Montag, 20. Juli 2015

Roberto de Mattei: Über die historischen Wurzeln der Kontroverse. Von Vaticanum II zur Synode.

Roberto de Mattei  erklärt in einem Vortrag, den er im Mai dieses Jahres in Rom gehalten hat, anhand der Kirchen- und Kulturgeschichte der letzten 50 Jahre, wie es zur Kontroverse zwischen den Kasperianern, die die Lehre der Kirche von Grund auf dem Zeitgeist ( für sie Ausdruck des Hl. Geistes) anpassen wollen und denen, die sie verteidigen, gekommen ist.
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"DIE HISTORISCHEN WURZELN DER KONTROVERSE: VOM II. VATICANISCHEN KONZIL ZUR  SYNODE"

"Die Vergangenheit hilft uns, die Gegenwart zu verstehen. Wenn wir die Gründe der aktuellen kulturellen und moralischen Krise verstehen wollen, müssen wir mindestens ein halbes Jahrhundert zurückgehen- zum Anfang der 60-er Jahre.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte Europa zwei schreckliche Weltkriege erlebt und den Horror des kommunistischen und nationalsozialistischen Totalitarismus. Die Familien haben das mit Blut bezahlt, blieben aber ein starkes soziales und moralisches Bollwerk.

Die Ehe war ein unauflöslicher Bund zwischen Mann und Frau. Ehebruch war eine Sünde, die sozial mißbilligt und sogar im Strafgesetz sanktioniert wurde.
Die große Mehrheit der Frauen waren Jungfrau, wenn sie heirateten. Sie träumten davon, eine Familie zu gründen und hatten einen ausgeprägten Sinn für Bescheidenheit und Opferbereitschaft.
Es wäre nicht richtig, diese Situation zu idealisieren.
Wenn alles perfekt gewesen wäre, hätte es sich nicht so schnell geändert.
Heuchelei war weit verbreitet: der offizielle Respekt für die Familie verbarg die Praxis, die zur freien Liebe tendierte. Es war diese Kluft zwischen angeblicher Moral und der gelebten Praxis, die den Boden für die Kulturelle Revolution der 60-er Jahre bereitete.

Die Revolution von 1968
Der große Wechsel kam 1968 . 1968 war eine Kulturrevolution, die tiefere Auswirkungsn hatte als jede politische Revolution.
Sie präsentierte sich selbst als Revolution der häuslichen Belange, und zielte darauf ab, die Instinkte des Einzelnen und der Massen vom jahrhundertealten Joch von Kultur und Zivilisation zu befreien.

Die Slogans von 1968 drückten einen radikalen Hass auf die Familie aus, die beschuldigt wurde, die Werte weiterzugeben, die der kommunistischen Sozialrevolution im Wege standen.
Es wurde gesagt, daß die Arbeiter in der Fabrik Revolutionäre seien, in der Familie aber Reaktionäre.
Die Revolution mußte aus den Fabriken in die Familien verlagert werden.
1968 war der Versuch, das Revolutionskonzept aus dem sozio-politischen Umfeld ins Privatleben zu bringen, also von der Gesellschaft zum Menschen selbst.




In den Jahren der Studentenrevolte veröffentlichte Agnes Heller, die berühmteste Schülerin des Ungarischen Kommunisten György Lukasz, ein  Buch mit dem bedeutungsvollen Titel "Soziologie des täglichen Lebens",
in dem sie feststellte, daß sich 1968 weder das politische System noch die wirtschaftlichen Arrangements änderten, sondern der "way of life". 

Die Sexuelle Revolution und die Veränderung des Erziehungssystems:
Familie und Schule, beide Grundpfeiler, auf denen die Erziehung beruhte- waren das Hauptopfer von 1968.
In jenen Jahren wurden die Werke des österreichischen Psychoanalytikers Wilhelm Reich weit verbreitet: 
Er beurteilte die Familie als repressive soziale Institution par excellence und behauptete, daß der Kern der Glücklichseins im sexuellen Glück liege,
Die sexuelle Befreiung war die Waffe zur Zerstörung der Familie. 
Das 19. Jahrhundert hatte die Vernunft im Namen des Gefühls bekämpft. Die Revolution von 1968 bekämpfte die Vernunft im Namen sexueller Instinkte.
Der erste Schritt war die Einführung der Scheidung, der zweite war die Trennung von Ehe und Familiengründung. Die sexuelle Befreiung wurde durch die Feminismusbewegung verkörpert. Frauen verlangten ihre soziale Rolle und stellten sich selbst an die Stelle des Proletariats -als Handelnde der Revolution.
Im Mai 1960 kam die Verhütungpille "Enovid" in den USA auf den Markt.
Sie war von Dr. Gregory Pinkus dank massiver finanzieller Unterstützung durch M. Sanger und Katharine McGormack-den beiden Jüngerinnen der Empfängnisverhütung, Abtreibung und Eugenik- entwickelt worden. Die Pille wurd das Instrumetn der sexuellen Befreiung schlechthin.
Was war die Haltung der Katholischen Kirche zur 68-er Revolution?
Wir können die Antwort auf diese Frage finden, wenn wir darauf schauen, was vorher beim II Vaticanischen Konzil, dem 21. Konzil der Kirche, das zwischen 1962 und 1965 stattfand, passiert war.

