein weiteres Hindernis auf dem Weg der Evangelisierung und Mission darstellte. Die Verheißung des Zweiten Vatikanischen Konzils freizusetzen bedeutete, unseren Glauben an das Versprechen des Herrn zu erneuern, " ich bin allezeit bei euch “ (Mt 28,20). Der zukünftige Papst schloss also: "Es ist an der Zeit . . . unsere Freude an der Realität einer ungebrochenen Glaubensgemeinschaft an Jesus Christus neu zu erwecken. Wir müssen diese leuchtende Spur wiederentdecken, die die Geschichte der Heiligen und der Schönen ist – eine Geschichte, in der die Freude des Evangeliums im Laufe der Jahrhunderte unwiderlegbar zum Ausdruck kam.“

Grund zu verstehen, warum das Zweite Vatikanische Konzil notwendig war. Die vorkonziliare Verkündigung und Apologetik der Kirche war stark auf Logik ausgerichtet. Aber eine Welt, die irreligiös wurde – nicht heidnisch, denn das Heidentum hatte ein Gespür für die Verstrickung dieser Welt in eine größere Realität, sondern irreligiös, tonlos gegenüber Engelsgerüchten –, würde im Wesentlichen nicht durch logische Demonstrationen bekehrt werden. Sie würde durch Heiligkeit umgewandelt werden, die sich im Leben derer manifestieren würde, die Freunde des Herrn Jesus Christus geworden waren und sich seiner Sache angeschlossen hatten. Es würde von der Kirche umgebaut werden und mehr Schönheit bieten, als die Welt schaffen könnte.

Grund zu verstehen, warum das Zweite Vatikanische Konzil notwendig war. Die vorkonziliare Verkündigung und Apologetik der Kirche war stark auf Logik ausgerichtet. Aber eine Welt, die irreligiös wurde – nicht heidnisch, denn das Heidentum hatte ein Gespür für die Verstrickung dieser Welt in eine größere Realität, aber irreligiös, taub gegenüber Gerüchten von Engeln–, würde im Wesentlichen nicht durch logische Demonstrationen bekehrt werden. Sie würde durch Heiligkeit umgewandelt werden, die sich im Leben derer manifestieren würde, die Freunde des Herrn Jesus Christus geworden waren und sich seiner Sache angeschlossen hatten. Sie würde von der Kirche umgebaut werden und mehr Schönheit bieten, als die Welt schaffen könnte.

Wo der Katholizismus heute lebendig ist und das Zweite Vatikanische Konzil gut aufgenommen und umgesetzt wird, liegt das daran, daß die Ortskirchen Heiligkeit und Schönheit als evangelikale und katechetische Wege in eine christozentrische Zukunft angenommen haben."

Quelle: G. Weigel, FirstThings

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