Auch heute setzet Fr. John Zuhlsdorf s bei OnePeterFive eine Katechese über die Sonntage im Kirchenjahr und für die Liturgie. Hier geht´s zum Original: klicken
"IN JENER ZEIT: DER DRITTE ADVENTSSONNTAG GAUDETE"
"Die Kirche führt uns durch den Advent mit einer zugleich ernsten und freudigen Pädagogik, deren Rhythmus sich mit dem Näherrücken der großen Geheimnisse beschleunigt. Vom ersten Adventssonntag an, an dem die Ankunft des Herrn als noch fern, aber gewiss bevorstehend verkündet wird, schreitet die Liturgie – Messe und Stundengebet – mit zunehmender Dringlichkeit voran. Der anfängliche Horizont ist eschatologisch.
Die Ankunft Christi wird zunächst nicht als zarte Weihnachtsgeschichte verkündet, sondern als das Kommen des Richters und Königs. Der zweite Sonntag verstärkt diese Erwartung. Johannes der Täufer, im Gefängnis und dem Tode nahe, schickt seine Jünger zu Jesus, um ihn nach seiner Identität zu fragen. Christi Antwort besteht nicht aus abstrakten Definitionen, sondern aus Zeichen: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf. Dies sind messianische, aber auch eschatologische Zeichen. Sie künden vom Kommen Gottes, nicht nur vom Kommen des Messias. Was jetzt in seiner Gnade geschieht, nimmt vorweg, was bei der Vollendung aller Dinge universal geschehen wird.
Am dritten Adventssonntag ändert der Gesang der Kirche seine Farbe, ohne jedoch seinen Kern zu verlieren. Im Introitus singt man „Freut euch im Herrn allezeit… Gaudete in Domino semper“, und die rosafarbenen Gewänder unterbrechen das violette. Doch diese Freude ist weder eine völlige Unterbrechung der Buße noch ein Verfall in Sentimentalität. Es ist Freude, weil „ prope est … Er ist nah“. Er ist nah in liturgischer Hinsicht, da die Geburt Christi naht. Er ist nah in chronologischer Hinsicht, da das Ende der Geschichte mit jedem Augenblick näher rückt. Er ist nah in sakramentaler, mystischer und moralischer Hinsicht. Die Kirche wendet sich in diesem Moment nicht von Johannes dem Täufer ab. Im Gegenteil, sie stellt ihn uns erneut vor Augen, nun im Johannesevangelium, wo er von Boten aus Jerusalem befragt wird: „Bist du der Christus? Bist du Elia? Bist du der Prophet?“ Johannes antwortet mit strenger Klarheit. Er ist nicht der Messias. Er ist nicht der persönlich wiedergekehrte Elia. Er ist die Stimme. „ Ego vox clamantis in deserto: Dirigite viam Domini “, unter Berufung auf Jesaja 40.
Diese Kontinuität zwischen dem Matthäusevangelium der letzten Woche und dem Johannesevangelium dieses Sonntags ist kein Zufall. Bei Matthäus bezeichnet Christus Johannes als „mehr als einen Propheten“, als den verheißenen Vorläufer, ja sogar als den kommenden Elia. Bei Johannes weist der Täufer ein wörtliches Missverständnis zurück und verortet sich genau im prophetischen Text. Er ist die Stimme, nicht das Wort. Er bereitet den Weg für einen anderen. Jesajas Weissagung umrahmt somit sowohl das erste als auch das endgültige Kommen. „Bereitet in der Wüste den Weg des Herrn, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott.“ Täler werden erhöht. Berge werden erniedrigt. Das Krumme wird gerade. Das Unebene wird eben. Dies ist Gnade jetzt. Es wird Gericht später sein.
Der Weg des Herrn zu uns wird entweder durch Buße und Gnade oder durch das unwiderstehliche Kommen des Königs von furchtbarer Majestät geebnet.
Gestatten Sie ein längeres Zitat aus einer Predigt des heiligen Augustinus von Hippo (+430), gehalten im Jahr 413 zum Fest der Geburt Johannes des Täufers? Es geht darin um den Gegensatz zwischen der Rolle Johannes des Täufers, der Stimme, die in der Wüste rief, und der seines Vetters Jesus, des fleischgewordenen Wortes Gottes. Johannes' Demut bereitete den Weg des Herrn.
