Mittwoch, 27. September 2023

Atheismus und Gottes-Sehnsucht

John Waters kommentiert bei firstthings das Buch des Atheisten David Baddiel "Die Gottes-Sehnsucht" das sich von den vielen anderen klischeebeladenen Ausführungen anderer Atheisten unterscheidet.  Hier geht´s  zum Original:  klicken 

"DER VERLUST DES WUNDERS FÜHRT ZUM SÄKULARISMUS"        Ich lese fast nie Bücher von Atheisten- nicht mehr seit der Zeit, als ich mehrere Tage damit verbracht habe, Christopher Hitchens "Gott ist nicht groß" voller Klischees zu lesen, mit dem ich mich vertraut machen mußte, bevor ich damals, 2007, mit ihm bei einem Dubliner Literatur-Festival diskutieren mußte. Am Ende unserer Diskussion sagte er ziemlich uncharmant: "ich weiß nicht über welche Religion Sie reden, jedenfalls keine, die ich kenne." Darauf antwortete ich "Sie haben die letzten 2 Jahre in Ihrem Bau verbracht, und alle möglichen Fanatiker und Fundamentalisten herauf beschworen und  jetzt kommen Sie damit, daß sie keine finden können!", 


Hitchens war voller Neurosen und Wut -in etwas, was ein Konfomritäts-Requisit auch anderer Neo-Atheisten zu sein scheint. A.C. Crayling, Stephen Fry und Sam Harris. Am Abend vor unserer Diskussion saßen wir beim Essen nur wenige Fuß voneinander entfernt voneinander, am Tisch gegenüber und er hatte angestrengt versucht, drei Stunden lang, jeden Augenkontakt mit mir zu vermeiden. 

David Baddiel ist anders. Ein früherer Comedian im BBC-Fernsehen, ist er Atheist aber kein "pain un the neck". Sein jüngstes Buch "Die Gottes-Sehnsucht" ist entweder der Beginn eines neuen, sanfteren kulturellen Angriffs auf den Glauben oder eine schlaue Übernahme des Zeitgeistes unserer säkularen, atheistischen Ära. Weil Baddiel sowohl den Skeptizismus unserer Zeit als auch die Sehnsucht, die darüber hinausgeht ausdrückt. 

Er ist die Art Atheist, die ganz gern mag, ein bißchen wie der Oxford-Dozent mit dem ich damals im Cork-Universitäts-College über die Bewegung "Unsere Gesellschaften brauchen keinen Gott mehr" diskutierte. Professor Peter Atkins,ein außerodentlich angenehmer Mann, behielt nicht -wie so vieler seiner Mit-Atheisten- nach Ende der Diskussion den Ton der Debatte bei. Als wir hinterher durch den Campus gingen, sagte ich im Scherz, daß es ein bißchen ironisch sei, daß ich angesichts der Vehemenz seiner Argumente der einzige von uns beiden sei, der die Chance habe,  bestätigt zu werden. Er fragte mich, was ich meine. Ich sagte: Wenn Sie Recht haben, wird das keiner von uns je wissen, wenn ich dagegen Recht habe, werden wir es beide wissen!" Er lachte, schwieg einen Moment und antwortete: "Es ist viel schlimmer als das John. Ich fürchte, weil wenn Sie Recht haben, ich sehr glüklich sein werde!" Baddiel erscheint mir als nach dem selben Muster geschaffen. 

Er beschreibt sich selbst als einen "fundamentalistischen Atheisten". Seine Haupt-These ist, daß Gott nicht existiert, aber daß die Sehnsucht nach ihm besteht, einschließlich bei ihm -Baddiel-selbst. Trotz einer Unterstützung durch Stephen Fry auf der Rückseite des Umschlags, erweist das Buch sich als sehr interessant, wenn auch nur, weil es nicht der übliche unangenehme und hochnäsige 90.000 Worte-Hohn ist. Tatsächlich kann man es in einer Sitzung lesen und es gibt nur eine Handvoll höhnischer Bemerkungen. Baddiel hat seinen Fall gegen Gott auf Seite 6 zusammengefaßt - und widmet den Rest des Buches einer nur unterhaltsamen Zusammenfassung seiner jüdischen Verwirrung und dem Angst vor dem Tod. 



