Montag, 10. Juli 2023

Die Zurichtung des kommenden Konklaves durch das bevorstehende Konsistorium und die Kardinals-Ernennungen

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A: Gagliarducci das kommende Konsistorium und die angekündigten Kardinalsernennungen. Hier geht´s zum Original: klicken

"PAPST FRANZISKUS, EIN KONSISTORIUM DAS EIN ZEICHEN GEBEN UND SEIN ERBE SICHERN SOLL"

Was Papst Franziskus im 30. September abhalten wird, ist nicht nur ein Konsistorium, das dazu dient, im nächsten Konklave eine überwältigende Mehrheit zu sichern. Statt dessen ein Konsistorium voller Signale, die man auch in den jüngsten Entscheidungen des Pontifikats finden kann. Papst Franziskus versucht koste es was es will und auf jeden Fall sein Erbe zu sichern.

Aus diesem Grund kann dieses Konsistorium nicht in einfachen geographischen Kategorien gelesen werden, die es dennoch gibt und die die generelle Tendenz aller neun Konsistorien unter Papst Franziskus bestätigen: mehr Ländern und Völkern aus aller Welt, mit unterschiedlicher geopolitischer Bedeutung und kirchlicher Schlagkraft zu repräsentieren. 

Da ist ein Kardinal aus Malaysia, wie auch einer aus Kapstadt, Südafrika, ein zweiter Stimmberechtigter aus Tansania, das vielleicht nie so stark vertreten war. Papst Franziskus fährt auch damit fort Kriegsländern eine Stimme zu geben. Der Erzbischof von Juba wird Kardinal. 

Papst Franziskus fährt fort, den traditionell mit der Kardinalswürde verbundenen Bischofssitzen, wie Mailand, Neapel, Paris, Brüssel und Toronto, die alle auf der Liste fehlen, wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Der neue Erzbischof von Madrid allerdings bekommt den roten Hut. 

Da ist der Blick auf besondere Fronten des Dialogs, wie Russland und die Ukraine, mit Erzbischof Gugerotti, Präfekt des Dicasgteriums für die Orientalischen Kirchen, der als zweiter auf der Liste steht. Bischof Stephen Chow von HongKong wird ebenfalls Kardinal, zu einer Zeit, in der er daran arbeitet gute Beziehungen mit der Erzdiözese von Peking herzustellen, die er im April besucht hat. 



Die Schlüssel zum Verständnis dieses Konsistoriums muß jedoch anderswo gesucht  werden. 

Zuerst und vielleicht zentral ist die Auswahl neuer Bischöfe. 

Papst Franziskus hat bewiesen, daß die für ihn Priorität hat. Er hat vor kurzem tiefgreifende personelle Veränderungen in einigen nationalen Episkopaten bewirkt, die er als zu rigide oder gleichzeitig auch als "kulturkämpferisch" betrachtete. Es ist kein Zufall, daß der neue Präfekt des Dicasteriums für die Bischöfe, Erzbischof Prevost, die Liste anführte und daß die Nummern  4 und 5 auf der Liste zwei Apostolische Nuntien sind, der Nuntius in Italien, Emil Paul Tscherrig und der Nuntius in den USA, Christophe Pierre. 

Die Nuntien haben wahrscheinlich Franziskus´ Wunsch für den Episkopat am besten verstanden und haben entsprechend bei ihren Recherchen und Vorschlägen gehandelt. 

Dann gibt es das Kriterium der Ausbildung der Priester. Die Ernennung von Bischof Michele Di Tolve, dem neuen Weihbischof von Rom, zum Rektor des Römischen Priesterseminars war bereits ein universelles Signal. Der Papst will Pfarrer, keine Kulturkämpfer, und er möchte Pfarrer in der Nähe des Volkes, unabhängig von den Turbulenzen oder Spannungen, die dies im Klerus und im Episkopat hervorruft. Tatsächlich hat Papst Franziskus zum ersten Mal einen Bischof zum Rektor des Seminars gewählt. Papst Franziskus sagt: das ist mein Mann. Er entspricht mir direkt.

Abgesehen davon, daß der neue Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, Victor Manuel Fernandez, ebenfalls in dieses Bildungsthema fällt, ernennt Papst Franziskus den Bischof von Ajaccio, François-Xavier Bustillo, zum Kardinal, der für ein Buch über diese Rolle des Bischofs in diesem Wechsel der Zeiten bekannt ist, ("Zeugen. Nicht Beamte“), das der Papst dem Klerus von Rom nach der Chrisam-Messe am Gründonnerstag 2022 schenkte.

Zusätzlich zu den neuen Kardinalwählern wählte Papst Franziskus auch Kardinalpater Luis Pascual Dri, 96, Beichtvater des Heiligtums von Nueva Pompeya in Buenos Aires, das Papst Franziskus mehrfach als Beispiel anführte. Berichten zufolge hat Pater Dri Bedenken geäußert, weil er „zu barmherzig“ sei, aber für Papst Franziskus ist das der Punkt: Gott ist barmherzig, und er schreibt auch im Brief an den neuen Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre, daß jeder, der die Eine Lehre, Gottes Allmacht, aber vor allem seine unendliche Barmherzigkeit in Frage stellt, nicht geeignet ist.

Andererseits ist das die Art, wie Papst Franziskus spricht. Er stellt eine Armee von Kardinälen und Bischöfen zusammen, die er durch Symbole und Zeichen als nahe betrachtet. Die Generäle der Armee des Papstes erhalten stets Dienstgrade und Beförderungen. Sie haben immer eine öffentliche Rolle, die es ihnen nicht erlaubt, sich abzugrenzen oder die Wünsche des Heiligen Vaters auf kreative Weise zu leben.