Johannes ist die Stimme, aber der Herr ist das Wort, das im Anfang war. Johannes ist die Stimme, die eine Zeitlang anhält; von Anfang an ist Christus das Wort, das ewig lebt.
Nimmt man das Wort, die Bedeutung weg, was bleibt dann noch von der Stimme übrig? Wo kein Verständnis ist, bleibt nur ein bedeutungsloser Laut. Die Stimme ohne Wort trifft zwar das Ohr, aber sie erhebt nicht das Herz.
Doch lasst uns beobachten, was geschieht, wenn wir uns zunächst bemühen, unser Herz zu öffnen. Wenn ich darüber nachdenke, was ich sagen möchte, ist das Wort oder die Botschaft bereits in meinem Herzen. Wenn ich mit dir sprechen möchte, suche ich nach einem Weg, das, was bereits in meinem Herzen ist, auch mit deinem Herzen zu teilen.
Auf der Suche nach einem Weg, diese Botschaft an dich zu übermitteln, damit das Wort, das bereits in meinem Herzen ist, auch in deinem Platz findet, spreche ich mit meiner Stimme zu dir. Der Klang meiner Stimme bringt dir die Bedeutung des Wortes und verklingt dann. Das Wort, das der Klang dir gebracht hat, ist nun in deinem Herzen und doch auch noch in meinem.
Wenn euch das Wort verkündet wurde, klingt es dann nicht so, als ob die Stimme sagen wollte: Das Wort soll wachsen, ich aber solle abnehmen? Die Stimme hat sich im Dienst des Wortes hörbar gemacht und ist dann wieder verklungen, als wollte sie sagen: Meine Freude ist vollkommen. Lasst uns am Wort festhalten; wir dürfen das Wort, das in unseren Herzen empfangen ist, nicht verlieren.
Brauchen Sie einen Beweis dafür, dass die Stimme verstummt, das göttliche Wort aber bleibt? Wo ist heute die Taufe des Johannes? Sie hat ihren Zweck erfüllt und ist vergangen. Nun feiern wir die Taufe Christi. An Christus glauben wir alle; in ihm hoffen wir auf Erlösung. Das ist die Botschaft, die die Stimme verkündete.
Weil es schwerfällt, Wort und Stimme zu unterscheiden, hielt man sogar Johannes selbst für Christus. Man glaubte, die Stimme sei das Wort. Doch die Stimme gab zu, was sie war, um das Wort nicht zu verärgern. „Ich bin nicht Christus“, sagte er, „weder Elia noch der Prophet.“
Und da kam die Frage: Wer bist du dann? Er antwortete: Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Die Stimme eines Rufers in der Wüste ist die Stimme eines, der die Stille bricht. Bereitet dem Herrn den Weg, sagt er, als wolle er sagen: „Ich spreche, um ihn in eure Herzen zu führen, aber er kommt nicht dorthin, wohin ich ihn führe, wenn ihr ihm nicht den Weg bereitet.“
Was bedeutet „den Weg bereiten“, wenn nicht „gut beten“? Was bedeutet „den Weg bereiten“, wenn nicht „demütig in seinen Gedanken sein“? Wir sollten uns ein Beispiel an Johannes dem Täufer nehmen. Er wird für den Christus gehalten; er erklärt jedoch, dass er nicht das ist, was sie für ihn halten. Er nutzt ihren Irrtum nicht aus, um seinen eigenen Ruhm zu mehren.
Hätte er gesagt: „Ich bin Christus“, kann man sich vorstellen, wie bereitwillig man ihm geglaubt hätte, denn sie glaubten schon vor seinen Worten, dass er Christus sei. Doch er sagte es nicht; er bekannte, wer er war. Er machte deutlich, wer er war; er demütigte sich.
Er erkannte, wo seine Rettung lag. Er verstand, dass er eine Lampe war, und seine Furcht bestand darin, dass sie vom Wind des Stolzes ausgeblasen werden könnte.
„Bereitet seinen Weg!“, ruft der Täufer.
Mit solcher Wucht ertönt die immerwährende Mahnung: Geh zur Beichte.
