Sonntag, 18. Februar 2018

Als Christ in einer nichtchristlichen Welt leben- in der Spätantike und jetzt: ein Vergleich.

Sandro Magister  und Professor Leonardo Lungaresi vergleichen in einem bei Settimo Cielo veröffentlichten Briefwechsel die Situation der Christen der ersten Jahrhunderte und der Gegenwart in einer jeweils nichtchristlichen Welt- damals und jetzt.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"WIE MAN HEUTE EINE "KREATIVE MINDERHEIT" SEIN KANN. DAS BEISPIEL DER CHRISTEN DER ERSTEN DREI JAHRHUNDERTE."

"Lieber Magister,
Ihr Artikel zur "Benedict-Option" erfaßt wirklich eine zentrale Frage- "die" zentrale Frage würde ich sagen- des zeitgenössischen Christentums: wie soll man als Christ in einer (jetzt) nichtchristlichen Welt leben.

Das war auch das Problem der Kirche in den ersten Jahrhunderten: wie soll man als Christ in einer (noch) nichtchristlichen Welt ?

Es gab einen Faktor, der im Gewissen der Christen damals sehr präsent war heute aber nicht eher nicht mehr erkannt wird, obwohl es entscheidend ist, sich ihm entgegen zu stellen: es ist der Faktor "Krisis" -was bedeutet, ein Urteil zu fällen, das in der Lage ist, die weltliche Kultur in eine Krise zu stürzen und der Faktor "chresis", der bedeutet, das was diese Kultur besitzt, aber nicht mehr richtig einzusetzen weiß, auf richtige Weise zu benutzen.

Die "Benedict-Option" überwindet das Risiko der "Selbstghettoisierung"-wenn -wie der Autor glaube ich denkt- sie mit einer starken "kritischen Fähigkeit" ausgestattet ist, die das Gegensatz zu Schließung ist und im Gegenteil die wahre Form des Dialogs ist- mit der Welt, die die Christen ausdrücklich dazu aufruft, Sauerteig, Salz und Licht der Welt zu sein, der geführt werden muß und kann.

Zusammen mit anderen Patristikern habe ich einige Jahre lang an dem Thema "krisis/chresis" gearbeitet.

Im nächsten Herbst soll die Arbeit veröffentlicht werden, wegen unseres Ingteresses an der Italienischen Übersetzung der grundlegenden Arbeit bon Christian Gnilka "Chresis. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der Antiken Kultur", Basel, 2012,  der wir auch im Frühling 2019 , wahrscheinlich in Bologna eine Konferenz widmen wollen.

Außerdem sind im Verlagshaus der Heiligkreuz-Universität gerade die Vorträge einer anderen Konferenz, die wir 2016 in Bologna abgehalten haben veröffentlicht worden (A.M. Mazzanti-I.Vigorelli Hrg) "Krisis und Veränderungen im spätantiken Zeitalter. Zeitgenössische Überlegungen"
Edusc. Rom, 2017)

In ihr ist auch mein Beitrag enthalten, der den Titel trug "Cottidie sbedimur" Als Christ in einer nichtchristlichen Welt leben: die Vorschläge Tertullians". Ich denke, daß man einiges darin finden kann, das für die aktuelle Debatte nützlich ist.

Danke, mit großer Herzlichkeit und Wertschätzung,

Leonardo Lugaresi"

                                        *     *     *     *     *


"Lieber Professor Lugaresi,
ich bin es, der Ihnen danken muß. Und ich biete den Lesern von Settimo Cielo folgenden erhellenden Ausschnitt der Einleitung Ihrer Präsentation an."

Sandro Magister

                                         *     *     *     *     *





"ALS CHRIST IN EINER NICHTCHRISTLICHEN WELT LEBEN. DIE LEHRE DER ERSTEN DREI JAHRHUNDERTE"

von Leonardo Lugaresi

"Die Christenheit war- zumindest in den ersten drei Jahrhunderten seiner Geschichte- das, was in soziologischer Sprache als minoritäre Gruppe defniert werden kann, auch wenn sie schnell anwuchs.
Noch zu Beginn des 4. Jahrhunderts, als Konstantin beschloss sich für das "Christentum" zu öffnen, indem er es als Referenzkultur für sein plotiisches Projekt nahm. war diese Entscheidung eine kühne politische Wette, weil er alles auf eine zwar - in soziokultureller Sprache -sicher bedeutende Entität setzte, die im großen Bild des Römischen Reiches aber immer noch eine Minorität war.

Es scheint deshalb gerechtfertigt, sich der Christlichen Geschichte der ersten Jahrhunderte zuerst mit einem Interesse für das Verstehen dafür zu nähern, wie eine minoritäre Gruppe das Problem ihres Überlebens in einem kulturell und sozial fremden, wenn nicht feindlichen Umfeld anzugehen, das fortwährend einen starken und andauernden osmotischen Druck auf sie ausübte, dieses Gefühl der "Belagerung" auf das sich Tertullian bezieht: "cottidie obsedimur". (Apologeticum 7,4)

Wir sind daran gewöhnt, zu denken, daß das Verhalten minoritärer Gruppen unter ähnlichen Bedingungen wie jene der ersten Christen, dazu neigt sich auf einen dieser beiden entgegengesetzten Kurven zu  polarisieren:

-entweder zu einer fortschreitenden Assimilation an das vorherrschende kulturelle Modell der Umgebung, zu der sie gehört;

-oder -im Gegenteil- zu einer Haltung zunehmender Abschließung von der Außenwelt, gegenüber der die Gruppe eine Art identitärer Verschanzung vornimmt.

Eine extreme Manifestation dieser zweiten Haltung , die man auch als dritte Option klasifiieren könnte, ist die, die damit endet, sich völlig aus dem soziokulturellen Kontext zu lösen, zu dem man gehört, und eine Art kollektiver Ablösung zu verwirklichen (mit der  daraus resultierenden Suche nach einer neuen Heimat, einem "gelobten Land") oder individuell (durch anacoresis, die "Flucht in die Wüste").

Aber die Christen taten während der ersten drei Jahrhunderte nichts von dem, was wir gerade gesagt haben:

1) sie haben sich nicht assimiliert, weil wenn eine volle und komplette Assimilation der Christenheit  an den Hellenismus stattgefunden hätte, wir heute nicht hier wären und über eine immer noch bestehende Realität sprechen würden,  die sich klar vom griechisch-römischen Erbe unterscheidet.

2) sie haben sich nicht separiert und in einer anderen Welt eingeschlossen und haben nicht die Logik einer Sekte angenommen (jedenfalls was das mainstream-Christentum betrifft; da gab es sektierische Tendenzen, aber die haben de facto immer den Weg von Neubildungen genommen, die-bedeutenderweise- ihre separatistische Kritik vor allem gegenbüber der "großen Kirche" richteten, die mit der Welt Kompromisse eingegangen ist);

3) noch viel weniger träumten sie von einem Exil, einer Sezession von der Römischen Welt, geschweige denn, daß sie das planten."

Fortsetzung folgt.....


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