Montag, 9. Dezember 2019

Was Andrea Gagliarducci für die größte Herausforderung für Papst Franziskus hält....

In seiner heutigen montäglichen Kolumne in Monday in the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die Unterbrechung des Seligsprechungsprozesses für Fulton Sheen und stellt sie in einen Zusammenhang mit anderen, sich teilweise widersprechenden Entscheidungen des aktuellen Pontifikates. Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS:  DIE WAHREN HERAUSFORDERUNGEN"

Die Nachricht, daß die Seligsprechung von Fulton Sheen zurückgestellt wurde ist eine Warnung, die nicht unterschätzt werden darf. Die Zurückstellung der Selligsprechung erfolgte auf die Bitte einiger us-amerikanischer Bischöfe -insbesondere des Bischofs von Rochester (der Diözese. die Fulton Sheen leitete) -weil der berühmte amerikanische Fernseh-Prediger vielleicht in der Handhabung einiger Mißbrauchsfälle nicht angemessen gehandelt haben kömnte.

Die Pressemitteilung der US-Bischöfe liest sich so: daß es in unserem aktuell herrschenden Klima für die Gläubigen wichtig ist, zu wissen, daß es bis jetzt niemals irgendwelche Vorwürfe gegen Sheen wg. Mißbrauchs Jugendlicher gegeben hat und gibt, ZU keiner Zeit ist sein tugendhaftes Leben je in Frage gestellt worden."

Das bedeutet, daß niemand den Kanonisierungsprozess in Frage stellt und daß die sehr sorgfältigen Untersuchungen, die erforderlich sind, bevor der Papst ein Seligsprechungsdekret approbiert. durchgeführt wurden. Nicht einmal das der Fürbitte des Verehrungswürdigen zu verdankende Wunder, das für die Seligsprechung zwingend erforderlich ist.  Es ist irgendwie möglich, daß der Name Fulton Sheen in einer Mißbrauchsuntersuchung in der Diözese Rochester auftaucht. Daher die Entscheidung einen Schritt zurück zu tun.

Das ist eine präzedenzlose Entscheidung, weil sie eine Entscheidung aufhebt, die bereits getroffen wurde. Es hat andere Kanonisierungen und Seligsprechungen gegeben, die aus Gründen der Opportunität nicht stattfanden. Der sichtbarste Fall war der der Kanonisierung des Sel. Aloizije Stepinac, Märtyrer des Kommunismus in Kroatien. Es gibt bereits ein durch die Ärztekommission und der Theologenkommission anerkanntes Wunder. Papst Franziskus hat auf Druck serbisch-orthodoxer Kreise eine zusätzliche Historiker-Kommission eingesetzt.
Laut der Serben soll der Sel. Stepinac ein Kollaborateur der faschistischen Ustascha gewesen sein. Das zusammengesetzte Komitée konnte keine gemeinsame Stellungnahme erreichen und so hat der Papst bis heute der Kanonisierung nicht zugestimmt.
Als er aus Nord-Mazedonien zurückkehrte bemerkte Papst Franziskus, daß Kardinal Stepinac bereits selig ist und also bereits verehrt werden kann.





Unter den Seligsprechungen, die nie stattfanden, ist die von Papst Pius XII. Die Propaganda gegen Pius XII zielte auf sein angebliches "Schweigen" zur Verfolgung der Juden durch die Nazis. Das ist Propaganda, weil bekannt ist und von einer Historiker-Kommission bestätigt wurde, daß Pius XII den Juden half und ein Papst mit außerordentlichen Tugenden war. Bis jetzt hat keine Seligsprechung stattgefunden und der Prozess wurde aus Gründen der Opportunität nicht weiter geführt.

Fulton Sheens Fall ist anders und zeigt das Klima an, unter dem die Katholische Kirche leidet.
 Die Heiligsprechungskongregation hat betont, daß Fulton Sheen niemals in irgendeine Vertuschungsaktion bei sexuellem Mißbrauch verwickelt war und er -im Gegenteil- den mißbrauchenden Priester aus der Diözese entfernt hat. Nach der Faktenlage weiß die Kongregatiuon, daß Fulton Sheen richtig gehandelt hat. Die Seligsprechung wurde nebenbei bemerkt aus Gründen der Opportunität aufgeschoben.
Es ist das Signal, daß das Klima gegen die Katholische Kirche nicht nur in den USA überkocht. Und es ist nicht das erste Zeichen dafür, daß die Kirche kapituliert.

