Dienstag, 17. Dezember 2019

Magister: Kirche, Glaube & Politik im aktuellen Pontifikat

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo die starke Affinität des amtierenden Pontifex zur Politik und beruft sich dabei auf den Professor für Zeitgenössischen Geschichte, Robero Pertici.
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"ZWISCHEN NATIONALISMUS UND DEM RICHTIGEN BILD VON NATION. DER POLITISCHE FEHLSCHLAG VON PAPST FRANZISKUS"

Der Widerspruch ist vor den Augen aller sichtbar und kann politisch als Fehltritt bezeichnet werden. Papst Franziskus hämmert unerbittlich gegen Souveränismus und Nationalismus, und trotzdem wählen seine Gläubigen massenhaft souveräne und nationalistische Parteien- in Italien und in Europa.

In Italien ist zum Beispiel die Partei, die von praktizierenden Katholiken heute am meisten gewählt wird- die Lega Nord, deren Kopf Matteo Salvini (auf dem Foto) die  Gottesmutter verehrt und sich gleichzeitig für die Ablehnung von Einwanderern einsetzt.

In dem engen Kreis der Vertrauten von Jorge Mario Bergoglio gibt es einige, die ihn auf diesen Kontrast zwischen dem, was er predigt, und dem Verhalten der Gläubigen hingewiesen haben müssen. Davon zeugt der Artikel, den Andrea Riccardi, Professor für Kirchengeschichte und Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio, am 11. Dezember im „Corriere della Sera“ veröffentlicht hat

"Der National-Katholizismus, eine Gefahr für die Kirche" 

Riccardi zitiert Franziskus nur nebenbei. Er vermeidet sorgfältig an dessen sensationellste Breitseite - in einem Interview vom 6. August zu erinnern, "Souveränismus ist eine Haltung der Isolation. Ich bin besorgt, weil es Reden gibt, die an die Hitlers von 1934 erinnern..."

Statt dessen beklagt der Professor "den Tod des Nachdenkens über dieses Phänomen in der Kirche" und meint damit "warum akzeptieren einige Katholiken die soziale Botschaft von Papst Franziskus nicht, während sie nach Bestätigung suchen und empfänglich sind für einen Katholizismus, der Identität stiftet."

Aber Riccardi ist er der Erste, der sich weigert, diese Frage zu analysieren,. Er beschränkt sich darauf, festzustellen, daß "die Bewegungen des Souveränismus,  Christliche Werte und Symbole achten" und daß deshalb "von der Kirche ein National-Katholizismus gefordert wird."
Eine Forderung, die seiner Meinung nach "katastrophal" ist, weil sie dem  katholischen Universalismus, dem Erbe der Päpste und des Konzils widerspricht, in dessen Schatten das vereinte Europa und viele Visionen und Aktionen gegenüber der Welt entstanden."





Es gibt allerdings einen anderen Gelehrten, der in diesem Jahr einen Essay veröffentlicht hat, der die Idee von Nation in Italien und des Westlichen Gesellschaft tiefgründig analysiert und der die summarische Kritik, die gegen sie angeführt wird, kritisiert.

Dieser Gelehrte ist Roberto Pertici, 67, Professor für zeitgenössische Geschichte an der Universität Bergamo und Spezialist für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat. Ein Historiker, dessen erhellende Analyse zum Ende des Römischen Katholizismus, ausgelöst durch das aktuelle Pontifikat und einen Kommentar zur "Benedict-Option" der zukünftigen Christenheit in einer post-christlichen Ära die Leser von Settimo Cielo schon geniessen durften.

Pertici war auch anerkannter Autor des Osservatore Romano während der Jahre als die Vatican-Zeitung noch von Giovanni Maria Vian geleitet wurde. Sein jüngstes Buch, das von Viella herausgegeben wird, trägt den Titel "Die Kulturgeschichte des vereinigten Italiens".

