A. Gagliarducci kommentiert in "Monday in the Vatican"die päpstlichen Ernennungen unter dem Aspekt "Realpolitik" .
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"PAPST FRANZISKUS´ KIRCHLICHE REALPOLITIK"
"Mit der Ernennung der neuen Erzbischöfe von Paris und Mexiko City hat Papst Franziskus noch einmal seine kirchliche Realpolitik gezeigt. Im Allgemeinen zieht er es vor, Bischöfe mit pastoralem Profil zu wählen, keine Kulturkämpfer. Aber diese beiden letzten Ernennungen senden gegenteilige Signale aus.
Michel Aupetit, der neue Erzbischof von Paris, ersetzt Kardinl André Vingt-Trois , der seit Jahren Erzbischof der Haupstadt Frankreichs war. Als Spätberufener- früher hatte er als Familiemarzt gearbeitet- besitzt Erzbischof Aupetit ein scharfes pastorales Profil, aber er ist auch sehr kompetent in Themen der Bioethik.
Diese Kompetenz sind im Kontext der säkularisierten Debatte in Frankreich zu sehen, in der Katholiken wieder ihr kollektives Gewicht in der Politik zeigen. Der neue Erzbischof von Paris ist auch dazu gerufen, seine Brüder im Priester- und Bischofsamt innerhalb der Säkularisierungsbewegung zu führen, die bei mehreren Episoden religiöser Intoleranz in verschiedenen Regionen Frankreichs explodierte und die im Martyrium Pater Jacques Hamels gipfelte, der zwar von Islamisten ermordet wurde, aber eigentlich das Opfer der Indifferenz der antikatholischen Intoleranz gegenüber all diesen Vorkommnissen ist.
Auf der anderen Seite hat Kardinal Carlos Aguiar Retes, der von Papst Franziskus dazu ernannt wurde, Kardinal Norberto Rivera Carrera an der Spitze der Erzdiözese Mexico City zu ersetzen, ein ganz anderes Profil. Er wird als Mann des Dialogs betrachtet, wenn auch weniger als Kardinal Rivera Carrera und ist- außerdem- weniger konservativ. In Südamerika wird Aguiar Retes als ein Priester beschrieben, der große pastorale Fähigkeiten hat, nicht starr hinter doktrinalen Standpunkten steht und als Präsident der Mexikanischen Bischofskonferenz und der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz gute Kenntnisse entwickelt hat,
Schließlich erfüllt Kardinal Aguiar Retes eher die Erfordernisse- nach Papst Franziskus- an einen Hirten als Erzbischof Aupetit. Aber gibt es irgendein Kriterium, um Papst Franziskus´ Ernennungen zu verstehen?
Wenn es eines gibt, ist das Kriterium wahrscheinlich ein pragmatisches, wie es bei den meisten Entscheidungen des Papstes der Fall ist. Außer daß er dadurch die Kirche formen will, neigt Papst Franziskus dazu, wirklich pragmatisch zu sein, wenn er weltweit Bischöfe für Schlüsselpositionen auswählt.
Er hat pragmatisch gehandelt, als er den Nachfolger für den geliebten Kardinal Joachim Meisner wählen mußte. Er ernannte Kardinal Rainer Maria Woelki, der Dank einer Ernennung, die eher zum Stil Papst Benedikts XVI paßte, in seine Heimatdiözese zurückgekehrt ist.
Auch als der Papst Kardinal Carlos Osoro Sierra als Erzbischof von Madrid ernannte, geschah das auf eine bestimmte Weise. Sein Profil unterscheidet sich stark von dem seines Vorgängers Kardinal Rouco Varela, aber er wurde bereits von Papst Benedikt, unter dem seine Karriere vorankam, geschätzt, so daß seine Beförderung unter dem aktuellen Papst nicht einfach als eine "franziskanische" Wahl angesehen werden kann.
Das trifft auch auf die Wahl von Kardinal Vingt-Trois´ Nachfolger als Erzbischof von Paris zu.
Papst Franziskus´ Bischofs-Ernennungen in Italien folgen einem nuancierteren Kriterium: einerseits will der Papst selber Hirten ernennen, andererseits möchte er der Italienischen Realität weniger Wichtigkeit zumessen, oder zumindest weniger als zuvor.
