Stefan von Kempis berichtet für Vaticannews von der heutigen Begegnung Papst Leos XIV mit Politikern im Vatican. Hier geht´s zum Original: klicken
"PAPST WÜRDIGT VOR POLITIKERN DIE UNO- ERKLÄRUNG DER MENSCHENRECHTE"
Papst Leo XIV. hat die UNO-Menschenrechtserklärung gewürdigt. Bei einer Begegnung mit Politikern im Vatikan an diesem Samstag nannte er den Text auch heute noch relevant.
„Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die von der UNO am 10. Dezember 1948 gebilligt und proklamiert wurde, ist mittlerweile Teil des kulturellen Erbes der Menschheit. Dieser Text, der immer noch relevant ist, kann viel dazu beitragen, die menschliche Person in ihrer unverletzlichen Integrität zum Ausgangspunkt für die Suche nach Wahrheit zu machen. Dadurch kann sie denen, die sich in ihrem innersten Sein und in den Zwängen ihres Gewissens nicht respektiert fühlen, die Würde zurückgeben.“
Das sagte Leo XIV. bei einer Audienz für Politiker aus vielen Teilen der Welt, darunter die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni. Die Audienz war Teil der Heilig-Jahr-Feiern der Regierenden an diesem Wochenende.
Politik = Nächstenliebe
Die katholische Kirche stand der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, dem Gründungsdokument der UNO, in den Anfängen ablehnend gegenüber. Das änderte sich mit der Konzilserklärung „Dignitatis humanae“ von 1965 und der Enzyklika „Pacem in terris“ von Johannes XXIII. im selben Jahr. Johannes schrieb, zwar äußerten manche „mit Recht Einwände“ gegen die Menschenrechtserklärung, doch habe der Text das Verdienst, dass darin „die Würde der Person für alle Menschen feierlich anerkannt“ werde. In dasselbe Horn stieß vor einiger Zeit die Vatikanerklärung „Dignitas infinita“: „Die ontologische Würde und der einzigartige und herausragende Wert jeder Frau und jedes Mannes, die in dieser Welt existieren“, seien in der Menschenrechts-Erklärung von 1948 „verbindlich bekräftigt“ worden.
Der neue Papst Leo XIV. würdigte Politik mit einem Zitat seines Vorgängers Pius XI. als „höchste Form der Nächstenliebe“. Ihre wichtigste Aufgabe bestehe darin, „unabhängig von jeglichen Partikularinteressen das Wohl der Gemeinschaft, das Gemeinwohl, zu fördern und zu schützen, insbesondere durch den Schutz der Schwachen und Ausgegrenzten“.
Zitate von Leo XIII., ...
„Dies bedeutet beispielsweise, sich für die Überwindung des inakzeptablen Missverhältnisses zwischen dem immensen Reichtum, der sich in den Händen einiger weniger konzentriert, und den Armen dieser Welt einzusetzen (vgl. LEO XIII., Enzyklika Rerum Novarum, 15. Mai 1891, 1). Diejenigen, die unter extremen Bedingungen leben, schreien laut, um sich Gehör zu verschaffen, finden aber oft keine Ohren, die bereit sind, ihre Bitte anzuhören. Dieses Ungleichgewicht führt zu anhaltender Ungerechtigkeit, die leicht zu Gewalt und früher oder später zur Tragödie des Krieges führt. Eine solide Politik hingegen kann durch die Förderung einer gerechten Verteilung der Ressourcen einen wirksamen Beitrag zur Harmonie und zum Frieden im In- und Ausland leisten.“
Der Papst forderte die Zuhörenden auf, sich für Religionsfreiheit einzusetzen und das Potential des interreligiösen Dialogs für das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft und unter den Staaten zu entdecken.
... dem hl. Augustinus und Cicero
„Das politische Leben kann viel erreichen, wenn es die Voraussetzungen für echte Religionsfreiheit fördert und eine respektvolle und konstruktive Begegnung zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften ermöglicht. Der Glaube an Gott und die positiven Werte, die sich daraus ableiten, sind eine immense Quelle des Guten und der Wahrheit für das Leben des Einzelnen und der Gemeinschaften. Der heilige Augustinus sprach von der Notwendigkeit, vom amor sui – der egoistischen, kurzsichtigen und destruktiven Selbstliebe – zum amor Dei überzugehen – einer freien und großzügigen Liebe, die in Gott begründet ist und zur Selbsthingabe führt. Dieser Übergang, so lehrte er, ist wesentlich für den Aufbau der civitas Dei, einer Gesellschaft, deren Grundgesetz die Nächstenliebe ist (vgl. De Civitate Dei, XIV, 28).“
Als „gemeinsamen Bezugspunkt für politisches Handeln“ benannte Papst Leo das Naturrecht, als dessen Gewährsmann er Cicero zitierte. Das Naturrecht sei „universell gültig, ganz unabhängig von spezifischen Überzeugungen“; man könne es vor allem in ethischen Fragen zum „Kompass“ nehmen. An dieser Stelle brachte Leo seine eingangs erwähnte Würdigung der UNO-Menschenrechtserklärung unter.
Grosse politische Grundsatzrede von Papst Leo - Bericht von Radio Vatican
Politik und KI
In seiner Rede an Regierende beschäftigte sich der Papst außerdem mit dem Thema Künstliche Intelligenz. „Diese Entwicklung wird der Gesellschaft sicherlich von großem Nutzen sein, vorausgesetzt, dass ihr Einsatz die Identität und Würde des Menschen und seine Grundfreiheiten nicht untergräbt. Insbesondere darf nicht vergessen werden, dass Künstliche Intelligenz als Werkzeug zum Wohle der Menschen dienen muss und nicht dazu, sie zu schmälern oder gar zu ersetzen. Was sich hier abzeichnet, ist eine bedeutende Herausforderung, die große Aufmerksamkeit und Weitsicht erfordert. Es geht darum, gesunde, faire und solide Lebensweisen zu entwerfen, insbesondere zum Wohle der jüngeren Generationen.“
Das persönliche Leben der Menschen sei wichtiger „als jeder Algorithmus“, so Papst Leo. Soziale Beziehungen bräuchten „Entwicklungsräume“, die über alles hinausgingen, was eine „seelenlose Maschine“ vorab festlegen könne.
„Die Politik kann eine Herausforderung dieser Größenordnung nicht ignorieren“
„Wir dürfen nicht vergessen, dass Künstliche Intelligenz zwar in der Lage ist, Millionen von Datenpunkten zu speichern und viele Fragen in Sekundenschnelle zu beantworten, aber dennoch mit einem ‚statischen Gedächtnis‘ ausgestattet ist, das in keiner Weise mit dem des Menschen vergleichbar ist. Unser Gedächtnis hingegen ist kreativ, dynamisch, generativ und in der Lage, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einer lebendigen und fruchtbaren Suche nach Sinn zu vereinen, mit allen ethischen und existenziellen Implikationen, die dies mit sich bringt.“
Die letzten Worte Leos lehnten sich an die Ansprache an, die der verstorbene Papst Franziskus vor ziemlich genau einem Jahr bei einer G7-Sitzung zum Thema Künstliche Intelligenz im italienischen Apulien gehalten hat.
„Die Politik kann eine Herausforderung dieser Größenordnung nicht ignorieren. Im Gegenteil, sie ist aufgerufen, auf die vielen Bürger zu reagieren, die zu Recht mit Zuversicht und Besorgnis auf die Fragen blicken, die diese neue digitale Kultur aufwirft.“
Quelle: T.v.Kempis, vaticannews