Samstag, 31. Januar 2015

Sandro Magister: "Die Civiltà Cattolica hat nicht immer Recht...das sagt ein Jesuit"

Sandro Magister scheint mit seinem Artikel "Die Bischöfe der Philippinen unter Druck, geprüft und verworfen" über die Kritik des Jesuiten Pierre de Charentay von letzter Woche (wir berichteten) an diesen Bischöfen in eine Art Wespennest gestochen zu haben. Während von halboffizieller Vaticanseite und der SJ -via Twitter- versucht wurde, zu behaupten, der zur Redaktion von Civiltà Cattolica gehörende Franzose habe überhaupt nichts über die Philippinen geschrieben (was erwartungsgemäß nicht aufrecht zu erhalten war, weshalb im Laufe des Abends die Tweets gelöscht wurden) gab es auch positive Rückmeldungen.
Den Brief, den der ebenfalls der Gesellschaft Jesu angehörende Pater Joseph Fessio ihm aus San Francisco schickte, hat Magister gestern bei www.chiesa im L´ Espresso veröffentlicht.
Schließlich ging es dabei, abgesehen von den theologischen Fragen, auch um nicht weniger als seine Reputation als "Doyen" der Vaticanisti.
Hier geht´s zum Original:   klicken

"DIE CIVILTÀ  CATTOLICA HAT NICHT IMMER RECHT. UND DAS SAGT EIN JESUIT!"
Pater Joseph Fessio SJ, distanziert sich von im Römischen Magazin der Jesuiten veröffentlichten Kritik an den philippinischen Bischöfen - schuldig der dezidierten Opposition gegen das "Gesundheitsgesetz"
Sandro Magister, Rom 29.1.2015

"Sie ist nicht unbemerkt geblieben, die harsche Kritik eines autoritativen Jesuiten, der bei der autoritativen "La Civiltà Cattolica" schreibt, an die Adresse der Bischöfe der Philippinen wegen ihrer entschlossenen Opposition gegen das Gesetz "für reproduktive Gesundheit", das erfolgreich vom katholischen Präsidenten Benigno "Noynoy" Aquino durchgesetzt wurde.
Der Jesuit, der die Bischöfe abkanzelte "rückständig" und "verschlossen" zu sein-und das nicht nur im Hinblick auf die Erfordernisse der Moderne sondern auch auf die Wünsche von Papst Franziskus, ist der Franzose Pierre de Charentay, ein früherer Präsident des Centre Sèvres, dem Pariser Institut für höhere Bildung der SJ in Paris, von 2004 bis 2012 Direktor von Études, dem Magazin der Jesuiten in Frankreich und seit letztem Jahr Redaktionsmitglied von "La Civiltà Cattolica" dem Magazin der römischen Jesuiten mit vaticanischem Imprimatur und unter der Leitung des Papst-Intimus Pater Antonio Spadaro.
Der Tadel für die Bischöfe der Philippinen erzielte noch größere Wirkung, weil er mit der Reise von Papst Franziskus in das Land zusammen fiel, das nicht nur in Asien das einzige mit einer katholischen Mehrheit ist, sondern sich auch auch durch eine starke Präsenz der Bischöfe in der Öffentlichkeit auszeichnet.
Als er den Papst in Präsidentenpalast empfing, nutzte der in der Jesuitenschule von Manila erzogene Benigno Aquino, die Gelegenheit, die Philippinischen Bischöfe zu kritisieren und zitierte als er seinen Gast willkommen hieß, aus der vorweihnachtliche Ansprache des Papstes an die Kurie (wir erinnern uns, die mit den 15 kurialen Krankheitsbildern) die Verurteilung jener, "die sich kraft ihrer Rolle selbst zu  Aussäern der Zwietracht machen",  die er gegen die Bischöfe verwandte.


Aber weder in der Rede, die er unmittelbar danach hielt und in der er nichtsdestoweniger eine Lanze für das "unveräußerliche Recht auf Leben, beginnend mit dem der Ungeborenen" brach, noch zu irgendeinem anderen  Zeitpunkt seines Besuches äußerte der Papst auch nur ein einziges Wort zur Verteidigung der Bischöfe.Nicht jeder Jesuit ist mit dieser anklägerischen These ihres Mitbruders von la Civiltà Cattolica einverstanden, die den Katholizismus der Philippinen wegen seiner "kulturellen Begrenztheit" lächerlich machte " nahe einer Lateinamerikanischem Spiritualität, entlang dem Spanischen Modell aber ohne die von der Aufklärung oder der Französischen Revolution (sic!) geerbten liberalen Tendenzen."