Pertici hat vor kurzem dem "L´Eco di Bergamo" ein Interview gegeben, in dem er argumentiert, daß die Zunahme des Egoismus in der heutigen Gesellschaft nicht durch den Triumph des Nationalgedankens  hervorgerufen wird- sonder durch den Verlust seiner wahren Bedeutung.

Der Gesamttext des Interviews wird hier von Settimo Cielo wiedergegeben:

"Der NIedergang der Idee der Nation ist der Beginn souveränistischer Selbstsucht. Heute überwiegen die Rechte die Pflichten"

Für Anfänger: Pertici bezieht sich auf etwas Klassisches von einem der großen Historiker des 19. Jahrhunderts zur "Idee von der Nation" von Federico Chabod und greift die Bewegung der postmoderne Geschichtsschreibung an, die statt dessen, die Nation auf einen "Schwindel" und eine "Erfindung der Tradition" reduziert hat.


Die Nation- so behauptet er- hat ihre Gründe in einer Zivilisation in einer Kultur. Das "bedeutet nicht, daß die anderen Kulturen unzivilisiert sind, es gib viele, sie müssen offen sein und sich untereinander austauschen, aber sie haben etwas spezifisch Charakeristisches. Heute sind wir alle Universalisten des Wortes, aber die Nation beruht auf einer Kultur des Unterschieds. Das bedeutet nicht Ehrerbietung."

Pertici gibt zu, daß der Nationalismus in den Nationalstaaten entstanden ist. Aber er betont, daß es in der Nation vor allem "die Entwicklung der Demokratie gab", die Etablierung der Arbeiterbewegung, der sozialen Dienste, Wohlfahrt, und staatlicher Hilfe". Während abzuwarten ist, ob supranationale Staaten die gleiche Fähigkeit haben" 

Der Gedanke der Nation kann deshalb negative Entwicklungen durchmachen - und hat es getan. Aber
man muß vor allem auf seine positiven Effekte achten: in der Nation wird das Individuum in eine Realität integriert, die über seinen persönlichen Horizont hinausreicht, und fühlt etwas Reales, das "Allgemeinwohl" genannt wird. Zwei Jahrhunderte lang stand das auch im Zentrum der Soziallehre der Kirche, aber es besteht die Gefahr, abstrakt zu werden, wenn er (der Gedanke) nicht in einem Volk verkörpert wird, nicht in jemandem, der einem nahe steht, bekannt ist, mit dem wir familiär sind sondern nur in abstrakten Personen, die sich aus Prinzip mit denen, die weit entfernt sind, verbinden- das menschliche Wesen verbindet sich in primis mit denen, die ihm ähnlich sind und mit denen es verkehrt." 

Aber vor allem- so fährt Pertici fort- begann in den 70-er Jahren ein genereller Paradigmenwechsel,
"Während zuvor Rechte von Pflichten übertroffen wurden -wodurch das Individuum sich als Teil von etwas Größerem fühlte, das seine Handlungen leitete und definierte, überwiegen heute die Rechte und der Mensch denkt nur an die Entwicklung seiner eigenen Persönlichkeit und seine Selbstverwirklichung." 

Der Paradigmenwechsel ist nach dem Urteil Petricis "eine enorme anthropologische Transformation, derer wir uns noch nicht voll bewußt sind." 

Und am Ende des Interviews betont Pertici die Verbindung zwischen der 68-er Bewegung und dem Neoliberalismus der 80-er, "Das scheinen zwei sehr unterschiedliche Dinge zu sein. Die 68-er sind ein Phänomen der äußersten Linken und das Laissez-faire der Rechten. Aber wenn wir als Historiker auf den Inhalt der Dinge schauen, stellen wir fest, daß hinter dem einen und dem anderen die gleiche Art von Hyperindividualismus steht. Verbot der Verbote sowohl auf wirtschaftlicher und sozialer wie auf ethischer und persönlicher Ebene."

Und er schließt mit einer Beobachtung, die daran erinnert, was an der Spitze der Kirche passiert. 

"Heute ist die Vermischung von Humanitarismus und extremem ethischen Individualismus der Mischmasch der internationalen Eliten." 

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo

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