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Samstag, 8. Oktober 2022

Gewogen und für zu leicht befunden - die Versuche, die Einheit der Kirche mit Mitteln des II.Vaticanums wieder herzustellen

Rorate Caeli veröffentlicht einen Artikel von Abbé Claude Barthe über die Auswirkungen des II. Vaticanischen Konzils und den aktuellen Zustand der Kirche
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"KIRCHLICHE MITTE-RECHTS UND MITTE-LINKS STRATEGIEN, DIE AUSPROBIERT UND FÜR MANGELHAFT BEFUNDEN WURDEN - ARTIKEL VON ABBÉ CLAUDE BARTHE."

Nebenbei bemerkt: was reformieren? Franziskus´ großer Entwurf - symbolisiert durch Praedicate Evangelium, der Konstitution für die Reform der Kurie- ist ebenso sehr auch eine Reform der Kirche gemäß dem Geist des II.Vaticanischen Konzils- wie es eine Reform der Kurie ist. Es gibt diesbezüglich da sicher Mehrdeutigkeit- Kurie-Kirche- die durch die Medien ausgeweitet und verstärkt wird, aber die Verbindungen zwischen den beiden Reformen sind nicht weniger immanent: die Neuorganisation der Römischen Regierung hat sicher Konsequenzen für die der gesamten Kirche. 

Das war bei den Diskussionen, die während des Konsistoriums Ende August, klar zu sehen, als eine Art zweite und feierlichere Promulgierung der Konstitution Praedicate Evangelium vom 19. März  2022 vorgestellt wurde. Sie wurde dem Kardinals-Kollegium vorgestellt, denen Raum gegeben wurde, ihren Beifall zu spenden. 

Es gab dennoch einige Kritiken, die kirchlich gesehen bei einer Reform der zentralen Verwaltung auf dem kirchlichen Spiel stehen. Einige Kardinäle haben die Schwierigkeit thematisiert, Laien zu Leitern von Dikasterien zu ernennen. Ihre Forderung, Lumen gentium und die Sakramentalität des Episkopates anzurufen war eher vage. Um das wirkliche Problem zusammen zu fassen: einige Präfekten der Kurie  haben wirkliche Jurisdiktions-Gewalt, besonders über Bischöfe und Kleriker- sowie Texte, Responsa und Urteile von lehramtlicher Bedeutung zu formulieren. Sie erhalten diese Jurisdiktion durch Delegierung durch den Papst, aber sie müssen für diese Art von Handlungen (Urteilen, Lehren) eine intrinsische Fähigkeit haben, die sich aus ihrer Eigenschaft als Kleriker ergibt. Auch der Missbrauch des Begriffs "Synodalität“ als eine Art Slogan wurde festgestellt, der eine Ausweitung der dem Zweiten Vatikanischen Konzil so teuren bischöflichen Kollegialität auf das gesamte „Volk Gottes“ zum Ausdruck bringen soll. Historisch jedoch ist das Wort "Synodalität“, wie ein östlicher Kardinal betonte, fast gleichbedeutend mit bischöflicher Kollegialität, weil es sich genau auf eine gewisse kollegiale Ausübung der bischöflichen Macht in den Ostkirchen bezieht. Es ist daher kein geeigneter Begriff, um eine Art Demokratisierung zu bezeichnen, die eher als "Gemeinschaftlichkeit" bezeichnet werden sollte.

Aufeinanderfolgende Reformen in der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils an einer erschöpften und gespaltenen Kirche 

Man muss bedenken, daß das Zweite Vatikanische Konzil in vier Jahren, von 1962 bis 1965, ein Gebäude umgestürzt hatte, das nicht nur tridentinisch war, wie oft gesagt wird, sondern sogar gregorianisch (aus der gregorianischen Reform im 11. Jahrhundert). Trotz aller Krisen, des Großen Schismas, der protestantischen Reformation, der Revolution und auf eine erbärmliche in jüngster Zeit hat die Kirche - wie sie es während des „gregorianischen Moments“ mit großer Kraft getan hat- am Prinzip ihrer Freiheit festgehalten: als Braut Christi war sie sich immer bewusst, die übernatürliche Gesamtheit seines mystischen Leibes auf Erden zu sein.



Das II. Vatikanische Konzil hat jedoch mit dieser totalen Fülle gebrochen, die die Kirche zu sein für sich beanspruchte: dieses Konzil erkannte, während es eine Reihe von „Intuitionen“ (Religionsfreiheit, Ökumene, Grundsätze des interreligiösen Dialogs) formulierte - zwar die Existenz übernatürlicher -zugegeben unvollständiger Wesenheiten außerhalb der Kirche an ; wenn auch ohne die Heilmittel einer Gemeinschaft mit Christus, also unvollkommen.

Infolgedessen sind lehramtliche Texte im Sinne der Enzyklika Quas Primas über das institutionelle Königtum Christi obsolet geworden. Diese "Öffnung zur modernen Welt" der kirchlichen Gesellschaft, ganz konkret zur liberalen Demokratie, ist gleichzeitig mit einem Säkularisierungsschub dieser Welt verwirklicht worden (es sei denn, die ekklesiologische Umkehr selbst hat stark zu einer Steigerung dieser Säkularisierung beigetragen), ein Phänomen, vor dem die Männer der Kirche überrascht wurden. Sie waren hundert Schritte vorangekommen, während die Welt zehntausend machte. Und die Erneuerung schien ein Selbstmord gewesen zu sein: Von allen daraus resultierenden politischen, geistlichen und disziplinarischen Konsequenzen war die Ermüdung der Mission, der Daseinsberechtigung der Kirche Christi, die am auffälligsten in der Rarifizierung zu sehen war, am auffälligsten der Hauptarbeiter bei der Ernte, Kleriker und Ordensleute, und bei der Zahl der Konvertiten und praktizierenden Mitglieder.

