A. Gagliarducci denkt bei Monday in the Vatican über die Fälle Pell und Miloni und deren Bezug zur Kurienreform des Papstes nach.
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"PAPST FRANZISKUS : DER KAMPF HINTER DEN KULISSEN"
"Kardinal George Pell hat sich von seinem Amt als Präfekt des Wirtschaftssekretariates beurlauben lassen. Die Ankündigung seiner Abreise kam genau eine Woche nach der Nachricht, daß der General-Auditor des Vaticans. Libero Milone, zurückgetreten ist. Obwohl die beiden Ereignisse zusammen gehören könnten und die Verbindung zwischen ihnen als Teil des Widerstandes gegen die Finanzreform des Vaticans betrachtet werden könnte, gibt es komplexere Themen, mit denen man sich beschäftigen muß.
Kardinal Pell hat Urlaub genommen, um sich gegen die in Australien erhobenen niederträchtigen Vorwürfe des sexuellen Mißbrauchs zu verteidigen. Als er seinen Entschluss erklärte, hat er nicht gezögert, die Kampagne gegen ihn als "Charaktermord" zu bezeichnen. In der Tat hat es eine langanhaltende Eskalation seitens der Zeitungen gegeben, die seinen Namen mit der Untersuchung in Verbindung gebracht haben. Diese Eskalation gipfelte in der Nachricht von einer Anklage gegen den Kardinal und seiner Vorladung am 18. Juli vor dem Gericht zu erscheinen.
Die gleiche Eskalation fand statt, als Pell aufgefordert war, vor der Königlichen Kommission des Bundesstaates Victoria zur Beschuldigung, er habe sexuellen Mißbrauch gedeckt, auszusagen. Weil sein Gesundheitszustand einen Flug nach Australien nicht zuließ und er um die Erlaubnis bat via Video-Konferenz von Rom aus aussagen zu dürfen, was ihm gewährt wurde.
Die Anhörung fand im Februar 2016 statt und man sollte zur Kenntnis nehmen, daß die ersten Fragen an ihn sich hauptsächlich um Kardinal Pells aktuellen Verantwortungsbereich im Vatican drehten und ob er Geld verwalte oder nicht.
Keine der anfänglichen Fragen hatten irgendetwas mit dem Vorwurf der Mißbrauchsverdeckung zu tun. Außerdem hatten die dann folgenden Fragen das klare Ziel, den Kardinal in Widersprüche zu verwickeln.
Das ist ein typischer modus operandi im Angelsächsischen Prozessrecht, besonders bei Zivilprozessen, die oft mit der Zahlung von Schadensersatz an die Opfer enden. Nicht zufällig endete der skandalauslösende sexuelle Mißbrauch Minderjähriger in der Kirche fast immer mit riesigen Schadensersatzsummen, die an die Überlebenden bezahlt wurden. Es ist wahr, daß ein Mißbrauchspriester schon einer zuviel ist. Es ist auch wahr, daß in zu vielen Fällen das Thema sexueller Mißbrauch durch Priester viel größer gemacht wurde, als er war, um Millionen Dollar Schadensersatz zu bekommen, wie Massimo Introvigne in seinem Buch "Pädophilie, eine Schlacht, die die Kirche gewinnt" unterstreicht.
Der Aufbruch Kardinal Pells hat am Ende nichts mit der Finanzreform des Vaticans zu tun. Aber sein Aufbruch läßt auch einige Fragen dazu offen, wie effektiv diese Reform ist.
Mit dem Präfekten in Abwesenheit bis zum Abschluss des Verfahrens wird das Wirtschaftssekretariat auf der Basis "business as usual" operieren. Es ist auch möglich, daß der Papst am Ende einen neuen Präfekten ernennt. Oder der Papst könnte sogar das Wirtschaftssekretariat abschaffen. Das Dikasterium hat Statuten, aber gleichzeitig hat es keinen Platz in Pastor Bonus, der Apostolischen Konstitution, die die Funktionen aller Kurien-Ämter reguliert.
Auch wenn niemand daran denkt, Pastor Bonus ist immer noch gültig - wie Papst Franziskus in einer offiziellen, vom Vaticanischen Staatssekretariat erbetenen Ankündigung bestätigte. Die Reform, die im Vorübergehen durchgeführt wird - wie Bischof Semeraro, der Sekretär des Kardinalsrates es beschrieb - hat keine ausreichenden institutionellen Wurzeln um auf Dauer zu funktionieren. Solange keine neue Apostolische Konstitution verfaßt und promulgiert ist, ist alles Alte weiterhin gültig.
Außerdem besteht die Präfektur für Wirtschaftsbelange, die früher die gleiche Funktion hatte wie das Wirtschaftssekretariat, weiter. Sie hat keinen Präfekten, keine hochrangigen Mitarbeiter und keine Funktionen, aber ist de facto nie abgeschafft worden. Wenn also das Sekretariat für Wirtschaft geschlossen werden sollte, könnten seine Kompetenzen zur Präfektur zurück kehren. Die selbe Präfektur wurde übrigens 2012 einer Reform unterzogen, die ihm die Kompetenzen eines modernen Wirtschaftsministeriums gab.
