Montag, 14. Juni 2021

Moneyval, Kardinal Marx´ Rücktrittsgesuch und das Narrativ

Andrea Gagliarducci kommentiert  in seiner heutigen Kolumne in Monday in the Vatican zwei Ereignisse, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben.  
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"PAPST FRANZISKUS, WIE WICHTIG IST DAS NARRATIV?" 

Zwei Ereignisse der Woche scheinen nicht miteinander verbunden zu sein und doch sind sie es. Das sind die Veröffentlichung des Moneyval-Reports, der alle strukturellen Probleme des vaticanischen Rechtssystens zertifiziert und der Rücktritt des Erzbischofs von München-Freising, der von Kardinal Reinhard Marx angeboten und von Papst Franziskus abgelehnt wurde. 

Das sind zwei miteinander verbundene Ereignisse, weil sie zeigen, wie sehr das Narrativ in diesem Pontifikat zählt und wie wichtig das Gewicht der Öffentlichen Meinung ist. 

Was die Vatican-Fiinanzen angeht. ist der Medien-Aktivismus der Finanz-Überwachungs-und Informationsautorität interessant. Jeder kleine Schritt wird gemitteilt, die getane Arbeit hervorgehoben, nur die positiven Dinge gezeigt. Das war auch beim Fortschritts-Bericht des MONEYVAL-Rates des Europäischen Kommittees der Fall.

Die Veröffentlichung des Berichtes wurde von einem offiziellen Interview mit dem Präsidenten der Finanzautorität Carmelo Barbagallo  und einer Serie von Zusammnenfassungen begleitet, die das Pressebüro  des Hl. Stuhls zur Verfügung gestellt wurde, die das Narrativ ansprechen zhu wollen schien. Das passiert jetzt oft: es gibt keine Pressekonferenzen mit offenen Fragen und präzisen Erklärungen wichtiger Themen. Die Kommunikation wird vermittelt. Jede mögliche Kritik wird vorbeugend verhindert und durch die offizielle Version der Fakten zum Schweigen gebracht. 

Dennoch war das genug, um hinter die Zusammenfassungen zu schauen, die vom Bericht geliefert wurden, um festzustellen, daß obwohl das Urteil als überwiegend positiv beurteilt wird, es in Wirklichkeit mehr Schatten als Licht im Moneyval-Report gibt. 

Der Bericht kritisiert auch die Razzien im Staatssekretariat und bei der Finanzaufsicht; er beleuchtet Zweifel an den investigativen Fähigkeiten -so wie es auch durch einen Londoner Richter geschah; und weist auf die Fehler in einem System hin, das nur bei zwei Gerichtsprozessen angewandt wurde, beide wegen eigener Geldwäsche, die aber nicht als Methode weiterentwickelt wurden, um verdäcghtige Transaktionen zu verfolgen. 

Es werden auch Beziehungen beleuchtet. Aber die betreffen alle die Tätigkeit des vorherigen Managements nicht das der neuen Präsidentschaft. Die abgebotenen Berichte werden als zuverlässig und gut durchgeführt betrachtet; und die bestehende Anti-Geldwäsche-Aufmerksamkeit wird gelobt. 


Das Narrativ jedoch, das kreiert wurde, zielt darauf ab, die Gegenwart besser zu machen, ohne die Vergangenheit in Betracht zu ziehen, obwohl die technischen Daten genau das Gegenteil aussagen. Das Narrativ sieht vor, daß alles, was getan wird, veröffentlicht werden muß und unterstreicht den neuen Wind, der im Vatican weht. Dieses Narrativ it ein klarer Bruch mit der Vergangenheit und tut sicher niemandem Gutes.

Die selbe Art Narrativ ist das, was Kardinal Reinhard Marx etablieren zu wollen scheint. Der Erzbischof von München-Freising wollte dem Papst seinen Rücktritt anbieten. In einem privaten Brief - der dann aber veröffentlicht wurde- sprach der Kardinal von einer Kirche, die an einem toten Punkt ist, von einer Übernahme von Verantwortung und der unerträglichen Last, die er fühlt. 

Papst Franziskus hat mit einem anderen Brief geantwortet, in dem er den Rücktritt ablehnt und zur gleichen Zeit von der Seuche des Mißbrauchs unterstreicht, und in dem er sich über angenommene Vertuschungen beklagt.

Zwei Standpunkte- die von Kardinal Marx und Papst Franziskus- die die Verbindung zwischen der Vergangenheit durchtrennt und sich selbst auf den Ground Zero der Reformen zum Mißbrauch stellen. Keiner schaut darauf, dwas getan wurde, sondern antworten darauf, was die Öffentliche Meinuing hören will. 

Aber dann sind da die Details. Kardinal Marx ist derjenige, der beim Mißbrauchsgipfel, die LInie der Null-Toleranz unterstützte und sogar so weit ging, die Abschaffung des Papst-Geheimnisses zu forden.

Aber das Papst-Geheimnis betrifft keine pädophilen Verbrechen und die Pädophilie im Klerus kann nicht der Hauptgrund sein, einen Rücktritt anzubieten. Es gibt eine Untersuchung zum Mißbrauch in München/ Bayern und ihre Ergebnisse sollen im kommenden Herbst und das ist es, was Kardinal Marx dazu veranlaßt haben könnte, sich zu äußern. Zur gleichen Zeit hat Kardinal Marx eine Menge Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In einem zukünftigen Konklave, in dem es nur wenige bekannte Kardinäle geben wird, wird das zweifellos entscheidend sein.

Das Problem aber, bleibt ein anderes: wenn man auf der Welle der Öffentlichen Meinung reitet, wenn man versucht, ein Narrativ aufzubauen, nuß jede Aktion diesem Narrativ untergrordnet werden. Nachdem Kardinal Marx esich so bemüht hat, eine Null-Toleranz-Linie  zu zeigen, brauchte er eine überzeugende Geste, um diese Linie voran zu bringen. 

Gleichzeitig -nachdem es versucht, die Zeichen der früheren Handhabung auszulöschen, muß die neue Führung der Vatican-Finanzen in den Medien superaktive werden, um diese öffentliche Meinung aufzubauen, die im Jahre Null ist und jede Art von Kritik an ihrer Arbeit vermeidet. 

Der mögliche Glaube der involvierten Handelnden sollte nicht in Frage gestellt werden. Es bleibt jedoch der Verdacht, daß eine ausufernde Publicity nicht gut ist und der Arbeit der Kirche irgendwie schadet, die in Stille und Wahrheit agieren muß und nicht im Rampenlicht, um wirklich wirkungsvoll zu sein. 

Das ist ein Problem, das auch den Papst betrifft: wir versäumen nicht, die Diskontinuität zu betonen,aber wir neigen dazu, alle kritischen Stimmen auszulöschen, Kritik als Ideologie zu definieren und deshalb  nicht einmal in Betracht ziehen, daß nicht alles neu ist. Dennoch sind die Dinge, die bei näherem Hinsehen im Vatican am besten funktioniert haben, jene, die Papst Franziskus geerbt hat, nikcht die die andere von ihm erben werden. 

Schaffung von Konsens bringt immer das Risiko mit sich, daß da jemand ist, der den Mut hat zu sagen, daß der Kaiser nackt ist. 

Quelle: A. Gagliarducci, MondayVatican 

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