Z.B. folgte dem Schuldspruch im Mißbrauchsprozess gegen Kardinal George Pell eine Erklärung der Australischen Bischofskonferenz, die sehr schüchtern erscheint und unterstreicht, daß die Bischöfe den Opfern immer sorgfältig zuhören werden.

Das ist überall geschehen. Die Kirche muß betonen, daß sie den Opfern zuhört, als ob sie die Auswirkungen der Ursünde ertragen müßte. Es ist sogar in vielen Fällen passiert, in denen es nie einen Mißbrauch gegeben hat, daß die Kirche dennoch akzeptierte, Schmerzensgeld zu bezahlen, um nicht in einen Medienskandal verwickelt zu werden.

Die Kirche ist also im Belagerungszustand  und die Öffentliche Meinung hat mehr Gewicht als die Kirche selbst. Das heißt nicht, daß es keine Skandale gibt. Die gibt es, wegen der menschlichen Natur. Aber die Tatsache, daß die Kirche selbst die Wirkungen der Öffentlichen Meinung in Betracht zieht, ist eine Art Kapitulation vor der säkularen Welt.

Am Ende ist die wahre Herausforderung für Papst Franziskus, die Kirche aus der Schüchternheit, aus einem Minderwertigkeitskomplex gegenüber der säkularen Welt herauszuführen, über die Öffentliche Meinung hinweg zu sehen und statt dessen zu Prophezeiungen fähig zu sein- ohne Angst vor den Konsequenzen.

Wie immer scheint Papst Franziskus von einem Standpunkt zum anderen zu wechseln. Das Gipfeltreffen zum Mißbrauch im vergangenen Februar stellte fest. daß die Kirche die Mißbrauchskrise angehen müsse- hauptsächlich dadurch, daß sie den Opfern zuhöre, Am Ende des Treffens hat Papst Franziskus das Thema neu "gerahmt"; er unterstrich, daß Mißbrauch nicht nur in Kirchen stattfinde und beklagte den Mediendruck bei diesem Thema.

In seiner Reaktion auf die chilenischen Medien, die ihn zum Fall von Bischofs Barros von Osorno befragten, der zum Karadima-Kreis gehörte, erklärte Papst Franziskus, daß für Barros die Unschuldsvermutung gelte und die Arbeit der Bischöfe verteidigt werden müsse. Später änderte er seine Meinung und gab Fehler bei der Beurteilung der Dinge zu.

Als Papst Franziskus über den jüngsten Finanzskandal im Vatican sprach, gab er anscheinend den Medien und einem gewissen Druck nach. Er kehrte zu einer bilateralen Beziehung mit Italien zurück und vertraute den Gerichtshof des Vaticans einem ehemaligen italienischen Staatsanwalt an, der sehr im Medieninteresse stand, und in der Rechtssprechung des Vaticans unerfahren ist. Das war eine Veränderung. Bislang war Papst Franziskus der Linie Benedikts XVI gefolgt.

Schließlich sind da die Seligsprechungsfälle. Die Reliquien-Diplomatie, die Betonung der Volksfrömmigkeit geht bei Papst Franziskus mit besonderer Vorsicht bei jeder Entscheidung einher, die ein Hindernis für die wirklichen Ziele sein könnte. So sind die Beziehungen zur Orthodoxen Welt für den Papst wichtig genug, um den Heiligsprechungsprozess für den Sel. Stepinac nicht fortzusetzen.

Die causa Fulton Sheen ist das jüngste Beispiel. Sie zeigt, daß die Gründe der Opportunität wichtiger sein können als alles andere. In einer Notiz der Heiligsprechungs-Kongregation wird im Detail erklärt, daß sich Fulton Sheen in den beiden untersuchten Mißbrauchsfällen  korrekt verhielt  und nicht in die Ereignisse verwickelt war. Die Angst vor einem Angriff der Medien während der Seligsprechung war zu groß.

Muß die Kirche aus Angst vor der Öffentlichen Meinung auf ihre Rechte verzichten? Diese Frage schwebt über diesem Pontifikat und es ist die wirkliche Herausforderung für Papst Franziskus. Und sie wird eine wahre Herausforderung für alle Päpste sein, die nach ihm kommen."

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci 

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