In seiner Kolumne für Monday at the Vatican befaßt sich A. Gagliarducci heute mit der neuentbrannten Diskussion um Traditionis Custodes. Hier geht´s zum Original: klicken
"LEO XIV UND DIE TRADITIONALISTISCHE WELT"
"Die Veröffentlichung zweier interner Berichte über Papst Franziskus´ globale Befragung der Bischöfe über die Rezeption der TLM durch die Bischöfe hat in der vergangenen Woche eine Reihe von Kontroversen neu entfacht, die sich alle über den Platz der alten Form der Messe im Leben der KIrche und den Ort der Menschen, die dieser Form anhängen.
Wie Papst Leo XIV beschließt, mit diesen Kontroversen umzugehen- oder eher die Ziele dahinter- wird Bände darüber sprechen. wie er beabsichtigt, die Kirche zu leiten.
Papst Benedikt XVI. hatte 2007 mit einem Motu proprio namens Summorum Pontificum die Verwendung älterer liturgischer Bücher liberalisiert. Sein Ziel war es, einen Riss zu heilen, der durch Paul VI.s neuen Messritus entstanden war, der 1969 für die gesamte lateinische Kirche promulgiert und der gesamten Kirche – Priestern und Laien – mit besonderer und beispielloser Vehemenz aufgezwungen worden war. Papst Franziskus war besorgt über den zunehmenden Zuspruch zu sogenannten „traditionalistischen“ Strömungen, die die älteren Formen nicht nur schätzten, sondern den neuen aktiv feindlich gegenüberstanden. Er war überzeugt, dass Benedikts liberalisierende Reform zurückgenommen werden musste.
Bevor er die faktische Aufhebung von Benedikts Reform und die starke Einschränkung der Verwendung der älteren Formen anordnete, holte Franziskus die Meinung der Bischöfe weltweit ein, um die Stimmung in ihren Diözesen einzuschätzen. Franziskus ließ die Glaubenskongregation – wie sie damals hieß – eine Umfrage erstellen, an der die Bischöfe teilnahmen. Angeblich auf Grundlage der Antworten auf die Umfrage beschloss Franziskus, die Verwendung der alten Bücher einzuschränken. Dies tat er mit seinem Motu proprio „Traditionis custodes“ und einer noch restriktiveren Folgeregelung der Kongregation/des Dikasteriums für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zu einigen Bestimmungen des TC.
Das war 2021 und 2022
Letzte Woche erhielt und veröffentlichte die Journalistin Diane Montagna Teile zweier Berichte – die weder von Papst Franziskus noch vom Vatikan unter seiner Leitung offiziell veröffentlicht wurden –, die die offizielle Darstellung des Vatikans verkomplizieren. Die beiden Berichte zeigen, dass die Bischöfe in Wirklichkeit für die Beibehaltung der Liberalisierung der traditionellen lateinischen Messe, wie sie im Motu proprio von Benedikt XVI., Summorum Pontificum, definiert wurde, eingetreten wären.
Laut dem Vatikan waren die durchgesickerten Berichte unvollständig und einseitig. Einige haben darauf hingewiesen, dass die Berichte den Gründen von Papst Franziskus für seine Entscheidung nicht widersprachen, weil er nie leugnete, dass es unter denen, die die traditionelle Messe wünschten, auch gute Katholiken gab, denen jedoch einige paraschismatische Merkmale derjenigen, die sich dem alten Ritus verpflichtet fühlten, nicht entgehen konnten.
Die Veröffentlichung der durchgesickerten Dokumente eröffnet die Diskussio neu und übt Druck auf Leo XIV in dieser Sache eine Entscheidung zu treffen.
Was wird Leo XIV also tun? Die Frage verdient eine weitergehende Antwort, die nicht nur die Möglichkeit betrifft, im Alten Ritus zu zelebrieren.
Leo XIV ist ein Papst einer neuen Generation. Er hat immer im Novus Ordo zelebriert. Sein Beginn der Ausbildung im Augustiner-Orden, seine Weihe, ersten Aufgaben und fortgeschrittenen Studien trafen grob gesehen mit der Kontrpverse um die von Erzbischof Marcel LeFebvre gegründete Pius-X-Bruderschaft zusammen, die mit der Exkommunizierung LeFebvres und vier weiterer Bischöfe, die er illegitim geweiht hatte, endete-zusammen mit allen mit der SSPX verbundenen Priester. Erst unter Papst Benedikt XVI sollte die Exkommunikation der überlebenden Bischöfe aufgehoben werden- nicht ohne eine ernste Kontroversen und ein schlechtes Kommunikations-Management -und die SSPX befindet sich innerhalb der Kirch weiterhin in einem "kanonisch iregulären" Zustand.
