Samstag, 13. November 2021

Brief eines Dominikaners an den Papst

Rorate Caeli hat den Offenen Brief des Dominikaner-Paters Wojciech Golaski an Papst Franziskus veröffentlicht. Hier geht´s zum Original:  klicken  . Einleitung, Kommentar und die Übersetzung der Teile 1 und 2 haben wir von der website Summorum Pontificum übernommen.

OFFENER BRIEF DES  DOMINIKANISCHEN THEOLOGEN FR. WOJCIECH GOLASKI: " ICH MUSS FÜR DIE HL. RITEN DER KIRCHE ZEUGNIS ABLEGEN"

Der polnische Dominikaner Wojciech Gołaski hat einen Brief an Papst Franziskus,
mehrere hohe Würdenträger der Kirche, Obere und Mitglieder seines Ordens sowie an
den Distriktsoberen der Piusbruderschaft in Polen veröffentlicht, in dem er die
grundsätzlichste Auseinandersetzung mit Traditionis Custodes vornimmt, die uns bisher
zur Kenntnis gekommen ist. Der Brief schließt mit der Mitteilung, daß P. Gołaski sich um
Mitgliedschaft in der Piusbruderschaft bewirbt und die Bruderschaft bereits wohlwollende
Aufnahme seines Anliegens signalisiert habe.

Über die generelle Zulässigkeit dieses Schrittes oder seine Klugheit zum gegenwärtigen
Zeitpunkt mag man unterschiedlicher Ansicht sein. Das ändert aber nichts am Wert und
der Schlüssigkeit der von P. Gołaski vorgetragenen Gesichtspunkte und Argumente, mit
denen sich künftig jeder auseinandersetzen muß, der die mit dem Pontifikat von
Franziskus ja nicht nur erst seit TC aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf die Wahrheit
des Glaubens beantworten will und sich nicht mit Machtworten zufrieden geben will.

Der Brief von P. Gołaski besteht aus drei Teilen: Einer Beschreibung seiner „Entdeckung“
der überlieferten Liturgie im 16. Jahr seines Priestertums und den daraus gewonnenen
Einsichten, die ihn unter anderem zur regelmäßigen Zelebration im usus antiquor führten..
Dann dem durch TC ausgelösten Schock, der nicht nur seine persönlichen Einsichten,
sondern die gesamte liturgische und lehrmäßige Tradition der Kirche in Frage stellte und
schließlich einer eingehenden Analyse der philosophischen und theologischen
Fehlkonzeptionen des Papstes und seiner Berater, auf deren Grundlage TC (und andere
Maßnahmen) erlassen wurden.

Den ersten Teil lassen wir hier ganz aus. Er enthält zwar eine durchaus lesenswerte
Darstellung des Vorgangs und der Auswirkungen der Entdeckung der Tradition auf einen
lange nach dem Konzil ausgebildeten und geweihten Priester, fügt aber früheren
„Entdeckungsberichten“ anderer Priester nichts wesentlich Neues hinzu. Den zweiten Teil
mit der Beschreibung des CT-Schocks übersetzen wir im Folgenden ganz. Den dritten Teil
mit der Analyse der Fehlkonzeptionen bringen wir mit geringfügigen Kürzungen um uns
weniger wichtig erscheinende Passagen [...] 
Wir haben nun Aussagen von zwei Päpsten. Seine Heiligkeit Benedikt XVI hatte gesagt, daß das römische Meßbuch des Hl. Papstes Pius V "als der außerordentliche Ausdruck der lex orandi der katholischen Kirche des römischen Ritus anzusehen ist“. Aber seine Heiligkeit Papst Franziskus 
sagt, daß "die liturgischen Bücher der hl. Päpste Paul VI und Johannes Paul II (…) der einzige
Ausdruck der lex orandi des römischen Ritus“ sind. Die Aussage des Nachfolgers verneint
somit die seines noch lebenden Vorgängers.


