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"ROBERT SPAEMANN ÜBER JOESPH SEIFERT, AMORIS LAETITIA UND DAS ZEUGNIS FÜR DIE WAHRHEIT"
Maike Hickson:
Professor Joseph Seifert ist einer Ihrer Studenten, der seine Habilitationsarbeit unter Ihrer Leitung geschrieben hat. Also kennen Sie ihn und seine Arbeit persönlich. Sie beide haben die Stimme erhoben zu einer höflichen Kritik des päpstlichen Dokumentes Amoris Laetitia. Was war Ihre Reaktion auf die Entscheidung des Erzbischofs von Granada, Professor Seifert wegen seiner Kritik an Amoris Laetitia zu entlassen?
Robert Spaemann:
Erst einmal, Professor Seifert ist nicht mein Student sondern Student von Dietrich von Hildebrand. Er hat sich in der Philosophischen Fakultät der Universität München habilitiert. Was die Entlassung Seiferts durch den Erzbischof von Granada angeht, war ich schockiert. Ich wußte nichts über Seiferts eigene Veröffentlichung. Unsere Reaktionen auf die Entscheidung des Erzbischofs waren völlig unabhängig voneinander.
MH:
"Wie reagieren Sie auf den Vorwurf Erzbischof Javier Martinez´, daß Professor Seifert mit seinen kritischen Fragen zu Amoris Laetitia "die Einheit der Kirche schädigt, den Glauben der Gläubigen verwirrt und Mißtrauen gegen den Nachfolger Petri sät?"
RS:
"Wie gesagt, ich war schockiert. Der Erzbischof schreibt, daß er sicherstellen muß, daß die Gläubigen nicht verwirrt werden, weil Seifert die Kircheneinheit unterminiert.
Die Einheit der Kirche basiert auf der Wahrheit. Wenn die Katholische Kirche einem gläubigen Professor einen Lehrauftrag anvertraut, tut sie das, weil sie in die unabhängige Lehre eines Denkers vertraut. Solange seine Philosophie nicht im Widerspruch zur Kirchenlehre steht, gibt es ein weites Feld für eine Lehre.
Das Mittelalter war da ein Modell. es gab die lebhaftesten und tiefsten Differenzen zwischen den Meinungen. In diesen Diskussionen zählte das Argument, nicht die Entscheidung einer Autorität.
Und es wäre niemandem in den Sinn gekommen, zu fragen, ob ein philosophischer Gedanke mit der Meinung des amtierenden Papstes übereinstimmt."
MH:
"Welche Signale senden ein solches bischöfliches Urteil im Hinblick auf die akademische Freiheit aber auch speziell im Hinblick auf die Freiheit eines wohl ausgebildeten Gewissens des einzelnen Katholiken im Besonderen aus? Kann ein Katholischer Akademiker noch päptliche Äußerungen auf kritische Weise diskutieren und sollte das möglich sein?"
RS:
"Im Licht des Urteils des Erzbischofs muß sich jetzt jeder Philosoph, der in einer kirchlichen Institution arbeitet fragen, ob er seine Arbeit dort fortsetzen kann.
Auf alle Fälle verträgt sich das Eingreifen des Erzbischofs nicht mit dem Respekt für die Akademische Freiheit.
Was Seifert kritisiert ist der Bruch mit der fortwährenden Lehre der Kirche und mit der expliziten Lehre der Päpste Paul VI und Johannes Paul II.
Der Hl. Johannes Paul hat einmal in "Veritatis Splendor" audrücklich betont, daß es keine Ausnahme für den Ausschluss der wiederverheirateten Geschiedenen von den Sakramenten gibt. Papst Franziskus widerspricht ebenso ausdrücklich der Lehre von "Veritatis Splendor".
