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Mittwoch, 6. November 2024

Wenn Mut mit Freiheit belohnt wird.

George Weigel veröffentlicht bei firstthings einen Beitrag über die Risiken der Freiheit.
Hier geht´s zum Original:  klicken

    "DAS RISIKO DER FREIHEIT AUF SICH NEHMEN

Vor 35 Jahren half der Sohn eines großen Historikers dabei, Geschichte zu machen, als er die Frage stellte, die zur Vernichtung des grotestesten, ausdrucksvollsten Artefakts der Kalten Krieges auslöste.

Mein Freund Daniel Johnson, Sohn des Autors von Moderne Zeiten und dann Reporter für den London Daily Telegraph, flog am 9. November 1989 nach Berlin. Die Ostdeutschen waren dabei, an Massenprotestengegen ihre Unterdrückung teilzunehmen während andere aus der widersprüchlichen Deutschen Demokratischen Republik durch neugeöffnete Grenzen mit Ungarn flohen. Es herrschte Chaos und das Ostdeutsche Regime hielt eine im Fernsehen übertragene Pressekonferenz ab, um zu versuchen die Situation unter irgendeiner Art von Kontrolle zu halten. Der Sprecher der Kommunistischen Partei Günter Schabowski fing anzukündigen, daß das Zentralkommitee der Partei beschlossen habe, daß  Ostdeutsche sowohl in den Westen reisen als auch emigrieren können. was seit die Berliner Mauer 1961 gebaut wurde, verboten gewesen war.

Von den Reportern kamen die Fragen geflogen. Wann würde das in Kraft treten? Betraf diese neue Regulierungdas durch die seit faast 3 Jahrzehntgen geteilte Berlin?  Schabowski übertrieb das, was er eigentlich sagen wollte, und antwortete: „Ja, die neue Regel ist sofort in Kraft getrfeten, und ja, sie schien auch für Berlin zu gelten.“ Daniel Johnson, der fließend Deutsch sprach, stellte dann die Frage, die die Welt veränderte: „Herr Schabowski, was passiert jetzt mit der Berliner Mauer?“ Schabowski, dem nicht gesagt worden war, was er sagen sollte, wenn diese Frage aufkäme, zögerte ein paar Sekunden und wechselte dann das Thema.

Doch für die Anwesenden und die Fernsehzuschauer „fiel der Groschen“, wie Johnson später schrieb. Wenn es freie Reisemöglichkeiten und Auswanderung in den Westen gab, welchen Sinn hatte dann die Mauer? Sie war fertig, und innerhalb weniger Stunden hatten die jubelnden Ostberliner, die dies erstaunt im Fernsehen gesehen hatten, die Obszönität, die ihre Stadt lange Zeit gespalten hatte, mit Vorschlaghämmern niedergemäht, an der über hundert Menschen beim Versuch, sie zu überqueren, darunter hindurch, darüber oder darum herum zu schaffen, gestorben waren. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages tanzten Ost- und Westberliner jubelnd auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor. (Die unfassbaren Szenen, die NBC an diesem Abend und in den darauffolgenden Tagen zeigte, waren möglich, weil Produzentin Maralyn Gelefsky inmitten des Chaos irgendwie eine Arbeitshebebühne gefunden hatte, von der aus montierte Kameras den Jubel unten übertragen konnten.)


Die Selbstbefreiung Mittel-Osteuropas hatte im Juni 1989 ernsthaft begonnen, als bei halbwegs freien polnischen Wahlen alle umkämpften Sitze im polnischen Parlament an die antikommunistischen Kandidaten der Solidarność übergingen – das drei Monate später Tadeusz Mazowiecki, einen langjährigen katholischen intellektuellen Aktivisten und späteren Solidarność-Führer, zum Ministerpräsidenten wählte. Andere Dominosteine ​​im sowjetisch geführten Warschauer-Pakt-System begannen zu fallen, und dann kam die Nacht vom 9. auf den 10. November 1989, als die Durchbrechung der Mauer durch feiernde Deutsche die sogenannte Revolution von 1989 unumkehrbar machte. Es dauerte noch zwei weitere Monate, bis das Werk vollendet war, aber als die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei am 29. Dezember 1989 Václav Havel zum Präsidenten des Landes machte, war es endgültig und wahrhaftig vollendet. Im Laufe der beiden folgenden Jahre vollendeten mutige Seelen in Litauen, der Ukraine und anderswo die Zerschlagung der größten Tyrannei der Geschichte, als sie mit ihren Unabhängigkeitserklärungen die Sowjetunion auflösten.

Die Revolution von 1989 war ein einmaliges Erlebnis in der blutigen Geschichte eines Jahrhunderts, in dem Massengewalt das typische Mittel war, um große soziale Veränderungen herbeizuführen. Mit Ausnahme Rumäniens war die Revolution gewaltfrei, und selbst dort hielt sich die Gewalt in Grenzen. Warum war das so? Weil in den 1980er Jahren eine Revolution des Gewissens in Ostmittel- und Osteuropa stattgefunden hatte. Menschen, die entschlossen waren, „in der Wahrheit zu leben“, statt sich der kommunistischen Kultur der Lüge noch weiter zu unterwerfen, gründeten eine wirksame, gewaltfreie Widerstandsbewegung, die nicht zuletzt von der weltbewegenden Pilgerreise Papst Johannes Pauls II. nach Polen im Juni 1979 inspiriert war. Diese Bewegung hatte ihre Märtyrer – den seligen Jerzy Popiełuszko in Polen und Jan Patočka in der Tschechoslowakei –, doch ihre Überzeugungskraft erwies sich letztlich als stärker als die Schlagstöcke, Wasserschläuche und sogar Panzer der verschiedenen kommunistischen Regime. (Die reiche spirituelle und moralische Struktur jener Jahre wird in der Dokumentation der Kolumbusritter „Liberating a Continent“ hervorragend eingefangen.)

In einer Rede vor den Vereinten Nationen im Jahr 1995 schrieb Johannes Paul II. die Revolution von 1989 jenen zu, die bereit gewesen waren, „das Risiko der Freiheit“ einzugehen. Er lobte nicht die Zügellosigkeit, die diese gewaltlosen Revolutionäre gelebt hatten, sondern die Freiheit, in der Wahrheit zu leben – der Wahrheit über die menschliche Person, die menschliche Gemeinschaft, die menschliche Herkunft und das menschliche Schicksal. Daraus lassen sich für uns heute wichtige Lehren ziehen."

Quelle: G. Weigel, firstthings

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