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Montag, 25. Juli 2022

"Papst Franziskus arbeitet persönlich daran, jede mögliche Macht- oder Widerstands-Struktur zu brechen"

In seiner heutigen Kolumne für "Monday at the Vatican"  beantwortet A. Gagliarducci die Frage, ob ein "fließende" Pontifikat  nach dem Vorbild der "flüchtigen Gesellschaft" des Soziologen Baumann möglich ist und kommentiert dabei den jüngsten Brief aus der Kurie an die Synodalen Weggenossen und die jüngsten Maßnahmen gegen das Opus Dei. 
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"PAPST FRANZISKUS, WARUM EIN FLÜCHTIGES PONTIFIKAT NICHT MÖGLICH IST"

Der große polnische Soziologe Zygmunt Baumann, der 2017 verstarb, hat den Begriff "fließende Gesellschaft" geprägt, um die heutige Gesellschaft zu beschreiben. Das heißt, eine Gesellschaft, in der alles relativiert wird, in der jeder Gesichtspunkt gültig und relativ ist und in dem man nicht nach seiner eigenen Überzeugung handelt, sondern überzeugt davon ist, diese oder jene Position einzunehmen. 

Die flüchtige Gesellschaft ist das extreme Resultat einer individualistischen Welt, die allen Rechte garantieren will und- indem sie das tut- eine Diktatur gegenüber denen errichtet, die einigen dieser Rechte widersprechen und zeigen, daß das keine natürlichen sondern künstliche Rechte sind. 

Wenn die Kirche auch ein Spiegel der Gesellschaft ist- was wahr ist- dann besteht die Gefahr, daß der Umgang der Kirche mit dem Menschen auch der einer flüchtigen Gesellschaft ist. Das ist sozusagen ein Zugang der weniger in der Lehre und dem Glauben der Väter verwurzelt ist sondern mehr in  vorübergehenden Sentimentalität oder der Idee der Barmherzigkeit. Natürlich bleiben richtig und falsch, aber sie sind vage Hintergrunds-Konzepte, die u.a. für niemandem vorgeschlagen noch gar angeordnet werden dürfen. 

Die Effekte dieses Zugangs waren auch während des Pontifikates von Papst Franziskus zu sehen. Papst Franziskus hat in manchen Situationen ein besonders "flüchtiges" Herangehen gezeigt und chamäleon-artige Fähigkeiten bewiesen, seine Meinung zu ändern und sehr clevere Standpunkte einzunehmen, die gar keine Standpunkt sind. 

Z.B. ist Papst Franziskus´ Diplomatie "flüchtig", wenn sie alles auf persönliche Beziehungen zu Staatsoberhäuptern oder Regierungen fokussiert. Dann glaubt er, daß seine Gegenwart in China, in Moskau heute genügen würde, um Religionsfreiheit und Waffenstillstand zu garantieren, weil es wichtig ist, zuerst Prozesse zu starten. Papst Franziskus hält nach neuen Partnern Ausschau, wenn er sie daß Partner ihren Kurs ändern. 

Sogar Papst Franziskus´ Reformweg ist "flüchtig", weil der durch "Versuch und Irrtum" gegangen wurde, mit dem Hauptwunsch nach einer Kirche, die hinausgeht, aber sicher ohne eine wirkliche Denkstruktur die sich um Geschichte, Tradition und die Aufgaben der Institutionen, die sich ändern sollten, zu kümmern. Tatsächlich hat Papst Franziskus stattdessen oft das System des motu proprio benutzt, um Gesetze zu erlassen. 


Schließlich gibt es den Zugang zu wichtigen Themen, die mit leichten Mitteln, wie Apostolische Briefe oder Apostolische Exhortationen behandelt werden. Papst Franziskus arbeitet persönlich daran, jede mögliche Macht- oder Widerstandsstruktur zu brechen. Indem er das tut, kümmert er sich nicht um internationale Beziehungen und bringt die Institutionen selbst in Gefahr...siehe die möglichen Konsequenzen des jüngsten Vatican-Gerichtsprozesses. 