Die Richtung kann jetzt sanft erfolgen, auch wenn sie Tränen, Wiedergutmachung und Buße mit sich bringt. Später wird der Richtende selbst die Richtung vornehmen. Doch diese ernüchternde Wahrheit löscht die Freude nicht aus. Im Gegenteil, sie begründet sie. Es gibt mehr als diese Welt. Es gibt den Himmel. Es gibt die endgültige Zusammenfassung aller Dinge: „ ut sit Deus omnia in omnibus … damit Gott alles in allem sei“ (1 Kor 15,28). Der Grund zur Freude nähert sich nicht nur. Der Grund selbst naht.
Das menschliche Zeitempfinden spiegelt diese Beschleunigung wider
In finem citiusJe näher wir dem Ende kommen, desto schneller scheinen sich die Dinge zu beschleunigen
Dies gilt für unser Leben im Alter, in dem die Jahre immer schneller zu vergehen scheinen. Es gilt auch für das Kirchenjahr, dessen Struktur uns rasch und tröstlich ins Herz der Geheimnisse führt. Die Heilige Kirche belehrt uns nicht bloß über die Heilsgeschichte. Sie lässt uns in sie eintauchen. Sie führt uns in das Geheimnis hinein, das die Quelle unserer Freude ist.
Nirgends wird dies deutlicher als im Introitus, der diesem Sonntag seinen Namen gibt. Er stammt aus dem Philipperbrief 4.
„ Gaudete in Domino semper: iterum dico, gaudete. Modestia vestra nota sit omnibus hominibus: Dominus enim prope est … Freue dich immer im Herrn. Nochmals sage ich: Freue dich.“
Der Imperativ ist unmissverständlich. Dies ist keine Empfehlung, sondern ein Gebot, das nicht von Umständen, sondern von Christus selbst gründet. Die Kirche hat die Parallele zwischen diesem Sonntag und dem Laetare-Sonntag in der Fastenzeit längst erkannt. Beide verheißen Freude inmitten der Buße. Beide lockern die äußeren Bußübungen. Blumen blühen für einen Tag. Instrumentalmusik ist für einen Moment erlaubt. Rosafarbene Messgewänder erscheinen – eher rosafarben als rosa. Sie sind eine visuelle Predigt über verhaltene Freude.
Der Advent ist jedoch nicht die Fastenzeit. Seine Buße ist real, aber anders. Das Halleluja bleibt bestehen. Das Gloria wird zurückgehalten. Violett dominiert. Die Adventsfastenzeiten bereiteten die Christen traditionell auf das Weihnachtsfest vor, so wie die Vigilien und Quatembertage die Adventszeit prägten. Der Advent ist mindestens ebenso sehr auf die Wiederkunft Christi ausgerichtet wie auf die erste. Daher ist er von freudiger Buße geprägt, oder von bußfertiger Freude. Christliche Freude schließt Buße nicht aus. Richtig angenommene Buße wird zur Quelle des Friedens.
Leo der Große hat in seiner Predigt im Advent am 15. Dezember 440 den römischen Instinkt mit kristallklarer Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht (S. 13).
Was ist heilsamer als das Fasten, durch das wir Gott näherkommen und, dem Teufel standhaft widerstehend, die Laster besiegen, die uns in die Irre führen?
Er fährt fort und beharrt darauf, dass das Fasten durch Almosen ergänzt werden müsse, dass das, was man an Vergnügen einbüßt, der Tugend gewidmet sein solle, dass die Enthaltsamkeit des Fastens zum Abendessen der Armen werde. Das ist römischer Katholizismus in seiner Essenz. Das ist Vetus .
Buße, Fasten und Werke der Barmherzigkeit ebnen den Weg des Herrn nicht nur im übertragenen, sondern ganz konkret. Sie ebnen Täler der Verzweiflung und erheben Berge des Stolzes. Sie heilen Erinnerungen und reinigen unsere Absichten. Sie bringen uns in Einklang mit der aufopfernden Logik der Nächstenliebe, die das Wohl des anderen sucht, selbst auf Kosten des eigenen. Solche Werke sind Bußwerke, weil sie uns etwas kosten. Sie sind freudig, weil sie uns mit Christus vereinen.