Kann eine bestimmte Zelebrationsweise der Messe, die durch eine seit Jahrhunderten
beachtete Tradition und alle Päpste, bis zum 16. Juli 2021 einschließlich Ihrer Selbst,
Heiliger Vater, bekräftigt und durch ihre Feier während so vieler Jahrhunderter geheiligt ist,
plötzlich aufhören, die lex orandi des römischen Ritus zu sein? Wenn das der Fall wäre,
würde das bedeuten, daß diese Eigenschaft nicht etwas ist, das dem Ritus im inneren
eigen ist, ist sondern eine äußerliche Zuschreibung, die von den Entscheidungen derer
abhängt, die Positionen hoher Autorität innehaben. In Wirklichkeit drückt die überlieferte
Liturgie in jeder Geste und in jedem Satz und in dem ganzen daraus gebildeten Gesamt
die lex orandi des römischen Ritus aus. Und wie die Kirche stets angenommen hat, ist sie
sicherer Ausdruck dieser lex orandi auf Grund ihres seit unvordenklichen Zeiten
ununterbrochen andauernden Gebrauchs. Wir müssen daraus folgern, daß die erste
päpstliche Aussage (von Benedikt) sicher begründet und wahr ist und daß die zweite (von
Franziskus) unbegründet und falsch ist. Doch auch wenn sie falsch ist, hat sie dennoch
Gesetzeskraft. Das hat Konsequenzen, zu denen ich mich weiter unten äußern werde.
Zugeständnisse hinsichtlich der Verwendung des Messbuchs von 1962 haben nun einen
anderen Charakter als frühere. Es geht jetzt nicht mehr um eine Antwort auf die Liebe, die
die Gläubigen der früheren Form entgegenbringen, sondern darum, dem Gläubigen eine
Frist zu geben – wie lange, sagt man uns nicht – um zur reformierten Liturgie
„zurückzukehren“. 
Der Text des motu proprio und Ihr Brief an die Bischöfe machen es ganz klar, daß die Entscheidung bereits gefallen ist und mit ihrer Umsetzung bereits begonnen wurde, um die überlieferte Liturgie aus dem Leben der Kirche zu entfernen und in Vergessenheit versinken zu lassen: Sie darf nicht mehr in Pfarrkirchen gefeiert werden, es dürfen keine neuen Gemeindegruppen gebildet werden, Rom ist zu konsultieren, wenn neue Priester sie zelebrieren wollen. 
Die Bischöfe sind jetzt wahrhaftig "Wächter der Tradition“, aber nicht im Sinne von Wächtern, die sie beschützen, sondern eher im Sinne von Wächtern in einem Gefängnis.
Gestatten Sie mir meine Überzeugung auszudrücken, daß das so nicht geschehen wird
und daß die Operation scheitert. Worauf gründet isich diese Überzeugung? Eine
sorgfältige Analyse der beiden Texte vom 16. Juli enthüllt vier Elemente: Hegelianismus,
Nominalismus, Glaube an die päpstliche Allmacht und Kollektivverantwortung. Jedes
dieser Elemente bildet einen wesentlichen Bestandteil ihrer Botschaft – und keines davon
ist mit den Grundsätzen des Katholischen Glaubens vereinbar. Da sie nicht mit dem
Glauben vereinbar sind, werden sie auch weder in der Theorie noch in der Praxis darin
Eingang finden können. Lassen sie uns diese Elemente der Reihe nach im Einzelnen
untersuchen.

1. Hegelianismus
Das ist hier als Fachterminus gebraucht. Der Ausdruck bezeichnet nicht wörtlich das
System des Philosophen Hegel, sondern etwas, das von seinem System abgeleitet ist,
nämlich das Verständnis von Geschichte als eines guten, rationalen und und
unvermeidlichen Prozesses andauernder Veränderungen. Dieser Denkansatz hat eine
lange Geschichte von Heraklit und Plotin über Joachim von Fiore bis zu Hegel, Marx und
deren modernen Erben. Charakteristikum dieses Ansatzes ist die Einteilung der
Geschichte in Phasen derart, daß der Beginn jeder neuen Phase mit dem Ende der
vorhergehenden verbunden ist. Versuche, den Hegelianismus zu "taufen“ bedeuten nichts
anderes als den Versuch, diese angenommenen historischen Phase mit der Autorität des
Heiligen Geistes auszustatten. 
Dabei wird angenommen, daß der Heilige Geist der nächsten Generation etwas mitteilt, 
von dem er zur vorhergehenden noch nicht gesprochen hat, oder daß er sogar etwas mitteilt, 
das im Gegensatz zu dem steht,was er vorher gesagt hat. Im letzteren Fall müssen wir uns zwischen drei Alternativen entscheiden: Entweder ist die Kirche in bestimmten Phasen dem
Heiligen Geist nicht gefolgt, oder der Heilige Geist ist der Veränderung unterworfen,
oder er enthält Widersprüche in sich selbst.