Schlimmer noch, der Körper zerbröckelte nicht nur, sondern löste sich auf. Es wurde bald klar, daß es dem Konzil nicht gelungen war, sich rund um sein Projekt zu vereinen: Die Opposition der konziliaren Minderheit, die zur traditionalistischen Opposition geworden war, die von ihrer liturgischen Dimension angetrieben wurde, erwies sich als unmöglich auszuschalten, eine Opposition, deren Reihen besonders im gegenwärtigen Pontifikat angewachsen sind - eine ganze reformistische oder "restaurationistische" Welt, die, was auch immer sie sagen mag, am Ende nie ganz mit dem II. Vatikanischen Konzil übereingestimmt hat. Die Einheit dessen, was vom Katholizismus übriggeblieben ist, ist zerbrochen.

Daher wurde in diesem Kontext einer erschöpften und noch stärker gespaltenen Kirche die Reform ihrer Zentralregierung in Verbindung mit einer globalen Vorstellung davon versucht, wie die Reform der gesamten Kirche aussehen sollte, oder mit anderen Worten: im Zusammenhang mit dem Verständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Das erste Mal hatte Paul VI., um den Wünschen des Konzils zu entsprechen, mit der Konstitution Regimini Ecclesiae Universae das Gesicht der Römischen Kurie tiefgreifend umgestaltet und unter anderem neue Organe geschaffen (Räte für die Laien, für die Einheit der Christen , etc.). Die symbolträchtigste Änderung, die er vornahm, war die Umwandlung der Obersten Kongregation des Heiligen Offiziums, die für die päpstliche Regulierung der katholischen Lehre verantwortlich war und keinen Präfekten hatte (der Papst behält sich das Recht vor, sie direkt zu leiten) in eine Kongregation für die Glaubenslehre.

Die Konstitution Pastor Bonus von Johannes Paul II. vom 28. Juni 1988, die im Wesentlichen die Funktionsweise der Kurie mit dem neuen Codex des Kirchenrechts in Einklang brachte, brachte keine grundlegenden Änderungen. Die eigentliche Neuerung dieser Kurienreform lag nicht in den Strukturen, sondern in der Aufstockung des Leitungspersonals, das - wie auch das mit der Liturgiereform verbundene Personal - aus der Konzilsmehrheit kam. Mit der Ernennung wurden Kongregationen und Berater mehr oder weniger progressiv oder wieder mehr oder weniger konservativ.

Heute soll Paedicate Evangelium eine weitere Umsetzung des "Konzils-Geistes“ ein Modell für die römische Regierung sein, dem auf allen Ebenen zu folgen ist, um eine wirklich „konziliare Reform“ der ganzen Kirche zu fördern. Eine der wichtigsten Änderungen ist die Herabstufung des Glaubenskongregation auf den zweiten Platz hinter dem Dikasterium der Evangelisierung. Aber auch hier ist die Kurie vor allem deshalb neu, weil ihr Personal "auf bergoglianisches Niveau gebracht" wurde. Was das Projekt betrifft, einen entscheidenden qualitativen konziliaren Sprung sowohl für die Kurie als auch für die Kirche als Ganzes zu machen, so läßt die Blutarmut der kirchlichen Körperschaft und die ständig zunehmenden Spannungen, die sie durchziehen, als Wunschdenken erscheinen.

Die Versuche die verlorene Einheit wiederherzustellen:  ein doppelter Fehlschlag

Als sich die Kirche den Ufern des 21. Jahrhunderts näherte, konnte das grundlegende Scheitern des Zweiten Vatikanischen Konzils an dem für sie vorrangigen Gesichtspunkt, dem der Mission, gemessen werden. Sie konvertierte nicht nur nicht mehr, sondern die Zahl ihrer Gläubigen, ihrer Ordensleute und ihrer Priester wurde so stark reduziert, daß sie zumindest im Westen am Rande des Aussterbens zu stehen schien. Das Zweite Vatikanische Konzil, dessen einziger Ehrgeiz darin bestand, die Botschaft an die Sensibilität der Menschen dieser Zeit anzupassen und sie für eine verjüngte, verwandelte, modernisierte Kirche zu gewinnen, hat es nicht einmal geschafft, sie zu interessieren.

Und vor allem hat der Lauf der Zeit gezeigt, dass nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Spaltung, man könnte sagen ein latentes Schisma, stattgefunden hat, das die Kirche in zwei Strömungen geteilt hat, die beide zusammengesetzt, aber klar identifizierbar sind: die erste, für die das Konzil neu betrachtet werden musste oder zumindest in seinen Grenzen enthalten; die andere, für die es nur ein Ausgangspunkt für die Extrapolation war. Das Projekt der Wiederherstellung der Einheit um dieses Konzil herum, das nicht den Anspruch erhob, ein unfehlbares Lehramt auszuüben, das also kein Glaubensprinzip im eigentlichen Sinne war, war das Kreuz, das von der Kirche getragen werden musste Den Päpsten nach Vatikan II. ist das nicht gelungen. Die beiden Päpste der "Wiederherstellung“, Johannes Paul II. und Benedikt XVI., und Franziskus, der Papst des „Fortschritts“, konnten nicht einmal die Fiktion der wiederhergestellten Einheit aufrechterhalten. (...)
Fortsetzung folgt...

Quelle: Abbé C. Barthe, Rorate Caeli

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