Wir entschuldigen uns für die unbeabsichtigte vorzeitige Veröffentlichung der unfertigen Übersetzung der heutigen Gagliarducci-Kolumne!
In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican betrachtet A. Gagliarducci den bisherigen Verlauf des Pontifikates von Papst Leo XIV. Hier geht´s zum Original: klicken
LEO XIV UND DIE ZUKUNFT DER KATHOLISCHEN POLITIK
Wenn Sie nicht darauf geachtet haben, haben Sie es vielleicht nicht erfahren, aber Papst Leo XIV hat in der vergangenen Woche seine Vision der Katholischen Teilnahme am öffentlichen Leben formuliert, die ganz sicher der Eckstein seines gesamten pontifikalen Lehramtes und ein Schlüssel seiner politischen Philosophie sein wird.
Leos Rede zu den Katholischen Politikern aus der Französischen Diözese von Créteil enthielt Gedanken, die er bereits an verschiedenen Orten und in verschiedenen Audienzen seines immer noch sehr jungen Pontifikates in einem sehr komplizierten Gewebe präsentiert hat
Zunächst eine kleine Wiederholung seiner ersten Schritte.
Bei seinem Treffen mit dem beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Corps unmittelbar nach seiner Wahl brachte Leo XIV. das Thema der Diplomatie der Wahrheit erneut in den Vordergrund. Er betonte, dass die Kirche berufen sei, die Wahrheit über die Menschheit zu sagen, auch wenn dies auf Widerstand stoßen oder unangenehm sein könne.
Und dann war da noch die Ansprache an die Mitglieder des International Catholic Legislators Network am 23. August, in der er das Beispiel des heiligen Augustinus und seines Konzepts des Gottesstaates anführte, der dem Menschenstaat gegenübersteht.
„Augustinus“, sagte der Papst, „ermutigte die Christen, die irdische Gesellschaft mit den Werten des Reiches Gottes zu durchdringen und so die Geschichte auf ihre endgültige Erfüllung in Gott auszurichten und gleichzeitig authentisches menschliches Gedeihen in diesem Leben zu ermöglichen. Diese theologische Vision kann uns angesichts der heutigen Veränderungen Halt geben: der Entstehung neuer Gravitationszentren, der Verschiebung alter Allianzen und des beispiellosen Einflusses globaler Konzerne und Technologien, ganz zu schweigen von zahlreichen gewaltsamen Konflikten. Die entscheidende Frage für uns Gläubige lautet daher: Wie können wir diese Aufgabe bewältigen?“
Am 28. August schloss Leo XIV. bei einem Treffen mit einer Gruppe katholischer Politiker aus der Diözese Créteil den Kreis mit einer präzisen Anweisung: „Wenn die Wahrheit auf dem Spiel steht, muss ein katholischer Politiker ‚Nein, ich kann nicht‘ sagen.“
Leo hat sich mehrfach sowohl zur Soziallehre der Kirche als auch zum Thema Wahrheit geäußert, ganz zu schweigen von den ständigen diplomatischen Appellen des Papstes, die sich durch eine offene, präzise und knappe Sprache auszeichnen.
Der Papst betonte auch die Notwendigkeit, dass menschlicher Wohlstand mit dem Gemeinwohl verknüpft sein müsse, dass eine ganzheitliche menschliche Entwicklung „im Naturrecht, der moralischen Ordnung, die Gott in das menschliche Herz geschrieben hat und deren tiefere Wahrheiten durch das Evangelium Christi erleuchtet werden“, verwurzelt sei. Dies geschah auch in seiner Rede vor dem International Catholic Legislators Network am 23. August. „In dieser Hinsicht“, sagte Leo weiter, „zeigt sich echtes menschliches Gedeihen, wenn Menschen tugendhaft leben, wenn sie in gesunden Gemeinschaften leben und nicht nur genießen, was sie haben, was sie besitzen, sondern auch, wer sie als Kinder Gottes sind.“
„Es sichert die Freiheit, nach der Wahrheit zu suchen“, sagte Leo, „Gott anzubeten und Familien in Frieden zu gründen.“
Es ist erwähnenswert, dass das Thema der Botschaft zum Weltfriedenstag 2026 bekannt gegeben wurde. Es ist inspiriert von den ersten Worten Leos XIV. bei seiner Wahl: „Friede sei mit euch allen! Auf dem Weg zu einem unbewaffneten und entwaffnenden Frieden.“
Das Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen erklärte, dass der von Leo XIV. angedeutete wahre Frieden ein Frieden sei, „der nicht einfach die Abwesenheit von Konflikten ist, sondern die Entscheidung zur Abrüstung, ‚das heißt, nicht auf Angst gegründet‘. Das Schweigen der Artillerie wird dann ‚entwaffnend‘, weil es ‚Konflikte lösen, Herzen öffnen und Vertrauen, Empathie und Hoffnung schaffen kann‘.“
Diese kurzen Einblicke – es ist jedoch immer ratsam, die Texte vollständig zu lesen, um alle ihre Implikationen zu verstehen – heben Leo XIV.s Engagement für wichtige Themen besonders hervor und bieten einen möglichen Ausblick auf sein zukünftiges Pontifikat.
