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Montag, 1. Juli 2024

Die causa Gänswein - ein Fall für das nächste Konklave

In seiner heutigen Kolumne für Monday at tbe Vatican kommentiert A. Gagliarducci die Ernennung von Erzbischof Georg Gänswein zum Nuntius in den Baltischen Staaten. 
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"PAPST FRANZISKUS - EIN KREIS WIRD GESCHLOSSEN"

Die Ernennung von Erzbischof Georg Gänswein zum Nuntius im Baltikum schliesst einen Kreis. Papst Franziskus hatte den früheren Sekretär Benedikts XVI  aufgefordert, nach der Beendigung seiner Rolle als Präfekt des Päpstlichen Haushalts ohne Amt in seine Diözese Freiburg zurückzukehren. Nach eineinhalb Jahren hat Franziskus Gänswein eine Nuntiatur zugeteilt- eine Arbeit, die Gänswein noch nie getan hat- und so Benedikts Mann sogar noch weiter von Rom entfernt.

So wie die Nuntiatur in Vilnius lokalisiert ist, kann die Nuntiatur im Baltikum peripher erscheinen, Das wäre sie,  wenn da nicht die Tatsache wäre, dass die Baltischen Staaten sich jetzt an der Grenze zu Russland befinden und in nahem Kontakt zum Konflikt in der Ukraine. 

Das hat wahrscheinlich wenig damit zu tun, warum Papst Franziskus Erzbischof Gänswein als seinen Botschafter dorthin geschickt hat.

Die ersten Gerüchte über Gänsweins Ernennung sprachen von einem Gnadenakt von Papst Franziskus.

Nachdem Franziskus die Vorwürfe Erzbischof Gänsweins in einem nach dem Tod des Papa emeritus erduldet und den Erzbischof ohne Amt entlassen hatte, soll beschlossen haben, ihm eine neue Beschäftigung zu geben und ihm seine Fehler zu verzeihen.

Aber kann Papst Franziskus  Beschluss als ein Akt der Gnade definiert werden, oder war er eher opportun

In diesen Monaten hat Papst Franziskus klar das Narrativ definiert, das er seinem Pontifikat geben will.  Er hat zwei Interview-Bücher von gewisser Tiefe veröffentlicht, eine persönliche Biographie und ein Buch über seine Beziehung zu Benedikt XVI.

Er ging sogar so weit, das Konklave von 2005 neu zu lesen. 

Er lieferte 2013 Indiskretionen-die nur er zur Verfügung stellen und die niemand leugnen konnte- und er schuf historische Situationen neu, die im Gedächtnis des Papstes verblasst zu sein scheinen. Verschiedene Details müssen hinzugefügt werden, angefangen damit, wie er behauptet dazu benutzt worden zu sein um Ratzingers Wahl 200 zu blockieren.

Auch hat Papst Franziskus Gänsweins Verhalten als "Mangel an Edelmut und Menschlichkeit" definiert, das sind schwerwiegende Worte, die es der anderen  Partei nicht erlauben, sich selbst zu erklären oder einige Entscheidungen zu rechtfertigen.

Um es klar zu sagen, die Veröffentlichung der Memoiren nach dem Tod des emeritierten Papstes war kein umsichtiger Schritt und Gänsweins Rekonstruktion einiger Dinge könnten sehr berechtigt als ein unnötiges "küsse und sprich darüher" angesehen werden.

Es stimmt auch, dass der Verlag die Entscheidung über die Veröffentlichung trifft, so wie der Schnitt des Buches eine Bearbeitungsphase widerspiegelt, bei deren Verständnis ein Nicht-Kommunikationsprofi möglicherweise Hilfe benötigt. Es kommt vor, dass Männer der Kirche einander vertrauen. Es kommt vor, dass die Menschen oder Unternehmen, auf die sie sich verlassen, nicht für die Kirche arbeiten. Es kommt vor, dass Skandale kreiert werden, die manchmal sogar übertrieben sind.

