Samstag, 25. April 2015

Armenien: Papst zwischen Diplomatie und "Redefreiheit"

Das ist die Überschrift, die Sandro Magister seinen Überlegungen im L´Espresso gegeben hat.
Hier geht´s zum Original:  klicken  und wir erfahren, daß sich hinter den Kulissen in Oltretevere nicht alles so glatt abgespielt hat, wie es vielleicht den Anschein hatte-


GENOZID AN DEN ARMENIERN.  FRANZISKUS ZWISCHEN DIPLOMATIE UND "REDEFREIHEIT

Am 24 April , dem 100. Jahrestag des Metz Yeghérn, dem "Großen Bösen"; war Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, als Repräsentant des Papstes in Eriwan.
Es waren also weder der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin noch der Sekretär für Internationale Beziehungen, Paul R. Gallagher.
Dem politischen Profil der Repräsentantion wurde das religiöse Profil vorgezogen.

Am selben Tag hat Kardinal Parolin in Padua bei einer Vorlesung in der Theologischen Fakultät von Triveneto- Wasser ins Feuer der türkischen Reaktionen auf die "entzündenden" Worte Papst Franziskus´ vom 12.4. gegossen.

Parolin sagte:
"Was wir tun mußten, haben wir getan, der Papst hat in sehr klarer und gleichzeitig sehr diskreter Weise über dieses Thema gesprochen. Er hat darüber immer so gesprochen- wie er es schon während des Rückfluges aus der Türkei getan hat: mit Worten der Versöhnung. Wenn wir uns an diese Ereignisse erinnern, dann nicht um Feindseligkeiten hervorzurufen sondern um alle Parteien mit allen geeigneten Mitteln dazu einzuladen, sich einander anzunähern, eine gemeinsame Interpretaton der Geschichte und Motive zur Einigkeit zu finden. Die Bereitschaft, die Geschichte zu studieren, ist positiv."
In Wirklichkeit hat sich bezgl. der Armenien- Frage zwischen dem Papst und dem Staatssekretariat nicht alles so glatt abgespielt.

Während seiner Reise in die Türkei, Ende November, hatte Franziskus noch den Ratschlägen der Vaticanischen Diplomatie Folge geleistet, aber vor allem anderen denen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Absolutes Schweigen zur Armenien-Frage. Und auch nach Ende der Reise äußerst vorsichtige Worte bei der "fliegenden Pressekonferenz" im Flugzeug.


Dann, am 9.April, empfing Franzislus die Synode der Armenisch-Katholischen Kirche im Vatican in Audienz. Auch da äußerte er sich in sehr gmessenen Worten, jedes einzelne vom Staatssekretariat ab-und ausgewogen. Statt Genozid sagte er "geplante, systemastische Auslöschung". Herz der Rede war die Beschwörung- einer konkreten Geste der Versöhnung und des Friedens zwischen den Nationen, "denen es noch nicht gelingt, sich auf eine vernünftige Lesart diese traurigen Ereignisse zu einigen."

Auf die anwesenden armenischen Katholiken hat diese Rede wie eine kalte Dusche gewirkt. Sie haben ihre Enttäusching vor dem Papst nicht verborgen. Zusammen mit ihrer Erwartung einer ausdrücklicheren und stärkeren Verurteilung des Genozids, haben sie eine solche Benennung während der feierliche Messe. die für den Sontag auf dem Programm stand, angemahnt.

Am Freitag, 10.4. hat Franziskus zunächst Professor Andrea Riccardi, Gründer von St. Egidio und Autor des gerade erschienen Buches über die Stadt Bardin, eine der vom Genozid 1915 am meisten betroffenen Städte, in Audienz empfangen, danach Erzbischof Kissag Mouradian, Primas der Apostolischen Armenischen Kirche in Argentinien, einen langjährigen Freund.

Der Eindruck dieser beiden Begegnungen muß am Ende den Papst dazu bewogen haben, das Zögern zu durchbrechen.
So hat er beschlossen, am Sonntag, 12.4. bei der Gedächtnismesse für das armenische Martyrium, einen Gruß an die Gläubigen des armenischen Ritus vorauszuschicken,
Und den hat er selbst geschrieben, mit diesem explosiven Beginn- in absichtlicher Verletzung der Diplomatie:

Hier der deutsche Text der Begrüßung und der Predigt:   klicken
und hier ein Zitat daraus:

"GRUSS DES HEILIGEN VATERS ZU BEGINN DER HEILIGEN MESSE FÜR DIE GLÄUBIGEN DES ARMENISCHEN RITUS"

"Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich die heutige Zeit als Zeit des Kriegs bezeichnet, als dritten Weltkrieg „stückchenweise“, in dem wir tagtäglich grausamen Verbrechen beiwohnen, blutigen Massakern und dem Wahnsinn der Zerstörung.
 Leider hören wir auch heute noch den erstickten und vernachlässigten Schrei vieler unserer wehrlosen Brüder und Schwestern, die wegen ihres Glaubens an Christus oder ihrer ethnischen Herkunft öffentlich und grausam getötet werden – enthauptet, gekreuzigt, lebendig verbrannt –, oder die gezwungen werden, ihr Land zu verlassen.
Auch heute erleben wir gerade eine Art Genozid, der durch die allgemeine und kollektive Gleichgültigkeit verursacht wird, durch das komplizenhafte Schweigen Kains, der ausruft: „Was geht das mich an?“; «Bin ich etwa der Hüter meines Bruders?» 

