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Montag, 17. Juli 2023

Papst Franziskus & sein 10-Jahresplan

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci  Papst Franziskus´ jüngste Entscheidung und bringt sie in Zusammenhang mit dem Wunsch des Pontifex, sein Erbe und seine Vision für die Zukunft zu sichern. Hier geht´s zum Original:  klicken

                           PAPST FRANZISKUS UND SEIN ERBE

Nach einer Serie von Schritten, die sein Erbe gesichert zu haben scheinen, stellt sich eine Frage: was wird sein Erbe sein? Was wird dieses Pontifikat der universalen Kirche hinterlassen? Das ist keine kleine Frage, weil sie auch die Zukunft des Pontifikates selbst betrifft.  Wird die Vision von Papst Franziskus weiter getragen werden? Wie wird seine Vision weitergetragen werden? Und was wird neu sein? 

Das sind alles komplexe Fragen, weil sie mit praktischen Fragen kollidieren, namentlich der Schwierigkeit Papst Franziskus´ Pontifikat zu definieren. War das Pontifikat von Papst Franziskus ein Übergangs-Papsttum oder eine Konstruktion? Und wenn es eine Konstruktion war, was hat er gebaut? 

Im allgemeinen wird von Papst Franziskus´ Pontifikat als einem Pontifikat gesprochen, daß die synodale Schubkraft der Kirche erneuert hat. Immerhin hat Papst Franziskus die Katholische Kirche auf eine synodale Reise geschickt, zwei außerordentliche und zwei ordentliche Synoden einberufen und feiert eine, die mindestens zwei Jahre andauern werden. Die Frage, die man stellen muß, ist, was mit Synodalität gemeint ist. 

Das Wort Synodalität wurde während des II, Vaticanischen Konzils nie benutzt, ebenso wenig von Kollegialität, weil das als nicht besonders konkret betrachtet wurde. Wenn wir mit Kollegialität einen Weg für die Kirche meinen, Vorschläge aus der Peripherie entgegen zu nehmen und sich zu eigen zu machen, dann ist Synodalität bereits im Kirchenleben gegenwärtig. Das ist z.B. mit den Päpstlichen Missions-Gesellschaften geschehen, die aus Kreisen der Laien entstanden sind und päpstlich wurden, z.B.  weil die Päpste ihren Wert anerkannten. Wenn Synodalität dagegen bedeutet, daß wir eine immer offene Diskussion meinen, dann ist es das, was wir mit Papst Franziskus erleben. 

Aber wahrscheinlich wird sogar diese immer-offene Diskussion dem Pontifikat von Papst Franziskus nicht gerecht werden. In diesen zehn Jahren hat Papst Franziskus regiert wie kein anderer. Er traf die Entscheidungen persönlich, er hat Veränderungen beschleunigt und verlangsamt, wenn er es für angemessen hielt, Mitarbeiter weg oder in Pension geschickt, von denen er dachte, daß sie nicht länger im Vatican arbeiten sollten und sogar seinen Sekretär mindestens vier mal ausgetauscht- sogar Gonzalo Aemilius, der Sekretär aus Uruguay hat nach neuesten Nachrichten seine Stellung als Sekretär des Papstes verlassen, um nach Montevideo zurück zu kehren. 


Das zentrale Thema des Pontifkates von Papst Franziskus ist wohl das Regieren- nichts anderes. Im Laufe der Jahre hat diese Regierung erlebt, wie die Getreuen ausgebrannt sind und neue Leute hereingeholt wurden- immer mit einer Person im Mittelpunkt: Papst Franziskus. 

Papst Franziskus hat oft gesagt, daß er eine Bekehrung der Herzen wünscht, und seine jüngsten Schritte und sein Konsistorium scheinen zu zeigen, dass dem Papst in erster Linie und am nächsten der Prozess der Auswahl der Bischöfe am Herzen liegt. Deshalb möchte Papst Franziskus, dass diese neue Mentalität in der Kirche erhalten bleibt, und viele seiner Ernennungen zeigen dies.

Z.B. sind in Italien vile Bischöfe zu Kardinälen kreiert worden. In den USA hat er die bevorzugt, die seine engsten Verbündeten bei der Synode waren und Cupich, Gregory und McElroy zu Kardinälen gemacht, als ob er die Wahl des sicher konservativeren US-Episkopates ins Gleichgewicht bringen wollte. Die neuen Kardinäle des Papstes haben ein niedriges Durchschnittsalter; die neuen Erzbischöfe von Madrid, Brüssel und Buenos Aires sind um 60 und haben deshalb mindestens noch 20 Lebensjahr vor sich.

Wenn der Papst möchte, daß jemand weiterhin regiert auch wenn das Pontifikat endet, macht er ihn zum Bischof oder Kardinal. Das ist ein allgemeiner Trend, der sich jedoch nach 10 Jahren zeigt. Das ist eine Schwemme von neuen Bischöfen und Kardinälen, die von jedem Nachfolger schwer zu ersetzen sein werden.

Am Ende kann es nicht genug Müller-Fälle geben, d.h. ein Kardinal, der seine Amtszeit beendet und keinen weiteren Job hat. Papst Franziskus hat deshalb nicht nur neue Bischöfe und Kardinäle kreiert, Er hat ihre Gegenwart irgendwie seinem Nachfolger aufgezwungen.