In San Franzisco reagierte der Jesuit Pater Joseph Fessio , nachdem er die Abfuhr an die Philippinischen Bischöfe durch Pater de Charentay gelesen hatte, mit dem unten abgedruckten Brief.
Pater Fessio ist nicht unbekannt, in der theologischen Schule Joseph Ratzingers geformt und prominentes Mitglied des Schülerkreises, gründete er und leitet das Verlagshaus Ignatius-Press, das vor kurzem Eindruck machte mit der Herausgabe und Veröffentlichung des Buches "In der Wahrheit Christi bleiben" mit den Beiträgen der 5 Kardinäle gegen die Wiederzulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion.
Es folgen die Irrtümer in der Argumentation und im Faktischen, die Pater J. Fessio in der Kritik Pater de Charentays an den Bischöfen wegen ihrer Haltung zum "Gesetz zur reproduktiven Gesundheit" erkannte.
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Lieber Sandro Magister,
ich bin sehr traurig und verstört über das, was Pater Pierre de Charentay geschrieben hat. Es ist umso schädlicher, als das Buch, wie Sie es beschrieben haben, sonst eine ernsthafte und informierte Arbeit ist.
Hier zwei Passage die ich für ausgesprochen schädlich halte, auch- oder vielleicht gerade weil- sie einer weit verbreiteten aber falschen Meinung Ausdruck verleihen.

1. Pater de Charentay schreibt: "In der Diskussion erwähnte die Katholische Kirche nie die Förderung der Abtreibung, eine entschieden ernstere Tatsache als die Empfängnisverhütung, die sie bekämpft. Diese beiden Dinge sind miteinander verbunden, weil die Abtreibung das Mittel ist, eine Geburt zu verhindern, wenn keine Empfängnisverhütung betrieben wird. Das größere Übel folgt dem kleineren."

Stimmt es, daß Abtreibung ein größeres Übel ist als Empfängnisverhütung , sogar entschieden ernster?
Nicht unbedingt. Nehmen Sie den Fall verheirateter Paare, die ohne schwerwiegende Gründe nach der Eheschließung Kontrazeptiva benutzen, um die Geburt von Kindern um Jahre zu verzögern. Sicher ist es in manchen Fällen Gottes Wille, daß sie für neues Leben offen sind. Was ist dann das größere Übel?
Die Empfängnis -und somit die Existenz eines menschlichen Wesens mit einer unsterblichen Seele, von Gott gewünscht und zur ewigen Seligkeit bestimmt. zu verhüten? Oder ein Kind abzutreiben? Letztere ist sicher ein schweres Vergehen.
"Gaudium et Spes" nennt sie ein abscheuliches Verbrechen. Aber ein Kind existiert, das ewig leben wird, im ersten Fall hat das von Gott geplante Kind nie existiert.

Sicher ist Verhütung weit verbreitet, auch unter verheirateten Katholiken. Aber genau wie bei den Abermillionen Abtreibungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben. stellt sich die Frage: wie kann Gott erlauben, daß so ein Übel sich ausbreitet? Es gibt keine einfachen Antworten zu diesem "mysterium iniquitatis" .
Und das bedeutet, dass die einfache Antwort, ein Übel wie die Empfängnisverhütung sei nicht wirklich gravierend, für einen Christen inakzeptabel ist. Gottes Wege sind nicht die unseren. Aber das macht die erkennbaren fundamentalen Prinzipien nicht ungültig, von denen eines ist: es idt ein größeres Vergehen, jemandem die Existenz zu verweigern als jemandem das zeitliche Leben zu nehmen.

Dazu ist Pater Charentays prinzipieller Denkfehler auch ein faktischer.
Er stellt richtig fest, dass Empfängnisverhütung und Abtreibung miteinander verbunden sind, aber sie sind nicht so verbunden, wie er behauptet, d.h. daß ein besserer Zugang zu Kontrazeptiva die Zahl der Abtreibungen reduziert.
Die Fakten belegen das genaue Gegenteil. Weltweite Statistiken zeigen, daß der vermehrte Zugang zu Kontrazeptiva ein hohe Korrelation zur Zunahme der Abtreibungen aufweist. Und die Daten sind auch intuitiv überzeugend: ist erst einmal die Empfängnisverhütungsmentalität verbreitet, wird die Abtreibung einfach als Rückversicherung gesehen, falls die Verhütung versagt, was sie so oft tut.
2.Pater de Charentay schreibt : Das Reproductive-Health-Gesetz wurde formuliert, um der armen Bevölkerung zu helfen, und ihnen den Zugang zu Kontrazeptiva zu erleichtern, die die Mittelschicht und die Reichen bereits benutzen. Die verschiedenen sozialen Gruppen haben in diesem Punkt nicht die gleichen Möglichkeiten. Deshalb ist das Gesetz die Antwort auf eine Frage der Gerechtigkeit, die die Regierung zugunsten der armen Bevölkerung motivierte."
Hier ist der bösartige Fehler offensichtlich und bedarf keines großen Kommentares : weil die Wohlhabenden das Gesetz umgehen können, das ein schwerwiegendes Übel verbietet, muß das Gesetz abgeschafft werden, damit den Armen nicht die selbe Möglichkeit, es zu umgehen, verweigert wird.
Ich sage nicht, daß es nicht gute Gründe für die Kirche geben kann, unter bestimmten Umständen Gesetze zu tolerieren, die ein moralisches Übel zulassen. Aber der Anspruch, das sei "eine Frage der Gerechtigkeit", gehört nicht zu diesen Gründen.



Herzlich
Pater Joseph Fessio, SJ

Quelle: www.chiesa, Sandro Magister 

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