Benedikt XVI hatte eine Heilung des Schismas an eine lehramtliche Präambel gebunden, die die LeFebvrianer als Teil des II. Vaticanischen Konzils anerkennen sollten. Sie gingen nie darüber hinaus. Es war deshlab klar, daß die liturgische Frage nur Teil eines kompexeren Problems war.
Papst Franziskus verfolgte eine zweideutigere LInie. Er hat die LeFebvrianer zu Mitgliedern der Gerichte berufen, sogar die Gültigkeit ihrer Beichten und Eheschließungen ausgeweitet und anläßklich des außerordentlichen Gnadenjahres ihre Beichten anerkannt. Gleichzeitig jedoch kämpfte er gegen den Alten Ritus , zeigte mit dem Finger auf jene, die er "Indietristen" nannte und machte das Zelebrieren des Alten Ritus viel schwerer.
Papst Franziskus kehrte kurz gesagt zum Vorkonzils-Modell zurück. Anstatt zu versuchen, die Krise in Harmonie zu lösen, schuf Papst Franziskus diese Situation, indem er Entscheidungen traf, die in gewisser Weise spaltend waren. Obwohl er in der Konstitution Praedicate Evangelium auf den Primat des II. Vaticanischen Konzils für die Liturgie hinwies, handelte Papst Franziskus wie ein präkonziliarer Papst, sicher nicht in synodaler Weise und nicht in einer geteilten Form des Regierens.
Die traditionelle Liturgie ist nur ein Beispiel der vielen Angebote des Pontifikates. Im Allgemeineeen wählte Papst Franziskus nicht den Dialog. Er wählte die Ausübung der Macht.
Leo XIV. ist aufgerufen, sein Entscheidungsmodell zu finden. Die Messe im alten Ritus ist ein überholtes Thema, da sie nur eine kleine Gruppe von Gläubigen betrifft und letztlich niemandem schadet. Es ist nicht unlogisch anzunehmen, dass Leo XIV., der auch eine Grußbotschaft an die traditionalistische Pilgerfahrt Paris-Chartres sandte, zu einem praktischen Liberalismus zurückkehrt, ohne die Regeln zu ändern, sondern die Ortsbischöfe auffordert, sie nicht zu verschärfen.
Durch diese Entscheidung müssen wir jedoch auch die Regierungsform(en) verstehen, die Leo XIV. umsetzen wird. Bisher haben seine symbolischen Gesten subtil der traditionellen Welt zugezwinkert (wenn auch nie zugenickt), seine politischen Entscheidungen orientierten sich hingegen eher an der progressiven Welt (obwohl sie primär auf Entscheidungen des vorherigen Pontifikats zurückgehen).
Diese Kategorien dienen jedoch nicht mehr wirklich als praktische Anwendung auf reale Probleme oder – damit – als Analyseinstrumente. Leo XIV. ist vielmehr dazu berufen, die Harmonie wiederherzustellen, und dies kann er nicht durch unpopuläre Entscheidungen erreichen, ohne die Komplexität der vorliegenden Fragen zu berücksichtigen. Die interne Debatte in der Kirche hat eine Art Scheideweg erreicht, und die Regierung Leos XIV. kann anhand des von ihm gewählten Weges beurteilt werden.
Der Papst ist vorerst immun gegen Druck. Er wägt seine Entscheidungen ab, sucht nach einer persönlichen Regierungsform und hört möglichst vielen Menschen zu. Es ist schwer vorstellbar, dass die Frage der Messe im überlieferten Ritus ganz oben auf der Agenda des Papstes steht. Es ist nicht schwer vorstellbar, dass er früher oder später darüber entscheiden wird.
Diese Entscheidung wird zeigen, ob der Papst Ausgewogenheit sucht oder eine bestimmte ideologische Richtung einschlagen will. Das Handeln des Papstes lässt sich jedoch nicht allein an dieser Entscheidung messen. Die Zeit wird zeigen, ob der anfängliche Eindruck eines Papstes, der gerne die Messe feiert und bei jeder Prozession und öffentlichen Veranstaltung an vorderster Front steht, durch konkrete Fakten und Entscheidungen in diesem Sinne gestützt wird.
Man kann jedoch nicht erwarten, daß ein Papst ideologisch mit den Gruppen übereinstimmt, die seit Jahrzehnten die Debatte in der Kirche bestimmen. Er ist ein Papst einer neuen Generation und wird sich als solcher diesen Fragen stellen."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican