So interpretiert A. Gagliarducci in Monday in the Vatican die neuesten päpstlichen Gedankenexperimente in Interview-Zitatform.
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"WIRD PAPST FRANZISKUS WIRKLICH DIE KATHOLISCHE LEHRE ÄNDERN?"
"Die Rede die Papst Franziskus zum 25. Jahrestag des KKK gehalten hat, hat einen starken Hinweis hinterlassen, sowohl wegen der Andeutung der Möglichkeit die Katholische Lehre zur Todesstrafe ( nach dem Katechismus immer noch zulässig -wenn auch als ultima ratio) als auch den Hinweis des Papstes , daß die Doktrin nicht unveränderlich ist. Es gab aber auch ein Zitat in seiner REde, das fast unbeachtet blieb. Und dieses Zitat ist wichtiger als es scheint.
Papst Franziskus zitierte den Hl. Vincent von Lerins, einen Kirchenvater des 5. Jahrhunderts, dessen Leben mehr im Dunklen liegt als seine Schriften.
In einer Rede zitierte der Papst eine Passage aus "Commonitorium" dem einzigen vollständigen Werk des Heiligen Vincent, das bis heute erhalten geblieben ist.
Der Hl. Vincent schreibt: "Aber jemand wir vielleicht sagen "Wird es keinen Fortschritt in der Kirche Christi geben?" Sicher wird es den geben- jeden Fortsgechritt der möglich ist. Wer- so neidisch auf den Menschen, so voller Hass auf Gott sollte versuchen, den zu verbieten?"
Dieses Zitieren ist aus zwei Gründen bedeutend. Der erste ist, daß Papst Franziskus darin unterstreicht, daß wer immer "versucht" in der Religion den Fortschritt "zu verhindern" vom Papst als "bei Gott verhaßt" betrachtet wird. Der zweite Grund ist, daß es nicht das erste mal ist, daß der Papst den Hl. Vincent von Lerins zitiert.
Er tat das bereits in einem Interview, das er 2013 dem Jesuiten-Magazin "La Civiltá Cattolica" gewährte. Es war Franziskus´erstes Interview als Papst.
In diesem Interview sagte er: "Der Hl. Vinent von Lerins vergleicht die biologische Entwicklung des Menschen mit dem Übergang von einer Ära zur anderen bei der Weitergabe des Glaubenserbes, das mit der Zeit wächst und stärker wird. Dabei ändert sich das menschliche Selbstverständnis mit der Zeit und das menschliche Bewußtsein vertieft sich." (es gab noch ein weiteres Zitat des Hl. Vincetn in diesem Interview- zum selben Thema).
Der Hl. Vincent von Lerins hilft uns dabei, Papst Franziskus´ Rationale zu erklären. Im Allgemeinen wird der Gedanke, daß die Lehre sich entwickelt, von den meisten Theologen akzeptiert.
Tatsache aber ist, daß nur wenige darin übereinstimmen, wie die Doktrin sich entwickelt.
Liest man den Text des Hl. Vincent noch einmal, versteht man, daß der Papst das Glaubenserbe nicht ändern will. Das wird gleich bleiben.
Tatsächlich hat Franziskus ein gewisse Vorliebe für das traditionelle Denken der Kirche , wenn er von der Kirche z.B. als "heilige, hierarchische Mutter" spricht oder wenn er bei einem privaten Treffen mit Priestern der Diözese Lyon sagte, daß er nicht den Wunsch habe, "die Normen für den priesterlichen Zölibat zu ändern."
Das Wirken von Papst Franziskus dreht sich in der Hauptsache nicht um Veränderungen der Doktrin. Der Papst will das Denken ändern; er will Prozesse anstoßen, aber ohne sie zu beenden. Er erklärt diesen Punkt sehr gut in "Evangelii Gaudium", indem er seine vier Leitprinzipien auflistet- die am Ende die Notwendigkeit darstellen, zu warten, daß die konventionelle Art zu denken, von selbst zerfällt und die "pastorale Umkehr", nach der er dauernd verlangt, in die Praxis umzusetzen.