Eine andere Konsequenz dieser Weltanschauung ist eine Veränderung unseres
Verständnisses von Kirche und Tradition. Die Kirche erscheint dann nicht länger als
eine Einrichtung, die die Gläubigen aller Zeiten miteinander vereint, wie es der
katholische Glaube annimmt, sondern als eine Mehrzahl von Gruppen entsprechend
den jeweiligen Phasen. Diese Gruppen haben keine gemeinsame Sprache mehr,
unsere Vorfahren hatten keinen Zugang zu dem, was der Heilige Geist uns heute
mitteilt. Die Tradition selbst ist nicht länger eine Botschaft, die im Zusammenhang
studiert wird, sondern sie besteht eher darin, immer wieder Neues vom Heiligen
Geist zu empfangen. Dann ist, wie in Ihrem Brief an die Bischöfe, die Rede von der
„Dynamik der Tradition“, oft im Zusammenhang mit bestimmten Erignissen. Ein Beispiel ist
es, wenn Sie schreiben, daß die „letzte Stufe dieser Dynamik das zweite Vatikanische
Konzil ist, bei dem sich die katholischen Bischöfe versammelten, um zuzuhören und zu
ergründen, welchen Weg der Heilige Geist der Kirche zeigt“. Diese Argumentation
impliziert dann auch, daß eine neue Phase neue liturgische Formen erfordert, da die
früheren zwar dem vorherigen Stadium entsprachen, das aber nun vorbei ist. Da diese
Abfolge der Stadien durch das Konzil vom Heiligen Geist vorgegeben ist, widersetzen sich
diejenigen, die an den früheren Formen festhalten, obwohl sie Zugang zu den neuen
hätten, dem Heiligen Geist.
Derartige Ansichten widersprechen dem Glauben. Die Heilige Schrift als die
Grundlage des katholischen Glaubens bietet für ein solches Geschichtsverständnis
keine Grundlage. Statt dessen lehrt sie uns ein vollständig anderes Verständnis. Als
König Josia von der Entdeckung des alten Gesetzbuches erfahren hatte, ordnete er an,
die Feier des Paschafestes nach dessen Vorgabe durchzuführen, obwohl es eine
Unterbrechung von einem halben Jahrhundert gegeben hatte (2 Könige 22-23). In der
gleichen Weise feierten Ezra und Nehemia bei ihrer Rückkehr aus der babylonischen
Gefangenschaft das Laubhüttenfest mit dem ganzen Volk genau nach der Vorgabe der
alten Gesetzesvorschriften, obwohl seit der letzten Feier viele Jahrzehnte vergangen
waren (Nehemia 8). In beiden Fällen wurden die alt en Gesetzestexte verwandt, um den
Gottesdienst nach einer Periode der Verwirrungen zu erneuern. Niemand verlangte eine
Veränderung der Riten, weil eine neue Zeit angebrochen war.
Fortsetzung folgt....

Quelle: Fr. W. Golaski, Rorate Caeli, summorum pontificum

2 Kommentare:

  1. Herzlichen Dank für den ersten Teil des hochinteressanten Briefes, der uns wieder einen "Urkonflikt" in unsrer Kirche vorführt, der zwischen einem analytisch denkenden Dominikaner und dem flexiblen Manövrieren eines Jesuiten (, der m. E. auch noch mehr Peronist als Jesuit ist). Die alte Feindschaft liegt nicht nur in der anderen Denkweise begründet, sie hat einen historischen Anlaß, der sich genau auf dem Kontinent ereignet hat, auf dem Bergolio geboren wurde. Es könnte Ausdruck göttlichen Humors sein, daß es wieder ein Dominikaner aus dem alten Europa einem Jesuiten erklären muß, was es mit der katholischen Tradition auf sich hat. er wird wohl wieder kaum ein offenes Ohr finden, eher werden wohl alte Dominikanerwitze in Rom wieder die Runde machen. Dennoch: Der gute Pater steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Tradition und ich bewundere seine geistigen Fähigkeiten und wenn er zur FSSPX wechseln sollte, darf sich die Gemeinschaft über einen klugen mehr freuen!

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  2. Das heißt doch nicht weniger, als das bereits das "phasige" Geschichtsverständnis des Konzils falsch war und ist. Das ist keine Kleinigkeit und wenn man so will, aller ideologischen Laster dieses Konzils Anfang.

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