"Europa darf nicht die Augen vor seinen inneren Feinden verschließen"
"Nach nach dem Mord an den Redaktionsmitgliedern von "Charlie Hebdo" sind nach zweieinhalb Tagen der Verfolgung und einer Simultanaktion in Paris und in Dammartin-en-Goele 4 Geiseln tot, 3 Djihadisten getötet und der Albtraum scheint zuende. Frankreich und alle europäischen Länder fragen sich, mit welcher Art Monster sie es zu tun haben.
La Nuova Bussola Quotidiana hat darüber mit Amer al Sabaileh Strategieanalytiker und Terrorismusexperte in Amman gesprochen:
"Es handelt sich um Organisationen, die bereits einen Plan fertig hatten, erklärt er uns- und es wurde eine Zeitung angegriffen, die vor 3 Jahren die Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte.
Die Killer haben nach einem präzisen Plan gehandelt, nachdem sie ihre Informationen und Ortskenntnisse eingeholt hatten.
Sie kannten alle Journalisten mit Namen, die sie töten wollten und wußten, wann sie sie alle in der Redaktion versammelt finden würden. Aus den Bildern können wir ersehen, daß sie kaltblütig handelten. Es genügt zu sehen, mit welcher Ruhe einer der Brüder Kouachi dem französischen Polizisten (Ahmed Merabet, zufällig Moslem) in den Kopf schoss. Das sind Experten. Sie haben nicht improvisiert, das konnte nicht einfach so durchgeführt werden, sie haben auch reale Kampferfahrung."
"Bisher hatte man in Frankreich Angst vor Aktionen "einsamer Wölfe" aber das scheint hier nicht zuzutreffen, wenn man ihre Organisation betrachtet.Mit welcher Art von Bedrohung haben wir es zu tun?"
"Die Brüder Kouachi könnten sehr wohl gut organisierte einsame Wölfe gewesen sein. Das Problem ist, daß die Isis dem Terrorismus eine neue Wendung gegeben hat, Als sie in Syrien und im Irak das Kalifat ausriefen, haben sie allen Anhängern des radikalen Islamismus die Tore geöffnet, auch Gruppen, die bis vor kurzem zu Al Qaeda gehörten. Das Kalifat ist eine Fahne, ein Referenzpunkt, aber es erlaubt einzelnen Gruppen auch in voller Autonomie zu handeln. Die Kriegserklärung des Kalifats war eine Einladung an alle dieses Gruppen, in Aktion zu treten.
Das Attentat von Paris kann aber auch eine in aller Unabhängigkeit entschiedene und geplante Aktion einer terroristischen Zelle gewesen sein, die aus einer begrenzen Zahl und -noch-unbekannten Personen besteht. Die Stil der Aktion deutet auf ISIS hin, auf eine begrenzte und nicht mit anderen synchronisierte Attacke. Wir sprechen hier nicht von Al Qaeda, mit ihren von einem einzigen operativen Zentrum geplanten Aktionen: die Gefahr für Europa ist, daß alle diese individuellen Gruppen frei sind, zu entscheiden, wie und wann sie in voller Autonomie handeln wollen.
Zur Zeit ist das Risiko hoch, daß das Attentat auf Charlie Hebdo nicht das letzte dieser Art sein wird und wir in Europa viel mehr von dieser Art haben werden. ISIS hat eine Art "finalen Krieg" erklärt."
"Wie konnte sich zu diesem Zeitpunkt eine so unvorhersehbare Drohung entwickeln?"
"Man kann noch so viele Attentate vereiteln, wenn ein einziges ausgeführt wird, wird das zu einem großes Sicherheitsproblem. Das ist die wirkliche Herausforderung: alle europäischen Länder können noch so viel in die Sicherheit investieren, ein einziger Irrtum, wie er in Frankreich begangen wurde, hat ein fatales Resultat. Ich weiß sehr gut, daß die Franzosen einen soliden Antiterrorismusapparat haben, verdächtige Terroristen überwachen und wissen, wo sie sie suchen müssen. Aber sei es in Frankreich oder den anderen europäischen Ländern, sie haben die Gefahr auto-immuner Zellen unterschätzt, die sich selbst aktivieren, sich auf franzöischem Grund und Boden autonom bewegen und aus französischen Bürgern bestehen.