Daher das Zitieren des Hl. Vincent von Lerins. Der Hl. Vincent spricht nicht über Veränderungen im Glaubenserbe, sondern von einem neuen Zugang, einer Entwicklung der Lehre, einem Fortschritt, der keine fundamentale Veränderung sein muß, weil es einfach nur der Weg ist, den Gesichtspunkt zu wechseln
Wie kann der Papst den Standpunkt der Kirche ändern? Das tut er auf viele Arten. Zuerst eröffnet er Prozesse. Die beiden Familien-Synoden stellen die Eröffnung eines Prozesses dar.
Dieser Prozess endete nicht mit der postsnodalen Exhortation "Amoris Laetitia", weil dieses Dokument alle Diskussionen offen ließ, und in der Tat breit diskutiert wird.
Als die Forderung aufkam, die Möglichkeit Frauen zum Diakonat zuzulassen, zu erwägen- hat Papst Franziskus eine aus konservativen und progressiven Mitgliedern zusammengesetzte Kommission eingesetzt, und so die Diskussion offengelassen, solange die Kommission ihre Arbeit nicht beendet hat.
Sogar seine Rede über den Katechismus scheint eine Art Eröffnungsthema für eine Sache zu sein, dem fast alle zustimmen: das Thema der Todesstrafe.
Um es kurz zusammenzufassen, wenn man der Evolution des Denkens der Kirche über die Todesstrafe folgt (der Katechismus betrachtet sie als ultima ratio um das Allgemeinwohl zu schützen und wie der Hl. Johannes Paul II in seiner Enzyklika "Evangelium Vitae" betonte, gibt es diese ultima ratio heute fast nicht mehr) hat Papst Franziskus ein pragmatisches Beispiel für eine Entwicklung vorgeschlagen, die allgemeine Zustimmung finden kann.
Das Beispiel könnte zu einer Änderung des Katechismus zu diesem Thema führen, aber es ist auch ein Testballon: wieviele Leute sind bereit, ihre Rigidität zuzugeben? Wieviele sind bereit, eine Veränderung ihres Standpunktes zu akzeptieren?
Abhängig vom Ergebnis dieses Tests, wird Papst Franziskus wahrscheinlich eine bestimmte Art der Evolution bei kleineren Themen vorantreiben, besonders bei Themen, die zur Soziallehre der Kirche gehören.
Es ist kein Geheimnis, daß der Papst über die Veränderung der Lehre über den gerechten Krieg nachdenkt und auf einen Testballon für diese Veränderung wurde in der Botschaft an den Welttag des Gebetes für Frieden und Gewaltlosigkeit hingewiesen, die der Diskussion dieses Themas beim von der St. Egidio-Gemeinschaft organisierten Treffen für den Frieden in Assisi folgte.
Es gibt also eine fortaufende Diskussion zu diesem Thema, die der Papst zwar gesegnet aber offen gelassen hat, ohne sie zu beenden.
Es ist wahrscheinlich, daß der Papst auch die Diskussion über schwerwiegendere Themen der Doktrin nicht beenden wird. So weit es um die sakramentale Kommunion für die wiederverheirateten geschiedenen Katholiken geht, hat der Papst die Sache der Differenzierung durch das Paar überlassen- sei es privat oder mit einem Priester.
Er hat sein Eingreifen darauf beschränkt, seine Zustimmung zu gewissen Ereignissen zu zeigen, ohne andere zu kritisieren, während er die brennenderen Themen- wie die Dubia- offen läßt.
In diesem Zusammenhang stieg der Stern von Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien, auf. Kardinal Schönborn gehörte zu denen, die den Katechismus entworfen haben.
Nach der Ansprache des Papstes erklärte er in einem Interview mit Radio Vatican, daß "das Evangelium das selbe bleibt."
Die Tür ist auch bzgl. "der Übersetzung liturgischer Texte" offen. Franziskus´ motu proprio "Magnum Principium" überläßt es immer noch dem Hl. Stuhl, die Übersetzung liturgischer Texte zu bestätigen.
