In seiner heutigen Kolumne in Monday in the Vatican spekuliert A. Gagliarducci über mögliche Pläne des Papstes, die Regeln für die Sedisvakanz und die Papstwahl zu ändern.
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"PAPST FRANZISKUS AUF DEM WEG ZU NEUEN REGELN FÜR DIE SEDISVAKANZ?"
Das online-Treffen des Kardinalsrates vom 21. Juni war auf gewisse Weise außerordentlich. Nicht nur, weil es relativ kurz dauerte (laut der offiziellen Verlautbarung weniger als eine Stunde), während die Treffen der Kardinäle normalerweise 3 Tage lang treffen, Es war verblüffend, daß dabei über die Anwendung von Praedicate Evangelium oder die Kurienreform aber auch über die Organisation des nächsten Konsistoriums vom 29. bia 30. Auguste gesprochen wurde.
Über dieses Konsistorium, das wie wir wissen, das erste ordentliche öffentliche Konsistorium ist, das Papst Franziskus seit 2015 abhält, wurde nichts gesagt. Damals wie heute wurde über die Kurienreform gesprochen. Also ist das für Papst Franziskus eine Art Schließen des Kreises. Das Konsistorium scheint fast einen Weg darzustellen, den Kardinälen das Mandat zurück zu geben, das sie ihm anvertraut haben.
Aber man muß vorsichtig sein mit der Terminologie. Es kann kein Pontifikat mit einem Auftrag geben und es kann keine politischen Vereinbarungen geben. Und wenn es wahr ist, daß in der Geschichte der Konklaven solche Übereinkünfte informell getroffen und respektiert wurde- ein Beispiel war Johannes XXIII, der sofort Domenico Tardini zum Staatssekretär ernannte- gab es nichts formales. Ein Papst ist ein Papst und der Hl. Geist sucht ihn aus. Er hat kein irdisches Mandat, selbst wenn es von den Kardinälen käme.
Nachdem das gesagt ist, weiß man, daß die Wahl von Kardinal Jorge Mario Bergoglio zum Papst während der General-Kongregationen oder besser der Präkonklave-Treffen entstand und diskutiert wurde. Alle Kardinäle nehmen an diesen Treffen teil, sogar diejenigen, die nicht am Konklave teilnehmen, weil sie älter als 80 Jahre sind.
Die Generalkongregationen sind ein großer Meinungsaustausch über das Kirchenleben. Während dieser Treffen lernen die Kardinäle einander kennen und schauen sorgfältig auf ihre Mitbrüder., hören ihren Ideen zu und beginnen die wichtigen Herausforderungen zu verstehen und was sie für die Kirche für notwendig erachten. Die Kardinäle lernen andere Kardinäle kennen- außerhalb der Formalitäten ihres Amtes, in geheimer Diskussion, die hitzig sein kann.
Für die Generalkongregationen von 2013 war eine weitverbreitete Unzufriedenheit charakteristisch. Es gab die Verzweiflung derer, die sich von Benedikt XVI verlassen fühlten, schockiert, weil sie eine solche Entscheidung niemals erwartet hätten, unfähig in die Zukunft zu blicken. Einige hatten immer hinter den Kulissen des Pontifikates daran gearbeitet, ihn anzugreifen, Machtzirkel, die während der Spätzeit des Pontifikates von Johannes Paul II florierten, fanden sich bei Benedikt XVI plötzlich auf der falschen Seite des Geschichte wieder. Und einige schauten in die Zukunft, analysierten die Probleme und fragten sich, was die Kirche brauchen würde.
Die Notwendigkeit die Kurie zu reformieren kam ein bißchen aus allen Kreisen. Wir hatten gerade Vatileaks hinter uns gelassen und es gab das Gefühl, daß die Kirche angegriffen wurde. Über die Jahre hatten Entwürfe für die Kurienreform die Runde gemacht und es hatte verschiedene Ideen, die dann wieder aufkamen. Wir haben sofort über den sogenannten "Kronrat" gesprochen, den Papst Franziskus später zum Kardinalsrat machte."
Die ursprüngliche Idee war mehr Kollegialität bei den Entscheidungsfindungs-Prozessen, die in Rom anwesenden Kardinäle öfter zusammen zu bringen. Deshalb gab es die Notwendigkeit eines Rates, der dem Papst bei den Entscheidungen zu helfen. Papst Franziskus hat die Idee als Möglichkeit interpretiert, dem System einen Anstoß zu geben und vor allem über die Römische Kurie hinaus zu schauen. Es war der erste Schritt zu einer immer weitergehenden Auslagerung der Entscheidungen.