Die Reaktion von Papst Franziskus war jedoch sehr hart.


Ein Bischof kann nicht gezwungen werden in einer Diözese zu leben, ausser er stammt aus der Diözese oder wenn es kanonische Strafen gegen ihn gibt. Aber Gänswein wurde behandelt als ob es kanonische Strafen gäbe. Ausserdem wurde die Beendigung seiner Amtszeit als Präfekt des Päpstlichen Haushalts erst zwei Monate nach deren Ende bekannt gegeben. Dennoch wurde das genau am Ende des Mandats angeordnet. Eine Wahl, die Gänswein nicht erlaubte eine Pension des Vaticans durch eine Kompensationszahlung in den Pensions-Fond zu beantragen- ein Antrag, der nur innerhalb eines Monats nach Ende der Beschäftigung gestellt werden kann.

Und nein- Gänswein hatte nie als Bischof in Deutschland gearbeitet und konnte also nicht von den grosszügigen Pensionen des deutschen Klerus profitieren.

Diese Entscheidungen des Papstes blieben nicht unbemerkt.

Sie stellten einen modus operandi von Papst Franziskus klar heraus, der nie zuvor mit so machtvoll enthüllt worden war. So gab der Papst z.B. Kardinal Gerhard Ludwig Müller, nachdem er -gerade 70-jährig- plötzlich am Ende seiner ersten fünfjährigen Amtszeit das Ende seiner Arbeit im Vatican ankündigte- kein weiteres Amt. Aber Müller war Kardinal, er war Bischof in Deutschland gewesen und bekam von Papst Franziskus keinerlei Anweisungen bzgl. seines Wohnortes.

Dann war da der Fall von Kardinal Raymond Leo Burke, den der Papst nach der Krise in der Leitung des Ordens aus seiner Rolle als Patron des Malteser Ordens entfernte und dem er vor kurzem seine Krankenversicherung und das Apartment, das er im Vatican benutzte nahm. Kardinal Burkes "Bestrafung" soll vom Papst am Ende eines Treffens der Dicasterien kommuniziert worden sein, auch wenn es über Strafmassnahmen gegen den Kardinal vom Dekan des Kardinals-Kollegiums oder wenigstens von der APSA, der gesetzmässigen Besitzerin des Hauses des Kardinals keinerlei Nachrichten gab.

Das sind nur zwei Beispiele, aber man kann sich an andere Situationen erinnern.

Der Fall von Kardinal George Pell, den der Papst zwar eine Zeit lang formell in seinem Amt behielt, ihn aber im Grunde einem ungerechten Prozess in Australien überließ. Der Fall von Kardinal Woelki, der aufgrund einer „Fehlkommunikation“ (Worte der Nuntiatur) bezüglich eines Berichts über Missbrauch in seiner Erzdiözese, den er abgestritten hatte, zu einem sechsmonatigen Urlaub gezwungen wurde. Und wie könnten wir den Fall von Kardinal Becciu unerwähnt lassen, der im Vatikan vor Gericht gestellt wurde, nachdem der Papst die Regel revidiert hatte, wonach Kardinäle nur von Gleichgestellten beurteilt werden dürfen und von allen Ämtern zurücktreten müssen? Der Papst forderte ihn daraufhin auf, wieder an Konsistorien und öffentlichen Akten teilzunehmen, ohne den Prozess abzubrechen oder den Kardinal zu rehabilitieren, der immer noch am Pranger stand.

Jedes Beispiel hat unterschiedliche Details und Nuancen. Der Papst regiert im Allgemeinen mit eiserner Faust, wenn es zweckmäßig ist. Wenn sich jedoch die Gründe der Gelegenheit ändern, ändert der Papst seine Herangehensweise.

Im konkreten Fall von Gänswein hat der Papst wahrscheinlich verstanden, dass die "Bestrafung“ des Sekretärs von Benedikt XVI., insbesondere nach den Diskussionen, die auf die bescheidene Art und Weise folgten, in der Papst Franziskus die Beerdigung seines Vorgängers beging, Auswirkungen auf das Urteil des Pontifikats selbst haben könnte.