Einer der Kouachi-Brüder, Cherif, wurde wegen der Rekrutierung von Personen, die er in den Irak schicken wolltem, verurteilt. Es handelt sich also um bereits bekannte Personen, verhaftete und überwachte. Dennoch ist es ihnen gelungen, ein Blutbad anzurichten.
Das soll heißen, daß es auf zu "einfache" Weise organisiert wurde, um in den Augen eines raffinierten Geheimdienstes aufzufallen, ohne Kommunikation, die man abhören konnte, ohne auffällige Bewegungen, denen man folgen konnte. Das Risiko, wird also weiterhin äußerst hoch sein.
Nicht nur in Frankreich sondern auch in Spanien, England,Belgien, Holland, Dänemark, Schweden und Norwegen, Auch in Italienl Ihr seid nicht immun gegen die Gefahr.Aber wo ist der grundlegende Fehler, der begangen wird?
Daß ihr wißt, daß ihr Terroristen habt, die offen ihre Absicht erklären terroristische Aktionen auszuführen und sich dennoch aller Zivilrechte und Sozialgarantien des Staates erfreuen. Ich denke da, an das Beispiel der dänischen Kombattanten in Syrien, die weiterhin Unterhaltszahlungen vom dänischen Staat erhalten. Und das ist erst der Anfang. Weil- wie der Fall in Frankreich zeigt, die Terroristen, die gehandelt haben, nicht "neu" waren, bekannt waren, überwacht und abgehört. In naher Zukunft wird ein Terrorismus einer neuen Generation beginnen. Das wird ein Terrorismus anderer Art sein, von Personen ausgeführt, die nicht in radikale Moscheen gehen, von Frauen, ISIS rekrutiert auch Kinder. Das ist das Szenario , das uns erwartet."
"Wie könnte eine Verteidigung unserer Länder und besonders Italiens aussehen?"
"Italien müßte vor allem aufhören, bei allen schon bestehenden Bewegungen. die auf italienischem Boden bestehen, ein Auge zuzudrücken, die sich, um sich als Moderate zu maskieren, zu großen Grippen in einem Netz zusammengeschlossen haben und am Ende Wasser auf die Mühlen der Terroristen sein werden. Die italienischen Autoritäten müßten gegenüber diesen Organisationen unbeugsamer sein. Sie müßten das schon bestehende Gesetz sehr viel entschlossener anwenden. Jedes mal ,wenn ich in Italien reise sehe ich, daß in den Städten klar illegale Situationen toleriert werden. Aber auch viele Touristen in Rom sehen das und berichten darüber: es gibt eine Illegalität, die man atmen kann.Der Staat bietet weder ein Bild der Stärke noch der Sicherheit in der Anwendung der Gesetze, etwas was nichts mit der Garantie der Freiheitsrechte der Person zu tun hat. Die Terrororganisationen werden in die Lage versetzt, sich ohne Probleme im Land bewegen zu können. Und Sie müssen bedenken, daß auch Sie ein potentielles Ziel sind. Indem man dem Staat seine Bedeutung zurückgibt, macht man ein Attentat schwieriger. Das ist es ,was sofort getan werden muß.
Aber vergessen wir nicht, daß das kein lokaler Krieg ist, es ist ein globaler. In diesen Tagen hat er Frankreich ergriffen, morgen könnte er auch Sie berühren oder irgendwen anderes in Europa. Die Antwort müßte deshalb eine internationale sein. Man muß jede Instrumentalisierung ( wie den Ausschluss Russlands oder des Irans oder anderer Länder, die sich für den gemeinsamen Kampf gegen diesen Terrorismus interessieren) vermeiden und zugeben, daß diese Bedrohung allen gilt, daß die Geheimdienste aller Länder, die dem selben Risiko ausgesetzt sind, zusammen arbeiten müssen.