"Es verwirrt mich manchmal" schreibt er " wie jüdisch ich trotz oder gerade wegen meines Atheismus manchmal bin" Manchmal nimmt er am rituellen und am Gebetsleben seiner Gemeinschaft teil, obwohl er nicht daran glaubt, daß das mehr als tröstliche Symbole sind.. "Ich bin vom Überleben der Juden bewegt" schreibt er "Ich bin komisch berührt, wenn vor jedem Essen, das jedes jüdische fest kennzeichnet, irgendein Gast sagt: "Sie haben versucht uns umzubringen, es sit ihnen nicht gelungen, laßt uns essen."

"Die meisten Argumente für den Atheismus sind philosophisch" schreibt er auf Seite 5 "manchmal verknoten sie sich selbst bei dem Versuch, mit dem Versuch zurecht zu kommen, wie sie die Nicht-Existenz von etwas beweisen können. Im Herzen beruht das auf der Idee, daß es keinen Beweise für die Existenz Gottes gibt, deshalb existiert Er nicht." Und das- deutet er an- könnte das Ende davon sein, ist es aber nicht. Es gint keinen Beweis für die Existenz dunkler Materie, erinnert er sich, und dennoch sind wir bereit, an sie zu glauben und diesen Glauben Vernunft zu nennen. 

Sein Argument-erklärt er- ist "im allgemeinen Sinn  psychologisch". "Es erfordert ein Zugeständnis, das die meisten Atheisten, wie ich bemerkt habe. nicht machen wollen. Das ist . ich liebe Gott... Wer würde einen Superhelden-Vater, der den Tod verjagt, nicht lieben?" 
Er weist die "Macho"-Einstellung von so viel Atheismus einschließlich einiger oder aller neuen Atheisten" zurück. "Einige Atheisten" schreibt er "raten richtig, daß was Religion dem Menschen gibt, Trost ist und dann-auf eine Weise die sich ein wenig kindlich anfühlt- fühlen sie sich gezwungen so etwas wie "Trost? Das ist für Babys" zu sagen. 

Die Gottes-Sehnsucht, behauptet er, entsteht weil Menschen Vergessenheit fürchten und deshalb einen Weg suchen, wenn nicht den Tod dann zumindest den Gedanken an den Tod zu vermeiden. Aber das, darauf besteht er, ist illusionär, der Teil, dem er wirklich widersprechen will. Er liebt die Idee, den Tod zu eliminieren, auch den Gedanken an ihn. Er glaubt, daß das Leben besser ist als der Tod, auch obwohl er oft gehört hat, daß Atheisten behaupten, daß man nicht wissen wird, daß man tot ist, wenn man es ist. 

Obwohl es kein spektakulär originelles Buch ist, ist "Die Gottes-Sehnsucht" interessant, auch teilweise amüsant. Wenn es nicht um Seitenhiebe gegen die üblichen Schreckgespenster der Liberalen wie Trump und Putin geht, ist das Buch stark von Baddiels beißendem Humor geprägt, der sich ebenso an ihn selbst wie an alle anderen richtet. Er vermeidet es, sich auf das einzulassen, was er "Argumente der sechsten Form“ über die Existenz Gottes nennt, und erklärt einfach, daß es keine Beweise gibt, und das ist es. Er weicht auch den Debatten darüber aus, warum dies nicht unbedingt eine gute Sache für die menschliche Gesellschaft sei, indem er lediglich erklärt, daß dies nicht seine Sorge sei. Sein Fokus liegt ausschließlich auf der "Wahrheit“ Gottes. Er übernimmt keine Verantwortung für die Folgen des Atheismus. Er ist die Art von Komiker, die einen zum Lachen bringt, auch wenn man mit vielem von dem, was er eindeutig glaubt, nicht einverstanden ist, und er entpuppt sich als recht sympathisches – wenn auch selbstgefälliges und kurzsichtiges – Kind seiner Generation (d. h. der sehr späten Boomer/frühen Generation Xer). ), der durch den Sucher alles sieht, was er für rational hält, in Wirklichkeit aber nur fatalistisch ist.