Die Rekonstruktionen der Beerdigung, die Worte über Gänswein und die Tatsache, dass Papst Franziskus selbst Zeit damit verbracht hatte, darüber zu sprechen, reichten nicht aus.

Eine Geste war nötig.

Diese Geste war die Ernennung einer Nuntiatur an einem peripheren Ort, aber nicht zu peripher. Diese Entscheidung wird es dem Papst ermöglichen zu sagen, dass er vergeben konnte, da er Beobachter die wohlwollende Haltung des Papstes gegenüber Becciu bemerken ließ, als er ihn erneut zu den Konsistorien einlud

Rückzieher dieser Art sind für Papst Franziskus nichts Neues.

Nach der Veröffentlichung des Dokuments des Dikasteriums für die Glaubenslehre, das die Segnung homosexueller Paare verhinderte, betonte Papst Franziskus beim sonntäglichen Angelusgebet, dass die Sprache Gottes „Mitgefühl und Zärtlichkeit“ sei, und diese Worte wurden sofort als ein Tonwechsel von Papst Franziskus gelesen.

Zu dumm, dass der Papst das Dokument gelesen und gebilligt hatte.

Der Autor des Dokuments, Erzbischof Giacomo Morandi, wurde daraufhin als Bischof nach Reggio Emilia entsandt. Interessanterweise wurde er zum Präsidenten der regionalen Bischofskonferenz der Emilia Romagna ernannt, ein Zeichen dafür, dass seine Mitbrüder im Bischofsamt ihn nicht ablehnen.

Es bleibt jedoch die Frage, ob man dem Rückzieher von Papst Franziskus trauen kann oder ob viele Dinge nach der Logik des Altars der Heuchelei gelesen werden sollten, die der Papst selbst zur Erklärung seiner Entscheidung verwendete, den Rücktritt des Pariser Erzbischofs Michel Aupetit anzunehmen.

Aupetit fiel einer Presse-Kampagne und Anschuldigungen zum Opfer, von denen er später völlig entlastet wurde.

Wenn alles Regierungsmethode und alles Narrativ ist, was ist dann das wahre Gesicht des Pontifikats von Papst Franziskus? Gibt es eine Linie im Pontifikat, die über die persönlichen und personalistischen Entscheidungen des Papstes hinausgeht?

Am Ende zeigte Papst Franziskus sogar in der Traditionalistenfrage unterschiedliche Ansätze: Grausam gegenüber denen, die nach den älteren Büchern feiern wollen, relativ sanft gegenüber bereits in der Kirche strukturierten Realitäten, die dies tun; sehr hart im Angriff auf einige traditionalistische „Oasen“ (die Franziskaner der Immakulata zu Beginn des Pontifikats, aber auch die Aussetzung der Priesterweihen in der Diözese Frejus-Toulon in Frankreich).

Jede Situation ist in der Tat eine Geschichte für sich.

Es ist jedoch auch wahr, dass das Hauptmerkmal des Pontifikats von Papst Franziskus seine Mehrdeutigkeit ist.

Es gibt keine Linie. Annäherungen und Fehler bestimmen das Bild des Pontifikats. Oder besser gesagt: Es gibt eine Linie, aber es gibt auch das Verständnis, dass es sich um eine kontroverse Linie handelt, die Spaltung schaffen würde. Tatsächlich wurde jedes Mal Spaltung geschaffen, wenn Papst Franziskus eine klare und persönliche Entscheidung traf.

Mit der Ernennung von Erzbischof Gänswein zum Nuntius schließt Papst Franziskus einen Kreis. Er beendet jedoch sicherlich nicht die Debatte über sein Verhältnis zum emeritierten Papst oder den grundlegenden Aspekt seines Pontifikats.

Dieses Thema wird im Hinblick auf das bevorstehende Konklave Denkstoff bieten."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

 

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