George Weigel veröffentlicht bei firstthings einen Kommentar über die Interpretation des II. Vaticanischen Konzils in drei postkonziliaren Pontifikaten.
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"DREI PONTIFIKATE UND VATICAN II"
Am 17. Oktober 1978 konzelebrierte der neugewählte Papst Johannes Paul II mit dem Kardinalskollegium und kündigte an, daß das Programm seines Pontifikates die volle Anwendung des II.Vaticanischen Konzils sein werde. Das sei seine "endgültige Pflicht", weil das Konzil in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche ein "Ereignis von größter Bedeutung" gewesen sei. Wie ich in "Die Welt heiligen: das lebendige Erbe des II.Vaticanischen Konzils"(Basic Books) erkläre, sahen die folgenden 26 und 1/2 Jahre Johannes Paul II dieses Versprechen erfüllen, weil sein Pontifikat ein Epos von Lehre und Zeugnis war, das half, das Konzil mit den Schlüsseln zur Interpretation zu versorgen, die es selbst nicht gegeben hatte.
Anders als die vorhergehenden 20 Ökumenischen Konzile, hat Vatican II keinen endgültigen Schlüssel für die richtige Interpretation definiert oder identifiziert, der klar macht "Das ist es, was wir meinen", Andere Konzile hatte geschriebene Glaubensbekenntnisse, definierte Dogmen, verdammte Häresien, rechtskräftig zu Kirchenrecht formulierte Canons und in Auftrag gegebene Katechismen. Vatican II hatte nichts dergleichen, was einer der Gründe ist, warum ein Kampf aller gegen alle über die Ziele und Absichten des Konzils folgte.
In der Apostolischen Exhortation Evangelii Nuntiandi von 1975 startete Papst Paul VI den Prozess, dem schlüssellosen Konzil eine autoritative Interpretation zu geben, indem er an die ursprüngliche Absicht von Joannes XXIII erinnerte: das II.Vaticanische Konzil sollte die Kirche auf eine Wiederbelebung-Mission einer Christus-zentrierten Evangelisierung schicken. Johannes Paul II füllte die Leerstellen dessen, womit diese neue Evangelisierung sich befassen sollte, mit seinem umfangreichen Lehramt und durch seinen Pastoral-Besuch im Hl. Land im März 2000, der daran erinnerte, daß die Kirche und das Christentum mit einer persönlichen Begegnung mit dem auferstandenen Herrn Jesus begam, der immer im Zentrum der Angebote und Verkündigung der Kirche an die Welt sein muß.
An der Seite Johannes Pauls II während dieses großen Werkes die Schlüssel für das Konzil bereit zu stellen, war Kardinal Joseph Ratzinger, der dem polnischen Papst als Papst Benedikt XVI folgen sollte. Wie sein päpstlicher Vorgänger war Ratzinger ein Mann des Konzils; tatsächlich war der junge bayrische Theologe einer der drei einflußreichsten theologischen Berater der Konzilsbischöfe gewesen. Deshalb war es keine Überraschung, daß Benedikt XVI folgerichtig in seiner ersten Weihnachtsansprache an die Römische Kurie die angemessene Interpretation des II. Vatcanums thematisierte.
Wie der Mann, der es einberief, Papst Johannes XXIII, wußte Papst Benedikt XVI, daß das Konzil nicht einberufen wurde, um den Katholizismus neu zu erfinden; das ist es nicht, was Ökumenische Konzile tun. Eher war das Konzil dazu gedacht, den Glauben der Kirche an den Herrn Jesus Christus neu zu entfachen und das Erfahren des Hl. Geistes der Kirche zu erneuern, damit - wie die Jünger nach dem ersten christlichen Pfingsten, die Kirche dazu zu einer radikalen Mission ermutigt würde. So lehrte er, daß das II. Vaticanum als Konzil verstanden werden sollte, das die Tradition der Kirche organisch entwickelt werden sollte. Das II. Vaticanum war keine Ruptur mit der Tradition sondern eine Vertiefung des kirchlichen Selbstverständnisses in Kontinuität mit der göttlichen Offenbarung.
Das ist es, warum ich in "Die Welt heiligen" vorschlage, daß das Pontifikat von Johannes Paul II und Benedikt XVI als einen, kontinuierlichen, 35-jährigen Bogen der Konzils-Interpretastion verstanden werden sollte, die Schlüssel zur Verfügung zu stellen, die die autoritative Lehre und die evangelikale Kraft des II. Vaticanums erschließen.
Was ist dann mit dem gegenwärtigen Pontifikat?
Papst Franziskus hat von seinem Respekt für das Konzil gesprochen. Und sein Ruf nach einer Kirche "in permanenter Mission" reflektiert die ursprüngliche Absicht für das II. Vaticanischen Konzil die Papst Johannes in einem lapidaren Satz im September 1962 zusammengefaßt hat: "Das Ziel des Konzils ist ...Evangelisierung". Dennoch ist das gegenwärtige Pontifikat auf verschiedene Weise von der Komzils-Lehre abgewichen.
Die aktuelle China-Politik des Vaticans widerspricht der Konzilslehre, daß Regierungen keine Rechte und Privilegien bei Bischofs-Ernennungen zugestanden werden dürfen- eine Lehre die jetzt durch Kanon 337.5 verkörpert wird. Die Zustimmung des Hl. Stuhl zum Abkommen von Abu Dhabi von 2019 und seinen Forderungen, daß die Vielfalt der Religionen ein Ausdruck des Willens Gottes ist, die nicht leicht mit der Konzils-Verkündigung Jesu Christi als den einen, einzigen Erlöser der Menschheit zusammen paßt: der Herr ist der Mittelpunkt der Geschichte und des Kosmos. Eines der Errungenschaften mit Signalwirkung war seine Bestätigung der Autorität durch die sakramentale Bischofs-Weihe; kürzliche Reformen der Römischen Kurie, die Absetzung von Bischöfen ohne fälligen Prozess und kuriale Diktate über die richtige Zelebrierung der Messe (und sogar der Inhalt von Gemeinde-Bulletins!) die die Autorität unterlaufen. Und die außerordentlich enge Interpretation der Konzils-Lehre zur Liturgie des Pontifikats hat die Implementierung des II. Vaticanischen Konzils sogar noch umstrittener gemacht.
Diese Abweichungen werden ein Schwerpunkt des nächsten päpstlichen Konklaves sein."
Quelle: G.Weigel, FirstThings
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