Wie kann man am Ende die Papst Franziskus´ Wirtschaftsreform beschreiben? Sie ist sicher eine Reform mit dem soliden Vorsatz, die Bilanz des Hl. Stuhls transparenter und mit internationalen Standards konform zu machen. Zur selben Zeit ist es eine Reform, die am Anfang von einer unternehmensartigen Mentalität durchdrungen war, als sei der Vatican ein Unternehmen, das neu strukturiert werden müsse.
Diese Mentalität führte im Hinblick auf das IOR und die Zentraladministration des Hl. Stuhls zur Ernennung der Päpstlichen Referenzkommission und dann zu den teuren externen Beratern einschließlich des Vertrages mit Price Waterhouse Cooper, für eine externe Revision der Bilanz des Stadtstaates und aus diesem Grund - wurde der später - in Folge einer Intervention des Staatssekretariates - neu verhandelt.
Der Kampf hinter den Kulissen geht am Ende um die Kontrolle der Vatican-Maschinerie.
Startpunkt war die Vorstellung von größerer Kollegialität und das Projekt sollte andere Sekretariate ins Staatssekretariat einbinden und dadurch die Möglichkeit schaffen, die beiden Sektionen des Staatssekretariates - für Allgemeine Angelegenheiten und für die Beziehungen zu anderen Staaten - in zwei verschiedene Körperschaften zu trennen. Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem das Staatssekretariat erneut das Kommando im Kontrollraum übernimmt.
Die Wiedereroberung ist mit Intelligenz durchgeführt worden, indem die falschen Schritte derer, die versuchten, die Reform voranzubringen, ohne zu bedenken, was der Vatican ist, ausgenutzt wurden - kleine falsche Schritte - manchmal im guten Glauben gemacht - die nichtdestoweniger den Weg zur Re-Zentralisation pflasterten, wie es in den späten Tagen des Pontifikates des Hl. Johannes Pauls II passierte.
Das führt zu einem weiteren Rätsel: die Leute, die aufgerufen waren, die Reform durchzuführen, waren häufig keine Männer des Vaticans. Sie waren nicht Teil jenes "Verborgenen Vaticans", der dem Hl. Stuhl stolz gedient hat. Viele von denen kamen von außerhalb der Leoninischen Mauer, aber als sie einmal drin waren, ließen sie alle vorherigen Posten zurück und begannen eine lange und stille Reformarbeit deren Früchte immer noch geerntet werden. Das ist noch nicht lange her.
Libero Milone war einer dieser Männer, der von außerhalb kam und der von einer head-hunter-Agentur engagiert worden war. Ein Experte auf seinem Gebiet, international hochgeschätzt, mit großen Fährigkeiten, über jeden Verdacht erhaben, fiel sein Posten unter die direkte Aufsicht des Papstes.
Sicher geht die Reform weiter. Aber sie kann nur weitergehen, wenn sie starke institutionelle Wurzeln hat. Z.B.die Verwaltung des Patrimoniums des Apostolischen Stuhls (APSA) unterliegt nicht länger der Aufsicht der Finanzbehörde und ist nicht länger in irgendwelche finanziellen Transaktionen verwickelt. Die Schließung der wenigen für die APSA zugänglichen Konten war bereits im Moneyval-Bericht von 2012 vorgesehen.
Sogar die Trennung zwischen Aufsicht und Managment wurde bereits vom MONEYVAL-Report vorgesehen. Aus diesem Grund ist es logisch, daß APSA die finanziellen Kompetenzen wieder übernehmen würde, die das Wirtschaftssekretariat der Veröffentlichung des Motu Proprio "Fidelis Dispensator et Prudens" folgend übernommen hatte, durch das Wirtsschaftssekretariat, der Rat für Wirtschaft und das Amt eines Generalrevisors etabliert wurden.
Die Behebung der kleinen Fehler, die während der Reform begangen wurden, wird als Weg benutzt, zur Zentralisation der Kompetenzen zurück zu kehren, was auch die Zentralisation der Informationen nach sich zieht.
Sogar die Trennung zwischen Aufsicht und Managment wurde bereits vom MONEYVAL-Report vorgesehen. Aus diesem Grund ist es logisch, daß APSA die finanziellen Kompetenzen wieder übernehmen würde, die das Wirtschaftssekretariat der Veröffentlichung des Motu Proprio "Fidelis Dispensator et Prudens" folgend übernommen hatte, durch das Wirtsschaftssekretariat, der Rat für Wirtschaft und das Amt eines Generalrevisors etabliert wurden.
Die Behebung der kleinen Fehler, die während der Reform begangen wurden, wird als Weg benutzt, zur Zentralisation der Kompetenzen zurück zu kehren, was auch die Zentralisation der Informationen nach sich zieht.