MH:
"Stimmen Sie Professor Seiferts Argument zu, daß die Behauptung in Amoris Laetitia (303) nach der Gott manchmal von einer Person, die in einer irregulären ehelichen Situation lebt, verlangen könnte, in dieser objektiv sündigen Situation zu bleiben (wie die wiederverheirateten Geschiedenen, die ihre sexuelle Beziehung beibehalten , um zum Wohl ihrer Kinder ihre neue Beziehung zu erhalten)- generell zu moralischer Anarchie führen könnte und daß es deshalb bei keinem Moralgesetz (z.B. gegen Abtreibung und Künstliche Empfängnisverhütung) liberalisierende Ausnahmen geben kann?"
RS
RS
RS
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"Im Licht des Urteils des Erzbischofs muß sich jetzt jeder Philosoph, der in einer kirchlichen Institution arbeitet fragen, ob er seine Arbeit dort fortsetzen kann.
Auf alle Fälle verträgt sich das Eingreifen des Erzbischofs nicht mit dem Respekt für die Akademische Freiheit.
Was Seifert kritisiert ist der Bruch mit der fortwährenden Lehre der Kirche und mit der expliziten Lehre der Päpste Paul VI und Johannes Paul II.
Der Hl. Johannes Paul hat einmal in "Veritatis Splendor" audrücklich betont, daß es keine Ausnahme für den Ausschluss der wiederverheirateten Geschiedenen von den Sakramenten gibt. Papst Franziskus widerspricht ebenso ausdrücklich der Lehre von "Veritatis Splendor".
MH:
"Stimmen Sie Professor Seiferts Argument zu, daß die Behauptung in Amoris Laetitia (303) nach der Gott manchmal von einer Person, die in einer irregulären ehelichen Situation lebt, verlangen könnte, in dieser objektiv sündigen Situation zu bleiben (wie die wiederverheirateten Geschiedenen, die ihre sexuelle Beziehung beibehalten , um zum Wohl ihrer Kinder ihre neue Beziehung zu erhalten)- generell zu moralischer Anarchie führen könnte und daß es deshalb bei keinem Moralgesetz (z.B. gegen Abtreibung und Künstliche Empfängnisverhütung) liberalisierende Ausnahmen geben kann?"
RS
"Ich kann Professor Seiferts Argumentation nur zustimmen. Was er verurteilt ist die moral-philosophische Theorie des Konsequentialismus; das heißt, die Lehre, die besagt, daß das Ethische einer Handlung auf dem Ganzen der aktuellen und vohergesehenen Konsequenzen basiert, und daß deshalb keine Handlung immer schlecht ist. Josef Seifert nennt auch einige Beispiele: Abtreibung, Empfängnisverhütung etc. eingeschlossen Ehebruch.
Ich muß übrigens einen Fehler in Seiferts Essay erwähnen: er spricht über Handlungen, die- unabhängig vom Kontext- immer gut sind. Schon der Hl. Thomas hat dieser Ansicht widersprochen.
Und jeder kann Taten nennen, die immer schlecht, aber keine, die immer gut sind.
In diesem Kontext ist es wert, die folgenden Worte von Boethius zu zitieren, auf die sich Thomas häufig bezieht: Bonum et integra causa. Malum ex quocumque defectu" (eine Handlung ist gut, wenn in jeder Hinsicht gut; sie ist falsch, wenn sie in einem Aspekt schlecht ist")
MH
"Im April 2016 haben Sie vorhergesagt, daß Amoris Laetitia die Kirche spalten wird. Wie sehen Sie die Lage der Kirche jetzt, mehr als ein Jahr später und auch nachdem einige Bischofskonferenzen ihre eigenen Richtlinien zu Amoris Laetitia veröffentlicht haben?"
RS
"Die Spaltung innerhalb der Kirche Amoris Laetitia betreffend hat bereits stattgefunden. Diverse Bischofskonferenzen haben widersprüchliche Richtlinien veröffentlicht. Und die armen Priester werden allein gelassen."
MH
"Sie und Professor Seifert waren Mitglieder auf Lebenszeit der Päpstlichen Akademie für das Leben (PAV) in Rom und Sie sind jetzt beide aus diesem Amt entfernt worden. Haben Sie eine Vorstellung, warum Sie beide auf so ungewöhnliche Weise aus diesem so wichtigen Amt entfernt worden sind?"