Das ist der Grund, aus dem sowohl der neue Erzbischof von Mailand als auch der Römische Vikar- Erzbischof Mario Delpini und Angelo de Donatis, unter den Weihbischöfen zwei der wichtigsten Diözesen ausgewählt wurden.
Was die USA angeht. scheint der Papst willens zu sein, dem allgemeinen Trend zu widerstehen. Das war der Fall bei der Ernennung von Blase Cupich als Erzbischof von Chicago und der Kreierung von Kardinal Joseph Tobin, der dann von seinem Posten als Erzbischof von Indianapolis nach Newark versetzt wurde. Sowohl Tobins als auch Cupichs Profile unterscheiden sich sehr vom allgemeinen Denken der US-Bichofskonferenz.
Papst Franziskus´ Realpolitik kann man auch bei "internen" Entscheidungen beobachten, d.h. bei Ernennungen im Vatican. Die mögliche Ersetzung von Msgr. Guido Marini als Päpstlicher Zeremonienmeister hat viele Gerüchte ausgelöst. Der Papst hat seinen Zeremonienmeister bei einer Privataudienz am Ende dessen zweiter Amtszeit auf diesem Posten getroffen. Aber Msgr. Marini ist immer noch im Amt und wird den Posten wahrscheinlich weitere 5 Jahre behalten- alle anderen Dinge sind gleich. Marini ist schon nach Chile und Peru gereist, um die kommenden päpstlichen Reisen dorthin zu organisieren.
Marini wurde nicht deshalb bestätigt, weil er mit Papst Franziskus´ Denken übereinstimmt, sondern wegen seiner Fähigkeit, gegenüber dem Papst eine ausgewogene Haltung einzunehmen und dabei der Instititution mit großer intellektueller Ehrlichkeit treu zu bleiben. Papst Franziskus schätzt das.
Sogar Kardinal Robert Sarah hat seinen Posten als Präfekt der Liturgiekongregation behalten, obwohl der Papst ihn wegen zweier restriktiver Interpretationen des Motu Proprio "Magnum Principium" öffentlich getadelt hat, das jetzt die Übersetzung des Römischen Missale aus dem Lateinischen in die Landessprachen liberalisiert hat.
Andererseits wurde Kardinal Gerhard Ludwig Müller nicht als Präfekt der Glaubenskongregation bestätigt, trotz der Tatsache, daß er Papst Franziskus niemals öffentlich kritisiert hat, allerdings nicht versäumte, seine Enttäuschung über den Papst bei anderen Themen auszudrücken.
Am Ende können wir bei den päpstlichen Ernennungen auf einer stark ideologischen Basis keine feste Begründung feststellen. Statt dessen wählt der Papst einen sehr pragmatischen Weg. Andererseits will er Prozesse anstoßen, allerdings ohne irgendeinen von ihnen zu Ende zu führen. Andererseits versucht er, seine Entscheidungen zu treffen und dabei den Blick auf der konkreten Lage und gleichzeitig auf dem Willen, die gewählte Agenda weiterzuführen, zu belassen.
Es muß noch geklärt werden, welches die nächsten Schritte des Papstes sein werden. Es wird bald einen neuen Erzbischof von Durban, Süd-Afrika, geben, der Kardinal Wilfrid Napier, der bereits 75 ist, ersetzen wird. Kardinal Napier wird als der konservativste afrikanische Bischof angesehen. Dennoch schätzt der Papst ihn sehr und hat ihn zum Mitglied des Wirtschaftsrates gemacht. Die Ernennung seines Nachfolgers wird uns mehr über den Weg von Papst Franziskus verraten.
Ebenso aufschlussreich wird eine mögliche Neuordnung innerhalb der Reihen der römischen Kurie sein.
Schließlich läßt dieses Pontifikat keine Interpretationen zu, ebenso wie es keine fixen Kriterien zu haben scheint. Es gibt nur eine klare Idee: eine pastorale Revolution zu machen, was notwendigerweise die Doktrin mit einbezieht, wenn auch nur indirekt. Der Papst weiß, daß er der Einzige ist, der diese Revolution durchführen kann."
Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci
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