Unsere Menschheit hat im vergangenen Jahrhundert drei große, unerhörte Tragödien erlebt: die erste, die allgemein als «der erste Genozid des 20. Jarhunderts» angesehen wird (Johannes Paul II. und Karekin II., Gemeinsame Erklärung in der Kathedrale des heiligen Etschmiadzin, 27. September 2001); diese hat euer armenisches Volk getroffen – die erste christliche Nation –, zusammen mit den katholischen und orthodoxen Syrern, den Assyrern, den Chaldäern und den Griechen. Bischöfe, Priester, Ordensleute, Frauen, Männer und alte Menschen bis hin zu wehrlosen Kindern und Kranken wurden getötet. Die anderen beiden Völkermorde wurden durch den Nationalsozialismus und den Stalinismus verübt. Und in jüngerer Zeit gab es andere Massenvernichtungen wie in Kambodscha, in Ruanda, in Burundi, in Bosnien. Doch scheinbar schafft es die Menschheit nicht, das Vergießen unschuldigen Blutes zu beenden. Es scheint, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg wach gewordene Begeisterung gerade am Verblassen ist und sich auflöst. Die Menschheitsfamilie scheint es abzulehnen, aus den eigenen Fehlern, die durch das Gesetz des Terrors verursacht wurden, zu lernen; und so gibt es das noch heute, die eigenen Artgenossen mit der Hilfe einiger und dem komplizenhaften Schweigen anderer, die Zuschauer bleiben, eliminieren zu wollen. Wir haben immer noch nicht gelernt, dass „der Krieg ein Wahnsinn und ein unnötiges Blutbad ist“ 

Liebe armenische Gläubige, heute erinnern wir mit einem von Schmerz durchbohrtem Herzen, aber erfüllt von der Hoffnung auf den auferstandenen Herrn, an jenes tragische Ereignis vor hindert Jahren, jene ungeheure und wahnsinnige Vernichtung, die eure Vorfahren grausam erlitten haben. Sich an sie zu erinnern ist notwendig, besser noch eine Pflicht, denn wo es kein Gedenken gibt, hält das Böse die Wunde weiter offen; das Böse zu verbergen oder zu leugnen, ist wie zuzulassen, dass eine Wunde ohne Behandlung weiterblutet!
Ich grüße euch herzlich und danke euch für euer Zeugnis. (.....)
Mit der entschiedenen Gewissheit, dass das Böse nie von Gott kommt, dem unendlich Guten, und verwurzelt im Glauben bekennen wir, dass die Grausamkeit nie dem Werk Gottes zugeschrieben werden kann und, mehr noch, in seinem Namen in keiner Weise irgendeine Rechtfertigung erfahren darf. Begehen wir zusammen diese Feier mit unserem Blick auf Jesus Christus, den Auferstandenen, den Sieger über den Tod und das Böse!  "

Kalter Schweiß im Staatssekretariat,
als sie diesen dynamitbeladene Text mit der Anordnung, kein Wort daran zu ändern- vor Augen hatten.
Am Sonntag Vormittag sprach Papst Franziskus diese Worte aus. Und innerhalb weniger Stunden griffen ihn die türkischen Autoritäten mit vehementen Reaktionen und beleidigenden Äußerungen an.
Am Morgen des 13. April stützte sich Franziskus in seiner Predigt auf eine Passage der Apostelgeschichte: "Und sie verkündeten das Wort Gottes frei"

"Wir können sagen" -unterstrich der Papst-, "dass auch heute die Botschaft der Kirche und die Botschaft des mutigen christlichen Weges eine freie Botschaft ist. Aus dem griechischen Original"- erklärte er-"kann man dieses Wort auch mit Mut, Redefreiheit, keine Angst haben, die Dinge zu sagen, übersetzen. Das ist Parrhesia. Die Apostel sind von der Angst zur Redefreiheit gelangt, dazu die Dinge frei zu sagen."

Heute ist man im Staatssekretariat einig, zu schweigen und die Dinge sich setzen zu lassen. Auch Franziskus ist einverstanden. Weil er das, was er sagen mußte, gesagt hat."
Quelle: L´Espresso, Sandro Magister, LEV cr, La Santa Sede


                                                            Eingebetteter Bild-Link



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