Das sind Zugänge zur Welt;   "Das sind Annäherungen an die Welt; Die Geschichte wird zeigen, ob sie richtig oder falsch sind. Tatsächlich hat die Geschichte Papst Franziskus bereits gezeigt, daß es kein "flüchtiges“ Pontifikat geben kann, weil das mehr Probleme als Lösungen schafft.

Eine Geschichte, die in Form des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland in den Vordergrund gerückt ist. In der Praxis hat die Kirche in Deutschland als Reaktion auf die Krise der Kirche, die auch eine Krise der Gläubigen ist, eine Synode einberufen und betont, daß ihre Entscheidungen zu Themen wie Sexualität und Priestertum bindend seien. Papst Franziskus hatte 2019 einen Brief geschickt, in dem er betonte, daß diese Entscheidungen nur vom Hauptquartier ausgehen könnten. Dennoch setzten die deutschen Bischöfe ihren Weg fort. Und so machten sie eine Reihe von Vorschlägen.

Es muss gesagt werden, dass Papst Franziskus den synodalen Weg auf der ganzen Welt eröffnen wollte, weil mehrere Ortskirchen grenzwertige Vorschläge für die Synode zur Synodalität präsentiert hat. Die französischen Bischöfe beauftragten am Ende eine externe Beratungsfirma, um Meinungsverschiedenheiten zu schlichten, und die Schweizer Bischöfe verabschiedeten ähnliche Empfehlungen wie die der deutschen Synode. Auch die belgischen Bischöfe waren den deutschen Vorschlägen nicht fern.

Sie taten das jedoch innerhalb eines synodalen Prozesses, mit dem Gedanken, diese Ideen auf den Tisch der Generalsynode zu bringen. Andererseits beabsichtigt die Synode der Kirche in Deutschland ihren weg fortzusetzen und ihn auf eigene Faust zu beenden. #

Und so wurde ein zweiter Brief nötig, eine Erklärung des Hl. Stuhls, die am 21. Juli veröffentlicht wurde und mit folgender Erklärung beginnt:  "Um die Freiheit des Volkes Gottes und die Ausübung des bischöflichen Amtes zu schützen, erscheint es notwendig zu präzisieren, daß der Synodale Weg in Deutschland keine Macht hat, die Bischöfe und die Gläubigen zu verpflichten, neue Wege des Regierens und neue Ansätze in der Lehre und Moral zu wählen."

Der Brief erklärt, daß er "nicht zulässig ist, neue offizielle Strukturen oder Lehren in den Diözesen zu etablieren, bevor einem Übereinkommen auf der Ebene der Universalen Kirche  zugestimmt wurde, das eine Wunde für die Kommunion der Kirche und eine Bedrohung für die Einheit der Kirche darstellen würde." 

Und er endet mit der Hoffnung, daß "die Vorschläge des Synodalen Weges der deutschen Ortskirchen in den synodalen Weg wird, den die Universale Kirche einschlägt, für eine gegenseitige Bereicherung und als Zeugnis jener Einheit, mit der der Leib Christi seine Treue zu Christus dem Herrn zeigt."

Dieser Standpunkt spricht von notwendiger Klarheit. Dennoch kann man - angesichts der Tatsache, daß Papst Franziskus diese Erklärung nicht unterschrieben hat, -sagen, daß nicht er es war, der sie wollte und daß er vielmehr eine authentische Erneuerung in der Kirche will und daß die Kurie sein Projekt blockiert. 

Die Tatsache, daß der Brief es vermeidet, den Papst in den Vordergrund zu stellen, bedeutet nicht, daß der Papst ihm nicht zustimmt. Er hat tatsächlich zugestimmt. Sonst wäre der Brief nicht veröffentlicht worden. Nach allem weiß sogar Papst Franziskus daß es kein "flüchtiges" Pontifikat geben kann, -vielleicht bei Themen von geringerer Bedeutung. Aber wenn es um die Lehre geht, muß es zu soliden und konkreten Entscheidungen zurückkehren. Sonst riskiert man das Chaos.  Und es ist Chaos, das in vielen Fällen bereits eingetreten ist. "

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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