RS
"Ich habe die Mitgliedschaft in der PAV gemäß der Statuten aufgegeben, als ich 80 wurde. Seifert jedoch ist entgegen der Statuten entlassen worden. Warum? Die Antwort ist sehr einfach.
Seifert ist ebenfalls ein Kritiker der Theorie des Konsequentialismus, die der Papst lehrt. Und in Rom wird der Widerspruch gegen Ansichten nicht mehr toleriert. Man braucht keinen Vatican-Experten um zu erkennen, daß Kardinal Gerhard Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation, innerhalb kurzer Zeit sein Amt verlassen mußte."
MH
"Stimmen Sie im Kontext der neuen Lehre, die aus Rom kommt und besonders im Zusammenhang mit dem neuen Johannes Paul II Institut für Ehe-und Familienforschung als Philosoph dem anthropologischen und soziologischen Argument zu, daß neue soziale Entwicklungen eine Veränderung der Moralgesetze nach sich ziehen? Im Kontext der modernen wissenschaftlichen Einsichten behaupten Leute heute oft, daß man zu biblischen Zeiten nicht wußte, daß Homosexualität eine biologische Neigung ist und daß die Morallehre deshalb heute angepaßt und liberalisiert werden muß. Stimmen Sie einem solchem "wissenschaftlichen" Argument zu?"
RS
"Nein. Die Prinzipien des Moralgesetzes sind immer und überall die gleichen- ihre Anwendung kann sich ändern. Wenn es ein Staatsgesetz gibt, nach dem alte oder schwer kranke Menschen getötet werden dürfen, ist es immer und überall anzuwenden. Die Frage ist, wie das Töten durchgeführt wird, hängt von den Gebräuchen einer bestimmten Zeit, hat aber keinen Einfluß auf das Moralgesetz solange der Mensch Mensch ist.
Wenn es eine vorherrschende Meinung gibt und diese vorherrschende Meinung dem Moralgesetz widerspricht, die Essenz des Menschseins, ist die gesamte Gesellschaft in einem bedauernswerten Zustand. Die Christen der Frühzeit haben sich der vorherrschenden Ansicht von Moral. Ihre Mitmenschen haben sie deswegen bewundert. Wenn über Christen gesprochen wurde, priesen die Leute sie, weil sie ihre Kinder nicht töteten.
Das Wort des Hl. Petrus: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen" gilt noch. Eine Kirche, die den Weg der Anpassung einschlägt, wird nicht missionarisch sein. Der Ordensgeneral der Jesuiten sagt jetzt, daß man die Worte Jesu an unsere Zeit anpassen muß. Besonders im Hinblick auf die Ehe, die Art der "Kontextualisierung der Worte Jesu" stimmt überhaupt nicht mehr mit der Klarheit Jesu überein, weil die Gebote, die Ehebruch verbieten, von den Jüngern auf sehr ernste Weise entgegen genommen wurden: "Wer würde dann noch heiraten wollen?"
MH
"Was ist dann in diesem Kontext über das Moralgesetz noch die Wahrheit?"
RS
"Die Frage "was ist Wahrheit?" ist die Antwort von Pontius Pilatus auf Jesu Worte "Das ist es, weshalb ich geboren wurde und in die Welt gekommen bin, daß ich Zeugnis gebe für die Wahrheit"
"Ich bin die Wahrheit"
MH
"Welche der Kirchenlehren betrachten Sie als die, die heute am meisten ignoriert wird?"
RS
"Höchstwahrscheinlich das Ehebruchsverbot"
MH
"Was würden Sie heute zu Priestern sagen, die mit der Forderung konfrontiert werden, wiederverheirateten Geschiedenen die Hl. Kommunion zu spenden, etwas, was sie nach ihrem eigenen Gewissen nicht tun können? Was wenn sie wegen ihres Widerstands aus dem Amt entllssen werden?"