"Die rechten Parteien in Frankreich wie in Italien zeigen gleichermaßen auf die Einwanderung. Macht das Sinn?"
"Der Terrorismus steht nicht zwangsläufig mit der Einwanderung in Beziehung, weil er auch von Einheimischen verübt werden kann, oder vom Einwanderern der 3. oder 4. Generation. Das Problem ist klar, wir haben Leute im Haus, die eine Bedrohung der Menschheit darstellen. Nicht für ein bestimmtes Land, aber für die Menschheit.
Weil es Leute gibt, die sich nicht integrieren wollen und die Zukunft durch eine imaginäre Vergangenheit sehen, die in einer Kultur des Hasses leben. Die Einwanderung als Phänomen ist nicht notwendigerweise mit dem Terrorismus verbunden, das muß man sagen, weil Italien ein Einwanderungsproblem hat.
Weil sie es nicht machen wie Kanada oder Australien, Länder die die Einwanderer auf Grund ihres Wertes auswählen. Das macht aber das Leben der legalen Einwanderer kompliziert, während man die Augen vor den Illegalen verschließt. Das ist das wahre Problem Italiens, die niedrige Qualität der Einwanderung, die Abwesenheit einer Kontrolle, die ein fundamentaler Irrtum ist, weil wir hier über Gruppen sprechen, die sich oft zwischen den Ländern hin und her bewegen, ohne auf größere Probleme zu stoßen."
"Man tut nichts anderes, als vom Unterschied zwischen einem moderaten Islam und dem radikalen Islamismus zu sprechen, Sie leben in Jordanien, das als Wahrzeichen des moderaten Islams gilt. Was denken Sie über diese Unterscheidung: existiert sie nur in unserer Einbildung?"
"Ich habe bis heute nicht verstanden, was der moderate Islam sein soll. Ich glaube nicht, dass das eine ernsthafte Art ist, die Frage des Terrorismus anzugehen. Zu glauben, daß man die Terroristen besiegen kann, indem man sich dem moderaten Islam zuwendet und ihn unterstützt, ist ein Fehler. Um ihn zu bekämpfen, muß man heute den Islam dazu bringen, den Pluralismus in den moslemischen Gesellschaften zu fördern. Die Radikalen Moslems neigen dazu, ihre Kultur allen aufzuzwingen. Jordanien hat sich in den letzten 40 Jahren radikal verändert. Heute ist es im Vergleich zu den 60-er und 70-er Jahren fast nicht wieder zu erkennen.
Das Problem wird dadurch angegangen, daß man säkularen Bewegungen Raum und Kraft gibt. Man muß die engen Grenze der Religion verlassen und in Begriffen der Menschheit denken, mit Respekt vor dem Nächsten und den Menschenrechten. Alles das kommt aus einer Kultur, die den Pluralismus akzeptiert, die Religionsfreiheit, nicht aus der einer Vision einer "Moderaten" Religion in einer monokonfessionellen Gesellschaft. Weil auch der moderate Moslem von seiner Überlegenheit gegenüber anderen überzeugt ist, weil er weiß, daß er gläubig ist, der andere aber nicht, weiß, daß er ins Paradies kommen wird, der andere nicht. Um aus dieser Logik heraus zu kommen, muß man von der Religion weggehen und versuchen, eine politische Lösung zu finden, und einen wirklichen Pluralismus akzeptieren. Weil bis heute die arabischen Gesellschaften in ihrer menschlichen Entwicklung gescheitert sind, muß die Religion hat dieses Versagen wettmachen. Die offizielle Politik -auch die laizistische- hat diese Bewegungen wachsen lassen (aus verschiedenen Gründen vom Kalten Krieg bis heute) und heute sind sie eine Krebserkrankung geworden, die überall metastasiert."
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