Nach der Lehre der Kirche ist die Ehe eine und eine unauflöslische Institution, von Gott eingesetzt zum Wohl der menschlichen Rasse.
Ihr erste Ziel ist die Procreation, nicht nur als rein biologischer Akt sondern als einer, der auch die natürliche und übernatürliche Erziehung der Kinder einschließt.
Der zweite Sinn ist der der gegenseitigen Hilfe und das Heilmittel des gegenseitigen Begehrens der Ehegatten. Keuschheit in und außerhalb der Ehe wurde als christlicher Wert betrachtet: sexuelle Vereinigung außerhalb des Sakraments als schwere Sünde.
Bis 1960 lehrten alle kirchlichen Moraltheologen diese Doktrin und die Beichtväterm griffen auf sie zurück, als in den Enzykliken "Arcanum" von Leo XIII  und "Casti Connubi" von Pius XI und die Lehre von Pius XII, die er in zahlreichen Reden vor Ehepaaren. Ärzten und der Römischen Rota verkündete, festgelegt.
Aber in den 1950-er und 60-er Jahren begann ein Prozess, der die traditionelle Moral untergrub.
Protagonisten der Veränderung waren Theologen wie der deutsche Jesuit J.Fuchs (1912- 2005), Professor an der Gregoriana und vor allem der deutsche Redemptorist Bernard Häring (1912-1998)  Professor an der Alphonsianiscchen Akademie.
Sie fügten der Moraltheorie die These der "nouvelle théologie" hinzu, die gerade erst von Pius XII in seiner Enzyklika "Humanis Generis" verurteilt worden war.
Diese nouvelle théologie war ein Produkt des Modernismus und glaubte an das Prinzip der Evolution des Dogmas. Die neuen Moralisten weiteten dieses Prinzip auf das Gebiet der Moral aus und leugneten die Existenz eines absoluten und unveränderlichen Naturrechts. 
Schlüsselelement dieser Erneuerung war und bleibt der Ersatz des Naturrechtskonzeptes und des Konzeptes der Person.
Nach der klassischen Philosophie ist der Mensch, bevor er eine Person wird schon Inhaber von Rechten und Pflichten, hat eine eigene Natur, eine menschliche Natur, die ihn von Engeln oder Tieren unterscheidet.
Zu sagen, daß es so etwas wie eine menschliche Natur gibt, heißt deshalb, daß es eine objektive und unervädnderliche natürliche Ordnung gibt, die unserer Geburt vorausgeht und uns verwandelt,
Diese Ordnung setzt ein Gesetz, ein natürliches Gesetz voraaus, das für den Menschen nicht von außen kommt sondern in sein Herz eingeschrieben ist.
Der moralische Personalismus ist nicht nur durch den Existentialismus beeinflußt worden sondern auch durch Evolutionismustheorien, die von Teilhard de Chardin propagiert wurden und stellte diese Lehre auf den Kopf.
Der Moralkodex-im Naturrecht verwurzelt- wurde durch eine evolutionöre Ethik ersetzt, die auf der subjektiven Wahl der Person beruhte.
Diese Neubegründugn der Moral eher auf der Person als auf der objektiven Realität der Natur bedeutete, dem menschlichen Gewissen eine dominierende Rolle zu geben.
Wenn die Person Vorrang vor der Natur hat, - dann beruht das auf ihrer eigenen Selbstwahrnehmung und ihrem eigenen Willen.
Moralische Regeln sind nicht länger objektiv und rational, sondern affektiv, persönlich und existentiell.
Das individuelle Gewissen wird die souveräne Norm der Moralität.
Ehemoral war und ist weiterhin das privilegierte Feld, in dem diese neue Anthropologie angewandt wird.

II. Vaticanisches Konzil
Am 9. Oktober 1958 starb Pius XII.
Am 25. Januar, nur 3 Monate nach seiner Wahl auf die Cathedra Petri, kündete Johannes XXIII die Eröffnung des II. Vaticanischen Konzils an.

Fortsetzung folgt

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