Dennoch wurde diesem Spielzug von vielen als "grünem Licht" zu einer Art "kirchlichem Föderalismus" applaudiert.
Auch in diesem Fall hat der Papst wie ein Eisbrecher gearbeitet und dann die Gelegenheit zur Entwicklung einerDebatte gelassen, so daß jeder seinen Standpunkt einnehmen konnte.
So hat z.B. zum Thema "Magnum Principium" Kardinal Robert Sarah, Präfekt der Liturgie-und Sakramentenkongregation dem Papst einen Brief geschickt, um einige Themen klarzustellen.
Muß die Übersetzung zu den aktuellen Normen konform sein, die Treue zum originalen Latein und Kriterien für die sprachliche Angleichung -wie in Liturgiam Authenticam festgelegt. verlangt?
Verlangen beide- confirmatio und recognitio- die Zustimmung des Hl. Stuhls?
Außerdem schlug der Kardinal dem Papst vor, daß man beim Endresultat zwischen der Übersetzung und der Anpassung unterscheiden solle, weil sie verschieden sind.
Kardinal Sarah hofft so, daß sogar die Prozeduren, die der Bestätigung eines liturgischen Textes vorangehen, sich ändern.
Was bedeutet das am Ende? Daß der Papst einige Schritte gemacht und zugelassen hat, daß eine Diskussion eröffnet wird, und manchmal sogar seinen Standpunkt angedeutet. Er rechtfertigt seinen Standpunkt oft, indem er Schreiber des 5. Jahrhunderts erwähnt.
Bleibt die Frage, ob der Papst die Lehre ändern wird oder nicht?
Meine Antwort ist, daß der Papst wahrscheinlich kleinere Normen ändern, aber niemals an die Tiefe des Glaubenserbes rühren wird.
Papst Franziskus ist kein Papst der Dokumente; Er mochte Synoden nie als er Erzbischof von Buenos Aires war, weil - wie er zu sagen pflegte- sie immer damit enden, staubige Bücher in den Regalen zu füllen.
Keine seine Reformen sind bisher in Dokumenten strukturiert worden- die neuen Dicasterien wurden nicht durch Angliederung an die alten Normen integriert oder eingeführt, weil der Papst dem Prinzip folgt, daß "Reformen im Tun gemacht werden müssen."
Das bedeutet daß der Papst jede Art einfacher Interpretation vermeiden wird, indem er sich selbst das Privileg vorbehält, seinen eigenen Kurs zu bestimmen, und indem er niemanden direkt herausfordert und das Fühlen des Volkes mißt. Er ist überzeugt- und das wiederholt er oft- daß "das Volk in seiner Gesamtheit sich nicht irren kann".
Deshalb kann die Rede anläßlich des 25. Jahrestages des Katechismus weder als Antwort auf die Dubia noch als offizielle Erklärung über die Notwendigkeit den Katechismus zu ändern, angesehen werden. Es war- noch einmal- eine Rede, die seinen eigenen Modus Operandi zeigt.
Alles muß sich ändern damit sich nichts ändert, und nichts ändert sich, damit sich alles ändert: diese beiden oxymora sind vielleicht die Linse. durch die das Pontifikat von Papst Franziskus gelesen werden sollte."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican
Die Aussage, daß die Todesstrafe grundsätzlich abzulehnen sei (und nicht bloß temporär aus Erwägungen weltlicher Klugheit zu sistieren) oder daß sie gar eine in sich böse Handlung sei, widerspräche der überlieferten Lehre der Kirche, wie Edward Feser (der gerade ein Buch über die Todesstrafe geschrieben hat) im "Catholic Herald" darlegt: http://www.catholicherald.co.uk/commentandblogs/2017/10/15/the-popes-remarks-on-capital-punishment-need-to-be-clarified/ Aber wieder einmal ist alles so unklar ausgedrückt, wird alles bloß angedeutet, in der Schwebe gelassen, nicht ausgeführt - so daß man nur *denken* kann, der Papst meine es so (und die Presse ihn wieder als den "fortschrittlichen" Papst aller Zeiten ans Herz drücken kann).
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