Montag, 5. September 2022

Was Kardinal Müller über das Konsistorium und die in "Praedicate Evangelium" verkündete Kurienreform sagt... Fortsetzung

Fortsetzung von hier und hier

"Bitte lesen Sie die hier folgende Überlegung von Kardinal Müller zur Kurienreform von Papst Franziskus

"KOMMENTARE ZUR KURIENREFORM IN "PRAEDICATE EVANGELIUM"

von Gerhard Kardinal Müller

"Es ist kein Fortschritt in der Ekklesiologie, sondern ein eklatanter Widerspruch zu ihren Grundprinzipien, wenn alle Jurisdiktion in der Kirche aus dem Jurisdiktionsprimat des Papstes abgeleitet wird. Auch das große Geschwätz von Amt, Synodalität und Subsidiarität kann den Rückfall auf eine theokratische Auffassung des Papsttums nicht verdecken.

Diese Ideale sollten nicht nur als Desiderate an andere weitergegeben werden, sondern täglich im vorbildlichen Umgang mit den eigenen Mitarbeitern, insbesondere Priestern, demonstriert werden. Es ist notwendig, sich über den grundlegenden Unterschied zwischen der kirchlichen Autorität des Papstes als Nachfolger Christi und seinen politisch-weltlichen Funktionen als Souverän des Vatikanstaates oder des Heiligen Stuhls als Völkerrechtssubjekt absolut klar zu sein. Jede kirchliche Gerichtsbarkeit ist ihrem Wesen nach apostolisch-sakramental und bezieht sich auf das Heil der Seelen im Unterschied zur politisch-rechtlichen Natur der Machtausübung in einem Staat, einschließlich des Vatikanstaates. Petrus handelt in der Autorität Christi als sein Stellvertreter. Seine Autorität zu binden und zu lösen ist keine Teilhabe an der Allmacht Gottes. Denn er hat ihm nicht gesagt: „Dir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (vgl. Mt 28,18). Die apostolische Autorität des Papstes und der Bischöfe ist keine eigene, sondern nur eine übertragene geistliche Vollmacht, die dem Seelenheil durch die Verkündigung des Evangeliums, die sakramentale Gnadenvermittlung und die seelsorgliche Leitung des pilgernden Volkes von Rom dient Gott zum Ziel des ewigen Lebens. Weil Petrus Jesus aufgrund der Offenbarung des Vaters als den Sohn des lebendigen Gottes bekannt hat, hat Christus ihm die Verheißung gegeben: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine (!) Kirche bauen.“ (Mt 16,18). Eine total auf den Papst fixierte Kirche war und ist immer die Karikatur der katholischen "Lehre über die Institution, die Ewigkeit, den Sinn und Grund des heiligen Primats des Papstes“ (Lumen gentium 18). An dieser Konzeption ist jede Ökumene mit Orthodoxen und Protestanten von vornherein zum Scheitern verurteilt. Auf die klassische Trennung von potestas ordinis und Jurisdiktionis, die eine totale päpstliche Jurisdiktion begründen soll, hat das II. Vatikanische Konzil wegen Unzulänglichkeit verzichtet. Schon nach Thomas von Aquin bedeutet die potestas ordinis nicht nur die Autorität, Sakramente zu spenden. Potestas ordinis bedeutet vielmehr, daß in der Weihe alle Befugnisse übertragen werden, auch wenn das Seelsorgeamt in seiner konkreten Zuständigkeit eingeschränkt sein mag. (S.th. II-II q. 39 a.3). Es gibt also nicht zwei gleichwertige Kategorien von potestas ecclesiastica, sondern nur die eine potestas ordinis, deren integraler, aber untergeordneter Bestandteil die potestas professionis ist.