Seit kurzem sind die Italienischen Zeitungen voller Klatsch über angebliche Laster mancher Monsignori, ohne das Namen genannt werden, während aber klaren Hinweise verbreitet werden. Mehr als beängstigend scheinen die Artikel, die Uhr in die 90-er Jahre zurückzustellen. Zu der Zeit erfreuten sich einige Medien - meistens italienische - privilegierter Verbindungen mit Vatican-Mitarbeitern und bekamen von denen Brocken pikanten Klatsches, die darauf abzielten, Karrieren zu zerstören.
Zieht man diesen Gesichtspunkt in Betracht, hat Milone einen schweren Fehler gemacht, als der dem Corriere della Sera, einer bekannten italienischen Zeitung, ein Interview gab. Der Artikel stand im Inneren der Zeitung, während auf der Titelseite in einem Kommentar die Wirtschaftsreform des Papstes angegriffen wurde.
Es genügt die Meinungs-Beiträge in Italienischen Zeitungen zu lesen, um die Stimmung in der verwurzelten Kurie zu spüren, die darum kämpft die Macht zurückzugewinnen und viele der Statthalter an den Rand zu drängen, die sich während der Franziskus-Ära selbst zu solchen ernannt haben.
Einer dieser Meinungsartikel forderte auch, der Hl. Stuhl solle sich ein Beispiel an Italien nehmen, und suggerierte so, der Hl. Stuhl solle zu jener früheren nervösen Gereiztheit gegenüber seinem plumpen Nachbarn zurückkehren.
Tatsächlich ist der Vatileaks-Fall an der Italien-Vatican-Grenze entstanden und bei der zweiten Vatileaks-Krise geht es offensichtlich um die Souveränität des Hl. Stuhls , die Italien nie besonders beachtet hat.
Nicht zufällig sagen Beobachter, daß Libero Milones Verzicht anzeigt, daß es ein Vatileaks III geben könnte. Man sollte sich erinnern, daß es Milone selber war, der die zweite Vatileaks-Krise startete, mit der Behauptung, daß sein Computer gehackt worden sei.
Obwohl Pells und Milones Fälle nicht verbunden sind und es sich um Situationen die sich sehr von der Finanzreform unterscheiden, wird Papst Franziskus´ Reform nicht unbeschädigt aus diesen Ereignissen hervorgehen. Aber das geschieht nur, weil die Reform kein institutionelles Schild hat.
Bis jetzt wurden Papst Franziskus´ Reformen einfach mit Hilfe der Statuten der neuen Dikasterien entlang einer inneren Regulierung, aber es gab nie ein größeres Rahmenwerk. Diese
Lücke stellt eine strukturelle Grenze dar, die einem erlaubt zu denken, daß die Reformen vorübergehend, zeitlich begrenzt seien. Jene, die nach dem Pontifikat Johannes Pauls II Einfluss hatten, sind jetzt in der Lage die Kontrolle an der Spitze wieder zu übernehmen.
Einen Unterschied zwischen den beiden Fällen sollte man aber machen. Die Justiz wird entscheiden, ob Kardinal Pell schuldig ist oder nicht, aber zur Zeit ist er eher ein Opfer, geopfert wegen seiner Unvorsichtigkeit. Die Vorwürfe gegen ihn sind bereits zu Beginn des Jahres 2000 publik gemacht worden und mindestens eine von ihnen hatte sich als nicht stichhaltig erwiesen. Ihn zum Präfekten in Rom zu ernennen, bedeutete ihn unter Scheinwerferlicht zu stellen und ihn und den Hl. Stuhl in eine schwierige Situation zu bringen. Warum wurde das nicht bedacht? Und warum wurde Kardinal Pell dann als Sündenbock benutzt?
Um diese letzte Frage zu beantworten, darf man nicht vergessen, daß der Kardinal als konservativ betrachtet wird, der während der Familien-Synode eine der stärksten Stimmen gegen die "Agenda der Barmherzigkeit" und zog sich nie aus der Schlacht zurück. Er ist keine Art Kardinal mit dem die Medien sympathisieren.
Es wird erwartet, daß der Vatican auch zum Fall Milone eine Erklärung abgibt. Dieser Fall jedoch scheint in Milones persönliche Verantwortung zu fallen. Es ist kein Fall, der das Gesamtsystem betrifft und wie es funktioniert. Es gibt im Italienischen einen Ausdruck, der dem englischen "Das Baby mit dem Bade ausschütten" entspricht. In dieser Diskussion über das Badewasser gibt es das Risiko, daß auch das Kind ausgeschüttet werden könnte. Dieses Kind ist das Reformprojekt, das bereits vor Papst Franziskus existierte. Das Projekt basierte auf dem Konzept der Kollegialität und zielte darauf ab, alle Machtzentren abzuschaffen. Papst Franziskus hat diese Reform unterstützt, jetzt aber läuft er Gefahr, durch sie erstickt zu werden, weil die Reform de facto von den neuen Männern, die für sie gearbeitet haben, zerstört wurde.
Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci
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