Es war auch nötig, zu wissen, wie man mit dem "es wurde immer so gemacht" brechen könnte. Man dacht auch, daß der Papst das IOR, die sog. Vatican-Bank, schließen wollte, bis man entdecke, daß es für den Hl. Stuhl nützlich war.
Die Kurienreform stellt jedoch einen entschiedenen Bruch mit der Vergangenheit dar und betrifft nicht so sehr die Organisation der Dicasterien als vielmehr einige historische Situationen, die sich jetzt für immer ändern. Z.B. gibt es nach Jahrhunderten ehrenwerten Dienstes die Apostolische Kammer nicht mehr, bis auf eine Kommission, der der Camerlengo vorsteht und die aus den Präsidenten des Wirtschaftsrates und zwei anderen Kardinälen besteht.
Die Entscheidung den Camerlengo und den Präsidenten des Wirtschaftsrates beizubehalten entspringt einem Kompromiss bzgl. des ursprünglichen Entwurfs, der vorsah. daß der Camerlengo der rechtmäßige Wirtschaftsminister sein sollte. Für Papst Franziskus ist der Punkt, daß die Sedisvakanz nur Thema für die Verwaltung ist, sie verliert den ganzen rituellen und außerordentlichen Charakter , daß der Stuhl Petri vakant ist.
Deshalb ist für die Sedisvakanz eine neue Gesetzgebung nötig. Natürlich könnte man einfach den Titel ändern und den Begriff "Apostolische Kammer" durch "Camerlengo-Rat" ersetzen. Es scheint jedoch so, daß der Papst an eine weitergehende Reform der Vorschriften denkt, die die Sedisvakanz und die Wahl des neuen Papstes regelt und daß er das auch beim Treffen des Kardinalsrates erwähnt hat.
Woraus besteht diese Gesetzgebung? Zunächst darin, daß der Papst die Generalkongregstionen abschaffen will und so praktisch alle Kardinäle über 80 von der Wahlprozedur auszuschließen. Gleichzeitig möchte er die Zahl der Kardinäle erhöhen, die im Konklave wählen können: die Regel setzt sie auf 120 fest, auch wenn der Papst Verzichtserklärungen nach eigenem Ermessen vornehmen kann. Tatsächlich sind wir bei 126. Papst Franziskus könnte sie auf 130 oder 140 bringen.
Statt der Generalkongregationen könnte der Papst Gruppen von Kardinälen organisieren, wie während der Synoden, jede Gruppe hätte einen Relator, der am Ende berichtet. Jede Stimme zählt bei der Abstimmung, aber der Relator leitet die Diskussion.
Es bleibt abzuwarten, ob Papst Franziskus auch den Abstimmungsprozess ändert. Papst Benedikt XVI hatte festgelegt, daß für die Wahl des Papstes 2/3 der Stimmen nötig ist. Vorher konnte die Schwelle nach mehreren Wahlgängen abgesenkt werden. Der Gedanke Benedikts XVI war, allzu politische Vereinbarungen zu vermeiden. Papst Franziskus könnte die Möglichkeit wieder einführen, die Schwelle für die Wahl im Falle einer Pattsituation herabzusetzen. Die Idee wäre, die Wahl nicht zu lange dauern zu lassen.
Da sind alle diese Spekulationen und es gibt keinen Weg, um zu wissen, ob sie sich als richtig erweisen. Diese Gerüchte sind jedoch allgegenwärtig, ein Beweis, daß sie nicht weithergeholt sind. In der Realität sehen wir uns einem unvorhersehbaren Augenblick der Geschichte gegenüber. Eine Art Sedisvakanz der Kurie, mitten in einer im Hinblick auf ihre Rangordnung noch nicht vollendete Reform. kombiniert mit der Möglichkeit einer Sedisvakanz.
Alle Augen sind auf L´Aquila gerichtet, wohin der Papst am 28. August zu den Perdonanza- Coelestiniana -Feierlichkeiten reisen wird. Coelestin V verzichtete auf das Pontifikat und Benedikt erwies ihm die Ehre, indem er seine Stola auf sein Grab in L´Aquila legte, was seinen Rücktritt ankündigte. Papst Franziskus hat diese Reise schon im Februar geplant und dann das Konsistorium um diese Reise herum gebaut. Es gibt Erwartungen. Vielleicht passiert nichts. Vielleicht wird dort ein neues Dokument unterzeichnet. Immerhin liebt der Papst diese symbolischen Entscheidungen so sehr, daß er um Fratelli Tutti zu unterzeichnen, nach Assisi fuhr.
Jetzt ist es eine Frage von "wait and see". Und für einen Journalisten als Teil des Spiels ein bißchen zu spekulieren."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican
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