In seiner wöchentlichen Kolumne "Monday in the Vatican" kommentiert A. Gagliarducci die neue Apostolische Konstitution "Veritatis Gaudium" zur Reform Kirchlicher Universitäten.
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"PAPST FRANZISKUS -VIER KRITERIEN FÜR EINE SICH ENTFALTENDE KULTURELLE REVOLUTION"
"Papst Franziskus hat in seiner Apostolischen Konstitution "Veritatis Gaudium" die Notwendigkeit einer kulturellen Revolution die Aufgaben und Strukturen der kirchlichen Universitäten festgestellt.
Diese Revolution muß nach 4 Kriterien durchgeführt werden; und ein Hauptziel ist es, "Führungspersönlichkeiten zu formen, die Richtung vermitteln."
Die vier Kriterien, die von Papst Franziskus präsentiert werden: die Kontemplation des Mysteriums, weithin offener Dialog, breites Wissen und Vernetzung.
Das sind die Kriterien moderner Universitäten und Teil einer Mentalitätsverlagerung -begonnen beim Hl. Johannes Paul II und von Benedikt XVI weitergeführt. Papst Franziskus vollendet jetzt diese Verschiebung im Licht seiner Vorstellungen einer "nach außen-schauenden Kirche" und einer "Kultur der Begegnung".
Der Weg ist dann klar und spiegelt sich irgendwie in der Kurienreform wieder. Die Dikasterien für Integrale Menschliche Entwicklung und für Laien, Familie und Leben wurden etabliert, um weitere interdisziplinäre Annäherungen zu befördern.
Ein großer Teil der Diskussion über die neuen Dikasterien drehte sich am Ende um ihre Strukturen: die neuen Dikasterien sollten nicht Ämter werden, die den verschmolzenen Namen der alten Dikasterien trugen, sondern sollten multidispziplinäre Ämter werden, die verschiedene Kompetenzen in eine ausgewogene Balance brachten.
Sogar der neue Lehrstuhl "Gaudium et Spes" innerhalb des erneuerten "Päpstlichen Institutes Johannes Paul II für Ehe und Familie". Der Lehrstuhl ist der erste Versuch, in einem Dialog mit der Welt Leben und Familien-Themen mit sozialen Themen wie Entwicklung der Völker und Gerechtigkeit zu kombinieren.
Diese neue Zugehensweise wurde von Benedikt XVI in seiner Enzyklika "Caritas in Veritatis" vorausgesehen, die nicht zufällig die drei großen Enzykliken des Sel. PaulsVI miteinander verbindet
Humanae Vitae, Populorum Progressio und Evangelii Nuntiandi.
Das heißt, die Verkündung des Evangeliums ist so eng mit der Entwicklung der Völker verbunden, daß sie nicht stattgefunden hätte, hätte es kein klares Bewußtsein von Gottes Plan für Leben und Familienthemen des Menschen gegeben .
Diese Verbindung auf der Basis der Reform des Sel.Pauls VI , die ein großes Projekt für die Reform von Barmherzigkeit und des Engagements für Gerechtigkeit und Frieden umfaßten, war Teil einer größeren Kurien-Reform und lag auch den Reformen des Hl. Johannes Pauls II, die folgten, zugrunde: der Polnische Papst hat die Wahrheit des Evangeliums bekräftigt, als er die Kirche ins dritte Jahrtausend führte.
Benedikt XVI half -Dank seiner theologischen Eypertise- dabei, diesen Ideen ein konkrete Form zu geben, Papst Franziskus springt mit seinem missionarischen Geist und seiner Idee der nach außen gerichteten Kirche ein.
Die Diskussion über Papst Franziskus und sein Pontifikat scheint diesen Änderungsprozess nicht anzuerkennen. dafür gibt es viele Gründe.
Erstens weil dieses Pontifikat Rückhalt in einer Medienagenda hat, -es gibt keine neutrale Stellung- keine Kritik oder Beobachtung kann geäußert werden, ohne als für oder gegen den Papst etikettiert zu werden.
Deshalb kann eine Diskussion über die Worte von Papst Franziskus nicht wirklich geführt werden.
Und jede Erklärung von Papst Franziskus muß eine "Öffnung" für eine "Veränderung" sein und im Gegensatz zum behaupteten früheren "Traditionalismus" und "Rigorismus" stehen. Dieses Pontifikat ist aber komplexer als das entwickelte progressiv-versus-konservativ-Narrativ.
Zweitens- die um das Pontifikat herum aufgebaute Lesart ist ein schreckliches 70-er-Jahre-Narrativ.
Nach dem II.Vaticanischen Konzil konzentrierte sich die Debatte eher auf Details als auf das globale Szenario.
Der "legalistische" Zugang wurde beiseite gelegt und das führte zur Exzessen, die sogar die Hypothese möglich machten, das Kanonische Recht sei nutzlos - wie Benedikt XVI in seinem Brief an die irischen Katholiken feststellte.
Das andere Extrem war, daß die Lehre auf der Basis besonderer Fälle reformiert werden sollte.
Die Diskussion um den Gebrauch der empfängnisverhütenden Pille rund um die Veröffentlichung von Humanae Vitae zeigt klar, daß alles auf eine simplizistische Frage reduziert wurde: Kontrazeption ja oder nein. Die selbe Diskussion offenbarte einen gwissen Druck der Medien auf die Kirche, ein gewisses Wohlwollen für die künstliche Empfängnisverhütung zu zeigen.