Das grundlegende Problem bei Baddiels Argumentation besteht darin, daß er, wie die meisten Liberalen, die scheinbare Selbstverständlichkeit des Alltäglichen akzeptiert – er gibt kein Wunder über die alltägliche Existenz zu und scheint sich nicht vorzustellen, daß das Staunen selbst mehr ist als ein vorgetäuschter Ausdruck des Erstaunens, ein konstantes "Wow!
 

David Baddiel und ich haben den gleichen Geburtstag, den 28. Mai, obwohl er neun Jahre jünger ist als ich. Ich gehe daher leichtsinnig davon aus, dass er am 4. September 1963 gezeugt wurde. Würden wir uns auf unserer Reise durch diese Existenzebene zufällig begegnen und ich würde ihm in einer Bahnhofscafeteria gegenübersitzen, würde ich ihm vorschlagen, daß er seine Vorstellungskraft – beraubt von Körperlichkeit, Geschichte und Sinnesfähigkeiten – in den Tag vor seinem Ausbruch als Augenzwinkern seines Vaters verortet. und sich auf eine einzige, einfache Frage konzentriert : Was glaubst du, an diesem dritten September 1963, an diesem letzten Tag deiner langen Nichtexistenz, in der Zukunft möglich zu sein? Kannst du dir in deinem Nichts den Himmel oder die Berge, deine Mutter oder eine Eiswaffel vorstellen?

Und natürlich könnte er das nicht. Ich möchte ihn dann darauf hinweisen, wie spektakulär unsere Existenz ist und wie viel wir verpasst hätten, wenn wir nie geboren worden wären – wir haben beide ein reiches und ereignisreiches Leben in einer Welt genossen, die wir am Tag vor ihrem Beginn gleichermaßen nicht vorhersehen konnten. Wie ist es möglich, bei so vielem, worüber man sich über das Leben und die Existenz wundern kann, auf das Nichts fixiert zu werden, als ob dies der Standardzustand des Seins wäre?

Das Problem der Unglaubwürdigkeit Gottes in der heutigen Gesellschaft ist nicht so sehr ein Glaubensproblem als vielmehr ein Problem der Perspektive. In Wirklichkeit hat es nichts mit chronologischer Zeit, Fortschritt, Evolution oder Intelligenz zu tun, sondern mit dem Niedergang bestimmter Arten, sich mit der Realität auseinanderzusetzen, wie z. B. wahres, tiefes Staunen, das wirklich nur in einer Wiederherstellung des unschuldigen Enthusiasmus erreicht werden kann, den wir als Kinder empfunden haben.

Die Realität verliert ihren Geschmack, wenn man sie für selbstverständlich hält. Eine Folge davon ist, daß wir uns nicht über unsere eigene Existenz wundern lassen und daher alles als selbstverständlich hinnehmen, was "nur" ist. Unser Gebrauch der Vernunft blockiert uns, weil er uns daran hindert, mit dem unergründlichen Mysterium der Realität in Einklang zu kommen und uns zu fragen, was möglich sein könnte, wenn das, was ist, nicht wäre.

Natürlich wäre ständiges Staunen ein zutiefst ermüdender Zustand. Aber das Wichtigste ist, sich daran zu erinnern, dass dieser Zustand existiert, und so sollten wir niemals versuchen, endgültige Entscheidungen über die Grenzen des Möglichen zu treffen, bis wir uns wieder daran erinnern, wie es ist, ein Kind mit offenem Mund vor der Majestät der Realität zu sein. "

Quelle: J.Waters, firstthings

 

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