Christus kommt bereits in mehreren Ankunftszeiten vor der endgültigen. Er kommt in der Person des Priesters, des alten Christus, der in persona Christi handelt. Er kommt in der Wandlung der Eucharistie. Er kommt ganz und gar in der Heiligen Kommunion, mit Leib, Blut, Seele und Gottheit. Er kommt im Wort, wenn die Heilige Schrift aufmerksam und andächtig gelesen wird. Er kommt in den Armen und Bedürftigen, in denen er auf unsere Barmherzigkeit wartet. Jede dieser Ankunften bereitet uns auf die endgültige Ankunft vor. Jede ist eine kleine, freudige und bußfertige Ankunft.
Freude ist daher keine Option. Sie ist der natürliche Zustand des christlichen Lebens. Selbst inmitten kirchlicher Verwirrung, Leid und Skandal bleibt Freude möglich, weil sie nicht in institutionellen Handlungen, sondern in der Taufidentität wurzelt. Durch die Taufe sind wir Glieder des Leibes Christi. Selbst Trauer und Angst können, vereint mit dieser Identität, in eine tiefere, manchmal schlichte, manchmal tränenreiche, aber echte Freude verwandelt werden.
Der heute verkündete Brief führt die Logik des Introitus fort. Nachdem Paulus zu Freude und vertrauensvollem Gebet aufgerufen hat, fügt er hinzu:
„Et pax Dei, quae exsuperat omnem sensum, custodiat corda vestra et intelligentias vestras in Christo Iesu…. Der Friede Gottes, der alles Verständnis übersteigt, wird eure Herzen und euren Verstand in Christus Jesus behüten.“
Frieden ist der Widerhall der Freude. Er ist nicht die Abwesenheit von Kampf, sondern die Gegenwart Christi.
Diese paulinische Ermahnung findet ihren Widerhall im Tagesgebet der traditionellen römischen Messe:
precibus nostris accommoda:
et mentis nostrae tenebras,
gratia tuae visitationis illustra.
Wörtliche Übersetzung:
Herr,wir bitten dich, höre unsere Gebeteund erleuchte durch die Gnade deiner Heimsuchung
Die Kirche wagt, den unendlichen Gott zu bitten, uns zuzuhören und sich unseren Gebeten anzupassen. „Accommodo“ bedeutet so viel wie sich fügen, anpassen, zur Verfügung stellen. Gott, der nichts braucht, erniedrigt sich, uns zu hören. Durch die Gnade seiner Gegenwart erhellt er die Schatten unseres Wesens, unseres Verstandes, unseres Gewissens und unserer inneren Bestimmung. Der Advent ist genau dies: eine Gegenwart Gottes. Das ewige Wort, vor aller Zeit gesprochen, hallt durch unsere Gebete, unsere Taten und unser verwandeltes Denken zum Vater zurück. Wenn wir Ebenbilder Gottes sind, besonders in unserem Wesen , dann hört Gott sich in uns. Unser Nächster soll Gott in unserem Leben widergespiegelt sehen und hören.
So gebietet uns die Kirche, uns zu freuen. Nicht weil es keine Täler oder Berge, keine Gefängnisse oder Verfolgungen, keine Verwirrungen oder Wunden gäbe. Sondern weil der Herr nahe ist.
Prope est.
Er kommt jetzt in Gnade. Er wird später in Herrlichkeit kommen.
So oder so, sein Kommen ist unsere Hoffnung
Der Gaudete-Sonntag offenbart den paradoxen Kern des Advents: Freude, die in der Buße gründet, Hoffnung, die durch das Gericht geschärft wird. Angesichts der Nähe des Herrn gebietet die Kirche, sich nicht aus Sentimentalität, sondern als Glauben an Christi Kommen in Gnade und Herrlichkeit zu freuen. Durch Beichte, Werke der Barmherzigkeit, sakramentales Leben und Gebet wird der Weg geebnet.
Freude, genährt vom Frieden, ist die natürliche Haltung des Christen gegenüber dem nahenden Herrn. Wie der bereits erwähnte Leo sagte:
Was Gott gefällt, sollte auch uns gefallen. Lasst uns freuen, egal was er uns schickt."
Quelle: Fr. J. Zuhlsdorf, OnePeterFive
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