Papst Franziskus benutzt die Konsistorien auch immer, um politisch-praktische Leitlinien zu geben.

Während unter den neuen Mitgliedern der Bischofssynode die Anwesenheit von Kardinal Gerhard Ludwig Müller als direkte päpstliche Ernennung hervorsticht, sticht unter den neuen Kardinälen, auch ohne Stimmrecht, die Anwesenheit von Erzbischof Agostino Marchetto hervor.

Man könnte meinen, daß es um seine Arbeit mit Migranten während seiner Zeit als Sekretär des Päpstlichen Rates für Migranten ging. Es ist wahrscheinlicher, daß der Papst ihn aufgrund seiner umfassenden, detaillierten und präzisen Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils ausgewählt hat. Marchetto betrachtet das Konzil nicht als einen Bruch, sondern als etwas, das in der Kontinuität der Kirchengeschichte zu lesen ist.

Die Anwesenheit Marchettos unter den neuen Rothüten scheint mit anderen Worten eine Garantie zu sein. 

Angesichts eines Pontifikats, das sich als maßgeblicher Interpret des Zweiten Vatikanischen Konzils erweisen will, ist die Berufung eines Kardinals, der die völlige Kontinuität des Konzils unterstreicht, eine Garantie. Er dient dazu zu sagen: Wir tun, was das Zweite Vatikanische Konzil von uns verlangt hat, und wir tun es gerade deshalb, weil wir an die Interpretation der Kontinuität glauben.

In gewisser Weise rückt die Anwesenheit von Marchetto auf der Liste auch äußerst unpopuläre Entscheidungen in dieses Bild, wie zum Beispiel das Motu proprio Traditions Custodes und seine anschließenden restriktiven Interpretationen, die die meisten Zugeständnisse an diejenigen, die lieber die traditionelle Messe zelebrieren, aufheben.

Ebenso könnten die Anwesenheit von Kardinal Müller und andere Elemente des Gleichgewichts eine Suche nach Ausgewogenheit in einer Debatte darstellen, die zunehmend polarisiert und immer härter wird. Am Ende wird Papst Franziskus zunehmend spaltend sein, weil er Entscheidungen jetzt und auf endgültige Weise trifft. Und so stellt dieses Konsistorium den Abschluss eines Kreises dar, der vor zehn Jahren begann. Der Papst hat sein Pontifikat mit der Ernennung von Fernandez zum Rektor der Katholischen Universität von Buenos Aires begonnen und rächte sich damit an denen in Rom, die gegen seine Ernennung ein Veto eingelegt hatten. Er kommt zu diesem neunten Konsistorium, ernennt Fernandez zum Kardinal und ruft ihn an die Seite des Papstes in Rom.

Papst Franziskus eröffnete seine Tradition der jährlichen Konsistorien (er ließ nur 2021 aus), indem er den Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre auf den dritten Platz der Kardinalsliste nach dem Staatssekretär setzte, vor allem aber nach dem Generalsekretär die Bischofssynode. Auch hier steht der Präfekt des DDF an dritter Stelle der Kardinalsliste, gefolgt von anderen Themen, die Papst Franziskus als vorrangig erachtet.

Vor zehn Jahren begann Papst Franziskus, die traditionelle Zusammensetzung und das  Missionsprofil des Kardinalskollegiums zu untergraben, indem er das Kardinal langsam sowohl der der Diözesen mit traditionellem Kardinalssitz als auch von seiner Rolle in der Römischen Kurie löste. Am 30. September werden wir 136 Kardinalwähler haben, 16 mehr als die von Paul VI. festgelegte Grenze von 120, und 99 davon wurden von Papst Franziskus geschaffen, eine überwältigende Mehrheit.

Vielleicht scheint es, daß es keine Ernennungen von "Sanierungskardinälen“ gibt, wie es in den jüngsten Konsistorien der Fall war, als der Papst dem kürzlich verstorbenen Nuntius Rauber, auf den nicht gehört wurde, den roten Hut überreichte, als er Jozef de Kesel als Erzbischof von Brüssel vorschlug, oder als er es dem Nuntius Fitzgerald verlieh, der die päpstliche Botschaft nach Kairo verlegt hatte, nachdem er Sekretär des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog gewesen war, was als Degradierung galt.

Aber dann stellen wir fest, daß in der Liste der neuen Kardinäle der Erzbischof von Cordoba, Angelo Sixto Rossi, steht, Leiter der Erzdiözese, wohin die Jesuiten den jungen Bergoglio schickten, nachdem er als Provinzial gedient hatte, was einige Biographen als Exil und Marginalisierung betrachtet haben. Es ist, als wollte er sagen, daß der Papst der Erzdiözese, die seine dunkelsten Jahre erlebte, mehr Würde verleiht.

Vielleicht verdeutlicht dies alles auch einen Persönlichkeitszug von Papst Franziskus, der auf seine Weise kommandiert, ohne Rücksicht auf Traditionen oder Gleichgewichte zu nehmen. So sehr, daß Americo Aguiar, ein Weihbischof von Lissabon, Architekt des nächsten Weltjugendtags und in völliger Harmonie mit dem Papst, ebenfalls zum Kardinal ernannt wurde. Es spielt keine Rolle, daß der Patriarch von Lissabon auch Kardinal ist und daher nur eine Diözese zwei rote Hüte hat.

Keine ungeschriebene oder vernünftige Regel kann eine persönliche Entscheidung aufhalten. So hat Papst Franziskus gehandelt, um sein Erbe zu sichern. Für seinen Nachfolger, wer auch immer er sein mag, wird es eine schwerwiegende und schwer zu verdauende Angelegenheit sein."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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