RS
"Ich würde hier gern mit den Worten von Weihbischof Athanasius Schneider antworten: "Wenn Priester und Laien den unveränderlichen und immerwährenden Lehre und Praxis der Universalen Kirche treu bleiben, sind sie in Kommunion mit allen Päpsten, orthodoxen Bischöfen und Heiligen, von 2000 Jahren, in besonderer Kommunion mit dem Hl. Johannes dem Täufer, dem Hl.Thomas Morus, dem Hl. John Fisher und den ungezählten verlassenen Ehepartnern, die ihrem Eheversprechen treu geblieben sind, und ein Leben in Keuschheit akzeptiert haben, um Gott nicht zu beleidigen. Die
immergleiche Stimme-selben Inhalts und gleicher Bedeutung (eodem sensu sententia , Vat, I) und der entsprechenden Praxis von 2000 Jahren waren mächtiger und sicherer als die mißtönende Stimme und Praxis, die unbußfertige Ehebrecher zur Hl. Kommunion zuläßt, sogar wenn diese Praxis von einem einzelnen Papsts oder Diözesanbischof befürwortet wird. […]
Es bedeutet, daß die gesamte Katholische Tradition bestimmt und mit Sicherheit gegen eine fabrizierte, kurzlebige Praktik urteilt, die in einem wichtigen Punkt dem gesamten Lehramt aller Zeiten widerspricht. Diese Priester, die jetzt vielleicht von ihren Vorgesetzten gezwungen würden, nicht bereuenden Ehebrechern oder anderen notorischen und öffentlichen Sündern öffentlich die Hl. Kommunion zu spenden, sollten ihnen mit heiliger Überzeugung antworten: "Unser Verhalten ist das Verhalten der ganzen Katholischen Welt seit 2000 Jahren."
Vor kurzem hat ein afrikanischer Priester mich besucht, der mir mit Tränen in den Augen die selbe Frage gestellt hat.
Die 10 Gebote "Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen" trifft auch auf die Lehre der Kirche zu. Wenn ein Priester überzeugt ist, daß er wiederverheirateten Geschiedenen die Hl.Kommunion nicht geben darf, dann muß er dem Wort Jesu und der 2000-jährigen Lehre der Kirche folgen. Wenn er deswegen suspendiert wird, ist er ein "Zeuge für die Wahrheit" geworden. "
immergleiche Stimme-selben Inhalts und gleicher Bedeutung (eodem sensu sententia , Vat, I) und der entsprechenden Praxis von 2000 Jahren waren mächtiger und sicherer als die mißtönende Stimme und Praxis, die unbußfertige Ehebrecher zur Hl. Kommunion zuläßt, sogar wenn diese Praxis von einem einzelnen Papsts oder Diözesanbischof befürwortet wird. […]
Es bedeutet, daß die gesamte Katholische Tradition bestimmt und mit Sicherheit gegen eine fabrizierte, kurzlebige Praktik urteilt, die in einem wichtigen Punkt dem gesamten Lehramt aller Zeiten widerspricht. Diese Priester, die jetzt vielleicht von ihren Vorgesetzten gezwungen würden, nicht bereuenden Ehebrechern oder anderen notorischen und öffentlichen Sündern öffentlich die Hl. Kommunion zu spenden, sollten ihnen mit heiliger Überzeugung antworten: "Unser Verhalten ist das Verhalten der ganzen Katholischen Welt seit 2000 Jahren."
Vor kurzem hat ein afrikanischer Priester mich besucht, der mir mit Tränen in den Augen die selbe Frage gestellt hat.
Die 10 Gebote "Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen" trifft auch auf die Lehre der Kirche zu. Wenn ein Priester überzeugt ist, daß er wiederverheirateten Geschiedenen die Hl.Kommunion nicht geben darf, dann muß er dem Wort Jesu und der 2000-jährigen Lehre der Kirche folgen. Wenn er deswegen suspendiert wird, ist er ein "Zeuge für die Wahrheit" geworden. "
RS
"Es war in der Nazizeit leichter ein gläubiger Christ zu sein als heute."
Quelle: M. Hickson, OnePeterFive
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