Leo XIV. scheint kein Papst zu sein, der sich auf kleine praktische Dinge konzentriert, auf das, was man „Kasuistik“ nennen würde. Stattdessen befasst sich Leo XIV. mit großen Prinzipien. Vielleicht ist dies nicht mehr der richtige Zeitpunkt, den Begriff „nicht verhandelbare Prinzipien“ zu verwenden, aber diese Prinzipien sind in der Lehre des Papstes stets präsent. Es gibt keine Abweichungen von der Wahrheit. Es gibt Dialog, es gibt Verständnis, aber es gibt keine Abweichungen.
Die erste Enzyklika des Papstes, die angeblich genau dem Frieden gewidmet ist – oder Frieden als eines ihrer zentralen Themen haben wird – wird vieles von dem Denken des Papstes in dieser Hinsicht verdeutlichen. Bislang könnte man sagen, dass die Ära des katholischen Engagements in Volksbewegungen oder der uneingeschränkten katholischen Sympathie für humanitäre Einsätze, welcher Couleur auch immer, vorbei ist. Leo XIV. ruft stattdessen zu einer Rückkehr zur christlichen Identität und zur Zusammenarbeit beim Aufbau der Zivilisation der Liebe auf. Nicht, dass diese Ära, mit dem Hauch Südamerikas, den Papst Franziskus mit sich brachte, abgelehnt worden wäre. Leo XIV. ist sich der Vorzüge und Grenzen dieses Ansatzes durchaus bewusst, weil er zunächst als Missionar und dann als Bischof in Peru gedient hat.
Doch gerade weil er dessen Vorzüge und Grenzen kennt, muss Leo XIV. Ansatz sorgfältig überdacht werden. Wir sind zur Zentralität Christi zurückgekehrt und müssen uns unweigerlich an die Vorbereitungen für die Fünfte Konferenz des Lateinamerikanischen Episkopats in Aparecida 2007 erinnern.
Das vorgeschlagene Thema lautete ursprünglich „Jünger und Missionare Jesu Christi, damit unser Volk das Leben habe“. Benedikt XVI. wollte den Zusatz „in ihm“ hinzufügen, um die Zentralität Christi zu betonen. Das Dokument von Aparecida wurde dann zu Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus zum Leitdokument, zumindest bis zur Veröffentlichung des Schreibens Evangelii Gaudium. Doch der christozentrische Ansatz der Versammlung schien in Vergessenheit geraten, während die gesamte post-vatikanische Erzählung einer Kirche, die sich stärker mit der Welt und weniger mit Strukturen auseinandersetzt, wieder an Popularität gewonnen hatte.
Leo XIV. arbeitet daran, die Situation neu auszubalancieren. Doch wie er dies tut, wird Auswirkungen auf die Rolle katholischer Politiker haben.
Die Päpste des letzten Jahrhunderts haben stets Politiker gefordert, die sich wirklich an katholischen Prinzipien orientieren. Leo XIV. richtete jedoch keinen allgemeinen Appell. Er forderte Politiker auf, der Wahrheit treu zu bleiben und in der Lage zu sein, Nein zu sagen. Vielmehr forderte er Politiker auf, ihrem christlichen Leben treu zu bleiben.
Das bedeutet, dass kein Thema der Menschenwürde ausgeklammert werden kann, und es spielt keine Rolle, ob einige der Themen – der Kampf gegen die Gender-Ideologie, die Frage der Familie und der Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod – unpopulär sind. Der Ansatz besteht nicht darin, einen Konsens zu suchen, sondern für die Wahrheit einzutreten. Katholische Politiker werden daher nicht aufgefordert, ihre Sprache anzupassen, sondern sich dafür einzusetzen, dass die Politik etwas zum Schicksal der Menschheit beiträgt.
Dies stellt einen bedeutenden Perspektivwechsel dar, der hervorgehoben werden sollte.
Letztlich ist Leo XIV. kein „verbesserter Franziskus“, wie manche behaupten. Auch lässt sich der Papst nicht als „Vorher“ oder „Nachher“ interpretieren, denn er repräsentiert eine neue Generation, die sich stark von der vergangenen unterscheidet. Der Versuch, eine Kontinuität zum vorherigen Pontifikat zu erkennen, auch wenn einige Elemente von Franziskus’ Pontifikat offensichtlich erhalten geblieben sind, ist ein riskantes Unterfangen. Dennoch hat Leo XIV. begonnen, seine eigenen Neuerungen einzuführen, und diese müssen ehrlich interpretiert werden, ohne sie zu überschätzen oder zu unterschätzen. Die erste Neuerung ist die „Übertragung von Verantwortung“ auf katholische Politiker.
Wer weiß, ob es damit wirklich gelingen wird, die Herzen zu verändern?"
Quelle: A. Gagliarducci. ölMOnday at the Vatican
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