Wie Papst Franziskus erkannte, war der Sel. Paul VI mutig. Er hat eine Sichtweise, die auf Kasuistik basierte, nicht akzeptiert. Er zog es vor, aus einer umfassenderen Perspektive auf Gottes Plan zu sehen. Nach der Veröffentlichung von Humanae Vitae wurde Paul VI heftig kritisiert.
Es entstand der Eindruck, daß der verstorbene Papst danach keine Enzyklika mehr publizierte, weil er die Diskussion über diese spezielle Situation nicht unterbrechen wollte.
Nach dem Sel. Paul VI - haben auch der Hl. Johannes Paul II und Benedikt XVI ein auf Kasuistik beruhendes Zugehen auf die Doktrin abgelehnt. Pastorale Fürsorge ist immer mit der Wahrheit und der Notwendigkeit, die Wahrheit zu verkünden, verbunden geblieben. Eben dieser Kardinal Joseph Ratzinger beklagte während der 1980-er Jahre einmal, daß "jedesmal, wenn er nach Deutschland zurückkehrte und ein Interview gab, sich der Interviewer auf ein bestimmtes Thema wie Sexualmoral, Empfängnisverhütung oder Abtreibung beschränkte."
Die Kulturarbeit zwischen den 80-ern und 90-ern und darüber hinaus brachte einen neuen Ton in die Diskussion innerhalb der Kirche. Das Ziel war, die Kirche in der Gesellschaft präsenter zu machen, fähiger, kraftvoll die Glaubenswahrheit zu verkünden, ohne sich auf bestimmte Fälle zu konzentrieren.
Diese Mission gelang, wenn man bedenkt, daß der Schriftsteller Vittorio Messori-zur Feier des 80. Geburtstages von Benedikt XVI geschrieben hat, daß die Unterscheidung zwischen Progressiven und Konservativen nicht mehr up-to-date war.
Das war im Jahr 2007. Jetzt ist diese Unterscheidung wieder modern, wie man an der Diskussion rund um den 50. Jahrestag von Humanae Vitae sehen kann.
Ein Vortrag von Pater Maurizio Chiodi hat eine Kontroverse ausgelöst: das neue Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben hat betont, daß künstliche Empfängnisverhütung im Licht dessen, was Amoris Laetitia sagt- unter manchen Umständen möglich sei.
Chiodis Bemerkungen zeigen jedoch die Grenzen der Diskussion auf: das Grundprinzip war für spezielle moralische Richtlinien eher auf spezielle Fälle zu blicken, als auf das Ganze von Gottes Plan zur Erlösung.
Ein vom Van Thuan-Institut für die Soziallehre der Kirche verfaßtes "Bulletin" ist unbemerkt geblieben. Das Humanae-Vitae gewidmete Bulletin hat die starke Verbindung zwischen der Soziallehre und der Enzyklika des Sel. Pauls VI unterstrichen und betont, daß künstliche Empfängniverhütung de facto das Paar in zwei Individuen aufbricht, nicht für Familien ist und aus Kindern bloße Produkte macht.
Das betrifft die ganze Gesellschaft, weil es keine Gemeinschaften mehr gibt, sondern nur Individuen und das Produkt von Individuen. Am Ende - wenn Sexualität nicht aus Liebe gewählt sondern künstlich kontrolliert wird, kann alles kontrolliert werden.
Dem Menschen wird das hedonistische Vergnügen am Sex gegeben, aber er ist unfähig eine verantwortungsbewußte Freiheit innerhalb der Beziehung zu leben.
Das selbe Institut hat an der Diskussion um die Möglichkeit der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu Kommunion teilgenommen und betont, daß die Eucharistie soziale Bedeutung hat, weil es die Eucharistie ist, die das Christliche Modell einer Gesellschaft legitimiert.
Es geht nicht darum, daß wir zu wählen haben, ob und in welchen Fällen die Eucharistie empfangen werden kann. Es geht darum, daß wir festzulegen haben, welchen Wert wir der Eucharistie geben müssen, weil aus diesem Wert die Welt, die wir bauen, entstanden ist.
Alles hängt am Ende zusammen und es ist kein Zufall, daß die Reform Kirchlicher Universitäten sich um einen größeren interdisziplinären Zugang dreht, dem Modell der nach außen gewandten Kirche-aber auf der Basis eines wohldefinierten Zentrums. Es ist auch kein Zufall, daß die Instruktion über die Erziehung neuer Führungskräfte spricht: die Katholische Kultur braucht Führer, wie sie in diesen Diskussionen fehlten.
Schlußfolgerung: diese kulturelle Revolution braucht kulturelle Führer So lange es sie nicht gibt, so lange wie die, die als Intellektuelle angesehen werden- die Diskussion leiten und sich die Diskussion um bestimmte Themen dreht, ohne den Blick auf breitere Themen zu richten, wird die Kirche immer gefährdet sein, in sich selbst verwurzelt und selbstbezogen zu sein.
Das geht am Ende gegen die Wünsche des Papstes, der Engstirnigkeit als einen der Hauptfeinde der Theologie betrachtet."
Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci
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