In der Tat hat Papst Franziskus einen Generationswechsel abgewartet bevor er klare Entscheidungen getroffen hat. Er hat mit Traditionis Custodes die Liberalisierung des antiken Ritus rückgängig gemacht, als er 2021 gerade das Krankenhaus verlassen hatte und nach seinem letzten Krankenhausaufenthalt den Übergang vollendet. Vor einiger Zeit berichtete mir eine Person, die Papst Franziskus nahe steht, daß der Papst einen 10-Jahres-Plan hatte. Angesichts aller dieser Initiativen der letzten Monate erscheint mir das eine lebende Prophezeiung zu sein.

Warum 10 Jahre? Weil nach 10 Jahren alle, die seine Pläne blockieren oder zumindest die Risse in seinen Reformen hätten hervorheben können, die Römische Kurie verlassen haben würden.

Der neue Präfekt der Glaubenskongregation wurde fast überraschend ausgewählt, mit einem langen Brief des Papstes, der die Gründe für diese Ernennung erklärt. Aber es wäre wahrscheinlich falsch, zu denken, daß der Papst Victor Manuel Fernández nicht ernannt hätte, wenn Benedikt XVI noch gelebt hätte oder wenn die Doktrin-Diskussion anders verlaufen wäre. Der Papst hätte ihn auf alle Fälle ausgesucht, weil die Beförderung von Fernandez zum Erzbischof eine seiner ersten Entscheidungen war und weil jetzt nur noch wenige in der Glaubenskongregation verblieben waren, die für das frühere Sant´ Uffizio gearbeitet haben - der Erzbischof von Noia wurde am vergangenen 10. Juli 80 geworden und hat sich dauerhaft zurückgezogen.

Am Ende liegen viele Themen auf dem Tisch, aber die zentrale Frage bleibt: was hinterläßt Papst Franziskus? Und vielleicht ist sein unglaublichstes Erbe seine Medienpräsenz, das Bedürfnis öffentlich über Dinge zu sprechen. die in der Vergangenheit tabu gewesen wären, wie z.B. der Mißbrauchsskandal in der der Kirche, und dabei sogar so weit zu gehen, in einer Öffentlichkeits-Kampagne, die den Papst zu lobpreisen und alles andere in eine schwierige Posisiton zu versetzen, die Institution selbst zu beschuldigen.

Bei seinen Mißbrauchsvorwürfen nimmt der Papst das Kreuz auf, das Johannes Paul II getragen hat. Unter Johannes Paul II sind die Kirchenskandale erstmals ans Licht gekommen. Aber weder Johannes Paul II noch Benedikt XVI haben- trotz der Bitte um Vergebung- jemals die Institution beschuldigt, ihnen ist der Unterschied zwischen individueller und institutioneller Verantwortung immer offensichtlich geblieben, und haben die Kirche reformiert aber nie als solche in Frage gestellt.

Papst Franziskus hat ein neues Zeitalter eingeleitet: das einer Kirche, die auf die öffentliche Meinung achtet, die von der öffentlichen Meinung in Frage gestellt wird und ohne Angst vor internen Konsequenzen reagiert. Sinnbildlich ist der Fall der Missbräuche in Chile, mit dem sich Papst Franziskus erst nach den Protesten im Land im Jahr 2018 eingehend befasste. Aber auch der McCarrick-Bericht, den der Papst nach den Vorwürfen der öffentlichen Meinung wollte, geht in diese Richtung.

So sehr es den Zeitungen auch gefällt: Ein Zugeständnis an die öffentliche Meinung – das, was der Papst als "Altar der Heuchelei“ bezeichnet hat – bedeutet, Boden abzugeben und die Initiative den Medien zu überlassen. Und doch ist diese erneuerte (und manchmal naive) Transparenz vielleicht das bedeutendste Erbe von Papst Franziskus. Aus diesem mitunter schwierigen Verhältnis zu den Medien gibt es kein zurück mehr. Sobald man die Tür öffnet, bleibt die Tür offen.

Diese Schwierigkeit bringt die Institution Kirche selbst in eine Krise. Viele Missbrauchsvorwürfe erweisen sich als keine Missbrauchsfälle. Die Aufdeckung der bloßen Vorwürfe bedeutet, einen Präzedenzfall zu schaffen, der schwer zu bewältigen sein wird.

Daher sind die neuen Bischöfe und Kardinäle sowie das Verhältnis zur öffentlichen Meinung wahrscheinlich die beiden größten Vermächtnisse von Papst Franziskus. Dieses nächste Konsistorium – das zwei umfasst, weil es auch die Kardinäle ersetzt, die im Jahr 2024 80 Jahre alt werden – unterstreicht den Ansatz des Papstes. Der Episkopat ändert sich, aber die Strukturen ändern sich nicht unbedingt. Vielmehr bleiben die Strukturen in der Schwebe. Wir haben Dikasterien und Kommissionen, und die Art und Weise, wie sie heute definiert sind, erinnert an Formeln, die in der Vergangenheit als pro-tempore-Positionen bezeichnet wurden. Das ist so. Alles ist pro tempore, weil alles auf den Papst ausgerichtet ist."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday-at-the-Vatican

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