Auch die Trennung des Bischofs von Rom mit seiner potestas ordinis für seine Diözese von der potestas juridictionis des Papstes als Nachfolger Petri für die Weltkirche widerspricht formal dem Dogma des I. Vatikanischen Konzils (Dogm. Konst. Pastor aeternus 2. Kap. Canon: „Si quis dixerit… Romanum pontificem non esse beati Petri in eodem primatu sucessorem anathema sit.“ DH 3058). Die Römische Kurie ist die institutionalisierte Beteiligung der Römischen Kirche am petrinischen Primat. Sie kann nicht rein säkular nach den Kriterien einer multinationalen Stiftung organisiert werden. Dies scheint das ungelöste Grundproblem im Ansatz von "Praedicate Evangelium“ zu sein. Es rächt sich, wenn bei der Ausarbeitung wichtiger päpstlicher Dokumente die systematische Theologie vernachlässigt wird und statt klarer dogmatischer Prinzipien eine Kombination aus geistlichen Desiderata und weltlichen Machtkategorien der hermeneutische Grundansatz ist. Die Kirche als universales Heilssakrament der Welt wurzelt in der Menschwerdung. Wir können nicht wie die Protestanten die Kirche in eine unsichtbare Gnadengemeinschaft (communio) und eine sichtbare Rechtsgemeinschaft (societas) spalten. Die sichtbare Glaubensgemeinschaft ist keine von Menschen gegründete religiöse Organisation, sondern der kirchlich-sakramentale Leib Christi (Vat. II. Lumen gentium 8). Sie dient in Martyria, Leiturgia und Diakonia der innigsten Vereinigung der Menschen mit Gott und der Einheit der Menschheit (LG 1). Daher ist es immer Christus selbst, der durch den Bischof pastoral oder juristisch lehrt, heiligt und regiert (LG 20f). Weder der Papst und die Bischöfe noch – wie im protestantischen und katholischen Kirchenstaatssystem – die weltlichen Obrigkeiten oder eine gemischte Körperschaft aus Laien und Geistlichen (siehe die deutsche synodale Verirrung!) können die Kirche Gottes wie eine weltliche Organisation führen, sei es in autoritär-monokratischer, sei es in synodal-demokratischer Form. Das Bischofsamt kann seiner sakramentalen Natur gemäß und nicht nur aufgrund positiver Rechtsnormen nur kollegial in Gemeinschaft mit dem gesamten Episkopat cum et sub Petro ausgeübt werden. Jeder Bischof ist kraft seiner Weihe an der Jurisdiktion des gesamten Episkopats beteiligt, während der Papst als Oberhaupt des Kollegiums auch im Namen Christi für die ganze Kirche sprechen. Jeder Bischof nimmt kraft des göttlichen Rechtes am Ökumenischen Konzil teil (LG 25).

Der Papst ist jedoch kein Superbischof oder absoluter Souverän der Kirche, als hätte er Anteil an der Allmacht Gottes, sondern als Oberhaupt der Ortskirche Roms ist er das immer sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit im Glauben und in der Communio ecclesiarum (LG 18:23). Auch kann der Papst keinem Laien außersakramental, also durch einen förmlichen Rechtsakt, die Jurisdiktion in einer Diözese oder in der römischen Kurie übertragen, damit die Bischöfe oder Priester in seinem Namen handeln können. "Die Bischöfe haben daher mit ihren Helfern, den Priestern und Diakonen, den Dienst der Gemeinde aufgenommen, indem sie anstelle Gottes der Herde vorstehen, deren Hirten sie als Lehrer der Lehre, Priester des heiligen Gottesdienstes sind.“ (Lumen gentium 20).

Gegenteilige Fälle in der Geschichte der Kirche und des Papsttums sind keine theologischen Argumente, sondern nur Beweise für eine mangelhafte Theologie oder für den Missbrauch geistlicher Autorität für weltliche Zwecke. Die Unterdrückung der Kongregationen der Kardinäle (als Teilversammlung des Konsistoriums aller Kardinäle) zugunsten einer formalen Gleichstellung aller Institutionen der Kurie und des Heiligen Stuhls als bürokratische Verwaltungsbehörden mit dem Namen Dikasterium, verheißt nichts Gutes.

Sicherlich kann das Dikasterium für Medienkommunikation von einem kompetenten Laien geleitet werden, aber gerade nicht die Kongregationen für die Glaubenslehre, für die Liturgie, die Bischöfe, den Klerus usw., deren Präfekten als Kleriker der Römischen Kirche mit dem Bischof von Rom in seiner Eigenschaft als Nachfolger des Hl. Petrus (kurz "dem Papst“) arbeiten. 

Die Sakramentalität des Episkopats bedeutet folglich auch, daß die Bischöfe weder Stellvertreter noch Delegierte des Papstes sind (LG 27). Sie üben die ihnen von Christus während ihrer Ordination übertragenen geistlichen Befugnisse im Namen Christi aus, nicht in der Autorität des Papstes, wie es dieser extreme Papsttum von heute wieder will. Die Absetzung eines Bischofs oder der moralische Druck auf ihn zum freiwilligen Rücktritt kann vor Gott nur als ultima ratio im Hinblick auf das bonum ecclesiae gerechtfertigt werden. Notwendig ist eine Neuinterpretation von Praedicate Evangelium“ im Lichte der verbindlichen Lehre über die Kirche in der Dogmatischen Konstitution des II. Vatikanums "Lumen gentium“.

Quelle: Kard. G. Müller, Dr. Maike Hickson, LifeSiteNews

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